Ein Zuger Privatdetektiv über seinen Alltag

All die Seitensprünge, die Gefahr

Der Zuger Privatdetektiv Roger Müllhaupt bei der Arbeit (gestellte Szene).

(Bild: R. Müllhaupt)

Er sitzt tagelang mit Kamera und Objektiv im Gummiboot und wartet auf den perfekten Schuss. Der Zuger Privatdetektiv Roger Müllhaupt weiss, was die Zuger im Geheimen tun, und weiss auch, wie man es herausfindet. Dazu trägt er auch mal eine schusssichere Weste.

Der Mann in der Ecke muss es sein! Er ist gross und drahtig, unauffällig gekleidet, trägt eine runde, fein gerahmte Brille und schaut sich suchend um. Neben seinem Stuhl sitzt angeleint ein grosser, brauner Hund. Nebst dem Mann hat es nur ein paar schrumpelige ältere Semester im Café, die gemütlich an ihren Tassen nippen und schwatzen. «Guten Tag, Roger Müllhaupt?», begrüsse ich ihn. Er nickt und streckt mir die Hand entgegen. Volltreffer. Dass die unscheinbare Fassade nur Tarnung ist, wird bereits beim ersten Satz klar, den er an mich richtet.

1. Die Identität des Auftraggebers prüfen

«Können Sie mir erklären, warum die Telefonnummer, die Sie mir angegeben haben, nicht auf Ihren Namen lautet?», fragt mich der Zuger Privatdetektiv, noch bevor ich mich setzen kann. Damit nimmt er mir meine erste Frage vorneweg, was er denn schon alles von mir wisse. Etwas also, wovon ich keine Ahnung habe.

«Ich werde sehr oft angelogen in meinem Beruf.»
Roger Müllhaupt, Privatdetektiv

Einen kurzen Moment zweifelt der Profi der Geheimnisaufklärung meine Identität oder meine Absichten jedenfalls an, «weil ich sehr oft angelogen werde in meinem Beruf», wie er später erklären wird. Doch mit der Visitenkarte und einem Erklärungsversuch ist das Vertrauensverhältnis so halbwegs repariert.

Wir sitzen in einer eher düsteren Ecke eines Kaffees gleich neben dem Zuger Bahnhof. Das Treffen soll diskret ablaufen. Denn Anonymität ist in seinem Beruf wichtig. Zu Müllhaupts Rechten macht es sich sein Hund auf dem Sofa bequem. Links von ihm liegt ein schwarzen Aktenkoffer mit einem Notfall-Piepser, der eher aussieht wie eine kleine Kamera, aber keine sei, wie er beteuert. «Aber ich habe natürlich schon Kameras, damit ich die Leute versteckt filmen kann», sagt Müllhaupt und grinst spitzbübisch.

2. Recherchieren, und zwar gründlich – nicht wie James Bond

Der Zuger führt seit 2011 eine kleine Einmann-Detektei in der Stadt Zug. Für 140 Franken die Stunde kann man den Privatdetektiv für sich beanspruchen. Von den eins bis zwei Fällen pro Monat, die er annimmt, könne er aber nicht leben. «Es müssten schon drei oder vier sein», sagt Müllhaupt. Deshalb ist er Teilzeit-Detektiv und ansonsten in private Projekte involviert. Aber, und darauf ist Müllhaupt stolz, er ist im Vorstand des Schweizer Verbands für Berufsdetektive und Mitglied in einer echten amerikanischen Detektiv-Association.

Damit entspricht er schon ein wenig dem Klischee des Detektivs, der weltweit vernetzt die Leichen in den Kellern fremder Leute ausfindig macht, der Seitensprünge über Landesgrenzen hinweg dokumentiert und Wirtschaftsverbrecher entlarvt.

«Ich sitze meist nicht, in einen Trenchcoat gehüllt, in einer schmuddeligen Hotellobby.»
Roger Müllhaupt 

Müllhaupt lacht über diese Vorurteile. Er sitze meist nicht, in einen Trenchcoat gehüllt, in einer schmuddeligen Hotellobby und beobachte hinter einer Zeitung hervor sein Zielobjekt, erklärt der Privatdetektiv. «Das entspricht eher einer Filmdarstellung meines Jobs. Mein Job ist aber nicht so, wie bei James Bond dargestellt», sagt Müllhaupt.

3. Stimmt die Geschichte?

Doch dann beginnt er aus seinem Alltag zu erzählen, und die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion scheinen zu verschwimmen. Seine Erlebnisse klingen nach Film. Vielleicht, weil die Geschichten doch mehr den Klischees entsprechen, als das der Privatdetektiv wahrhaben will.

«Einmal wollte zum Beispiel eine Frau wissen, was ihr Mann so treibt, während sie beruflich im Ausland weilte.» Das Paar habe in der Stadt Zug in Seenähe gewohnt. Der Balkon der Wohnung sei ein wenig versteckt zur Lorze und einigen Bäumen hin ausgerichtet gewesen.

«Gegen Abend hat sich die Zielperson zu sicher gefühlt auf dem vermeintlich versteckten Balkon.»
Roger Müllhaupt, Privatdetektiv  

Er sei den ganzen Tag im Gummiboot im Zugersee gesessen, ausgerüstet mit Kamera und Objektiv. Denn das sei die einzige Möglichkeit gewesen, auf den Balkon zu schauen. «Gegen Abend hat sich die Zielperson zu sicher gefühlt auf dem vermeintlich versteckten Balkon.» Müllhaupt gelang es, Fotos von dem Mann mit einer anderen Frau auf dem Balkon zu schiessen. «Die Ehe ist danach in die Brüche gegangen», sagt er. Diese Partner-Geschichten seien immer traurige Aufträge. «Deshalb mache ich das jetzt auch nicht mehr.»

4. Observation

Dass sein Beruf nicht wie der von James Bond im Film sei, hänge damit zusammen, dass er den Grossteil seiner Arbeit damit verbringe, am Computer zu recherchieren. Herauszufinden, welche Tür wohin führe und welcher Weg wo ende, sei für ihn sehr wichtig. «Ohne diese Informationen kann ich nicht rausgehen. Ich muss auf jeden Fall vorbereitet sein, um richtig zu reagieren», sagt Müllhaupt.

Der kleinere Teil seiner Arbeit bestehe dann aus Tätigkeiten wie Telefonleitungen messen lassen, Briefkästen beobachten, Personen folgen oder 24-Stunden-Observationen von Häusern. Genau darum sitzt Müllhaupt manchmal tagelang in einem Auto. Oder eben im Gummiboot. 

Der Hund neben ihm will offensichtlich spielen, sitzt auf. Müllhaupt tätschelt dessen Kopf und sagt «schhhh». Noch gehorcht der Hund nicht richtig. Jedenfalls nicht aufs Wort. Müllhaupt hat ihn auch erst seit kurzem. «Aber mit dem an der Seite geht mir sicher niemand mehr so schnell ans Leder.»

5. Lauern und belauert werden

Denn es wird schon auch mal brandgefährlich im Leben eines Detektivs. «Einmal beauftragte mich eine Zuger Firma, einen ehemaligen Mitarbeiter zu beobachten.» Die Firma hegte den Verdacht, dass der ehemalige Aussendienstler weiterhin im Namen der Firma Produkte verkaufte, die Gelder aber selber einsteckte.

«Bei den Recherchen bin ich dem Typ wohl auf den Schlips getreten.» Denn Müllhaupt lieferte die Adressen der Kunden, die vom Mann beliefert wurden, an den ehemaligen Arbeitgeber. Dieser habe dann Warnungen verschickt, von diesem Mann nichts mehr zu kaufen. Der Observierte habe ihn dann entdeckt und gedroht, dass die Luft bleihaltig werde, sollte er weiter seine Nase in die Angelegenheit stecken.

«Wenn jemand mit so viel Gewalt droht, muss doch etwas falsch laufen.»
Roger Müllhaupt 

«Ich bemerkte zudem, dass ich von zwei Personen beschattet wurde», erklärt Müllhaupt. Da sei er tagelang nur noch mit der schusssicheren Weste unterwegs gewesen. «Ich habe dann irgendwann mit dem Mann sprechen können und ihm gesagt, dass wenn jemand mit so viel Gewalt drohe, müsse doch etwas falsch laufen.» 

6. Die Motive beider Seiten prüfen

Es gebe zwei Dinge, welche die Menschen antreiben würden, sagt Müllhaupt. «Die Liebe und das Geld. Und wenn die Liebe vorbei ist, nur noch das Geld.» Man sage unter Detektiven nicht umsonst: «Hast du keine Spur, folge dem Geld.» Und von dieser Spur versteht der Privatdetektiv etwas. Als gelernter Betriebsökonom liegt ihm die Analyse von Zahlen, das Kombinieren.

Bei der Liebe wird es dann schon ein wenig komplizierter. Denn dann werde auch mal gelogen. «Zum Beispiel ein Zuger Geschäftsmann, der vorgab, seine Finanzchefin sei vom einen Tag auf den anderen gegangen.» Der Mann wollte wissen, wo sie ist. Als Angabe habe er nur ein Nummernschild und einen Namen gehabt.

«Ich habe zwei Wochen recherchiert, bis ich rausgefunden habe, dass die Fährte, also Name und Nummernschild, zwar stimmte. Die Frau aber nicht die Finanzchefin seines Unternehmens war, sondern seine Noch-Ehefrau, die gegangen ist und als Physiotherapeutin arbeitet.» Er habe dann zwei Tage lang den Arbeitsort der Frau observiert – beziehungsweise die einzige Strasse, die zum Arbeitsplatz hin und weg führte.

«Ich finde die Wahrheit sowieso heraus.»
Roger Müllhaupt

Eigentlich hätte das Auto der Frau irgendwann durchfahren müssen. Das sei aber nicht passiert. Am dritten Tag dann habe er neben dem Auto der Frau gewartet. Sie sei tatsächlich aus dem Büro gekommen, aber von einem anderen Auto abgeholt worden – ihrem neuen Freund. «Ich bin ihnen gefolgt und habe einfach an die Tür geklopft.» Die Frau habe dann nach einigem Zögern erklärt, warum sie gegangen sei. «Durchaus verständliche Gründe. Aber die will ich nicht sagen.»

Müllhaupt klärte seinen Auftraggeber über die Gründe, weshalb die Frau ausgezogen sei, auf und dass sie nicht zurück wolle. Er müsse das akzeptieren. «Und eine Adresse muss ich in einem solchen Fall nicht herausgeben. Das regle ich im Auftrags-Vertrag.»

7. Die falschen Motive von den echten trennen

Es gäbe immer wieder Fälle, bei denen falsche Absichten dahinterstecken. «Manchmal sogar gesetzeswidrige», erklärt Müllhaupt: «Zum Beispiel Überwachungskameras in der neuen Wohnung der Exfrau installieren.» Manchmal sei sogar Gewalt im Spiel. Dann sei er nicht erfolgsverpflichtet und könne den Auftrag abbrechen.

«Aber was ich eigentlich sagen will: Man lügt mich immer wieder an. Aus welchen Motiven auch immer. Aber ich finde die Wahrheit sowieso heraus. Der Auftrag dauert dann einfach länger.» Der Detektiv schlägt beim Erzählen weite Bögen, holt aus. Wohl auch, weil die Fälle oft kompliziert sind. Nicht ganz klar wird dabei, warum er sich dem aussetzt: All die Seitensprünge, all die gebrochenen Herzen, die Gefahr.

Müllhaupt hat eine simple Antwort: «Ich bin vor allem ein neugieriger Mensch.» Das treibe ihn an – es wissen zu wollen. Aber es gefalle ihm auch, den Menschen zu helfen, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr wissen, als den Detektiv zu rufen.

8. Den Fall abschliessen

Irgendwie fällt es schwer zu glauben, dass Fälle, wie sie der Detektiv schildert, sich sozusagen vor der eigenen Haustür abspielen. Und obwohl Müllhaupt während des ganzen Gesprächs betont, sein Job sei nicht so, wie im Film dargestellt, hat man das Gefühl, James Bond lebe in Zug.

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