Was Geschäfte zur Luzerner Bahnhofstrasse sagen

«All die Autos und Lastwagen, das ist ein riesiges Chaos»

Das Restaurant Rossini würde sich über mehr Aussicht aufs Wasser statt auf die Autos freuen.

(Bild: ida)

Das Luzerner Stadtparlament will bei der Neugestaltung der Bahnhofstrasse vorwärtsmachen. Grosse Jubelsprünge löst das bei den betroffenen Geschäften nicht aus. Manche wollen zwar den Platz nutzen, doch andere sind skeptisch. Stadtrat Adrian Borgula macht derweil klar, dass die Bahnhofstrasse an Ostern bestimmt noch nicht autofrei sein wird.

Wo heute Autos um die wenigen Parkplätze buhlen, werden bald Bäume stehen und Menschen flanieren: Die Bahnhofstrasse in Luzern soll endlich autofrei werden. Das Stadtparlament hat entschieden, dass die Stadt fünf Jahre nach der Abstimmung vorwärtsmachen soll (zentralplus berichtete).

Bereits im nächsten Jahr könnte die Strasse oder zumindest ein Teil davon – zwischen Theaterplatz und Seidenhofstrasse – autofrei sein, so die Idee. Was darauf passiert, ist aber noch offen. Denn für das geplante Konzept wurde das Geld verweigert (siehe Box am Textende). Und anders als am Quai oder in anderen Ecken der Neustadt fehlen an der Bahnhofstrasse die Beizen und Bars, die reihenweise Stühle auftischen und so für mediterrane Verhältnisse sorgen könnten.

Der einzige Gastronomiebetrieb ist das Restaurant Rossini. Die Betreiber freuen sich auf die Neugestaltung, bedauern aber die Verzögerung. «Wir hoffen, dass die Parkplätze so bald wie möglich aufgehoben werden – je früher, umso besser», sagt Blerim Saliu, seit über 20 Jahren Geschäftsführer des Restaurants. «All die Autos und Lastwagen, die direkt vor unserem Restaurant parkieren, das ist ein riesiges Chaos.»

Vorteile überwiegen

Nur wenige seiner Gäste seien auf das Auto angewiesen, entsprechend überwiegen für das Rossini insgesamt die Vorteile der Neugestaltung bei weitem. Dafür nimmt man auch die Baustelle ohne Murren in Kauf, die wohl längere Zeit vor seiner Haustür ansteht. «Wir hoffen aber, dass im Winter gebaut wird und nicht im Sommer», sagt er.

«Die vielen Autos versperren die schöne Aussicht auf das Wasser und die Kapellbrücke.»

Blerim Saliu, Geschäftsführer Restaurant Rossini

Für Blerim Saliu ist klar, dass sein Betrieb den freigespielten Raum nutzen will. Zurzeit betreibt das «Rossini» im Sommer jeweils einige Tische auf dem Trottoir. «Danach möchten wir sicher eine richtige Gartenterrasse aufbauen.» Details, etwa zur Zahl der Tische, kann er noch nicht nennen, aufgrund der Verzögerung bestehe noch keine konkrete Planung.

So stellen sich die Planer die Bahnhofstrasse vor – eine Visualisierung des Siegerprojektes.

So stellen sich die Planer die Bahnhofstrasse vor – eine Visualisierung des Siegerprojektes.

(Bild: Visualisierung Koepfli Partner)

Es gehe ihm aber nicht nur um die Vorteile im Sommer. «Auch wenn die Gäste im Winter drinnen sitzen, versperren die vielen Autos die schöne Aussicht auf das Wasser und die Kapellbrücke. Das ist überhaupt nicht schön.»

Weniger Umsatz bei Veranstaltungen

Deutlich tiefer sind die Erwartungen bei der Confiserie Kurmann, dem zweiten Geschäft an der Bahnhofstrasse, das mit Lebensmitteln zu tun hat. «Wenn alle Parkplätze wegfallen, dann werden wir das bestimmt zu spüren bekommen», sagt Inhaber Hugo Kurmann. «Viele Kunden kommen mit dem Auto einkaufen.» Bereits heute mache sein Geschäft weniger Umsatz, wenn die Bahnhofstrasse für eine Veranstaltung gesperrt werde. 

«Wenn jetzt noch zusätzlich zwei Reihen Bäume gesetzt werden, werden wir viel Schatten haben.»

Hugo Kurmann, Inhaber Confiserie Kurmann

Konkrete Ideen, um den freigespielten Raum selber zu nutzen, hegt das Geschäft noch nicht. Man könne das «Rossini» nebenan nicht konkurrenzieren, sagt Kurmann. «Aber eine Glace-Verkaufsstelle wie bis anhin werden wir sicher haben.»

Bei der Confiserie Kurmann ist man noch skeptisch, was die Neugestaltung der Bahnhofstrasse bringt.

Bei der Confiserie Kurmann ist man noch skeptisch, was die Neugestaltung der Bahnhofstrasse bringt.

(Bild: ida)

Grundsätzlich hegt er noch Zweifel, ob die Bahnhofstrasse dank der Neugestaltung mit dem Quai am See mithalten kann, an dem sich die Neugestaltung orientiert (zentralplus berichtete). «Auf dieser Seite haben wir nicht viel Sonne, erst gegen Abend scheint sie auf unserer Seite», meint Kurmann. «Wenn jetzt noch zusätzlich zwei Reihen Bäume gesetzt werden, werden wir viel Schatten haben.» Ob das für die Passanten als Flaniermeile attraktiv genug sei, dahinter setze er ein Fragezeichen.

Swisscom und Post warten ab

Besonders betroffen von der Umgestaltung wird auch der Swisscom-Shop sein. Unmittelbar vor dem Geschäft soll die Zufahrt zur neuen Velostation entstehen, einem unterirdischen Parkhaus für 1100 Fahrräder. Wie kommen diese Pläne beim Unternehmen an? Das bleibt zurzeit offen. Bei der Swisscom will man sich im Moment nicht zu Einzelheiten äussern.

«Die Auswirkungen der Fussgängerzone auf den Shop werden wir analysieren, wenn das Projekt konkreter wird», sagt Mediensprecherin Esther Hüsler. «Für Swisscom ist es grundsätzlich wichtig, dass die Anlieferung garantiert ist.» Man sei in den Prozess mit dem Tiefbauamt einbezogen. 

Auch bei der Post, die am Anfang der Bahnhofstrasse die Luzerner Hauptfiliale betreibt, gibt man sich vorerst eher zurückhaltend. «Die Post nimmt die Entscheide des Stadtparlaments zur Kenntnis», sagt Sprecher Markus Flückiger. «Wir sind überzeugt, dass auch nach der Neugestaltung der Bahnhofstrasse unsere Kundinnen und Kunden einen bequemen Zugang zur Hauptpost haben.»

Wieso der Termin an Ostern nicht eingehalten werden kann

Das Stadtparlament will den Verkehr bereits am Karfreitag 2019 aus der Bahnhofstrasse verbannen, zumindest die erste Etappe, die ursprünglich den Abschnitt zwischen dem Luzerner Theater und der Seidenhofstrasse umfasst. Wann die Bahnhofstrasse tatsächlich autofrei wird, ist aber noch offen. «Es wird sicher nicht bereits an Ostern der Fall sein», sagt Stadtrat Adrian Borgula (Grüne). «Eine solche Änderung kann man nicht von einem Tag auf den anderen umsetzen.»

Auf ein Datum, bis wann eine autofreie Bahnhofstrasse realistisch wäre, mag Adrian Borgula sich nicht festlegen. Auch auf die Frage, ob nur ein erster Abschnitt oder gleich die ganze Strasse für den Verkehr gesperrt wird, könne er zurzeit noch keine Antwort geben. Man werde im Januar eine Auslegeordnung vornehmen und prüfen, welche Möglichkeiten bestehen.

«Nun müssen wir alles schneller machen und mit weniger Geld – doch wir machen das Beste daraus.»

Adrian Borgula, Stadtrat

Zu den grössten Hürden zählt das Verkehrsregime. Laut Adrian Borgula hat sich die Stadt in einem partizipativen Prozess mit rund 60 Beteiligten, unter anderem aus dem Quartier und dem Gewerbe, auf eine Lösung geeinigt. Und die sieht so aus: Wer aus dem LUKB-Parkhaus kommt und über die Seebrücke will, soll neu am Stadthaus vorbei und beim Astoria links abbiegen können. Doch das bedingt eine neue Gestaltung der Kreuzung  Winkelried-/Pilatusstrasse.

«Wir müssen und wollen dieses Versprechen halten, ansonsten gefährden wir den erarbeiteten Konsens», sagt Borgula. Zudem gebe es auch verkehrlich keine sinnvolle Alternative. Der Stadtrat rechnet laut seinem Bericht damit, dass die Umgestaltung der Kreuzung nicht vor Ende 2019 realistisch ist.

Die Autos aus dem LUKB-Parkhaus müssen dereinst neu über die Pilatusstrasse (rot) statt wie bisher über die Bahnhofstrasse (gelb). Der blaue Pfeil zeigt die Kreuzung, die neu gestaltet werden muss.

Die Autos aus dem LUKB-Parkhaus müssen dereinst neu über die Pilatusstrasse (rot) statt wie bisher über die Bahnhofstrasse (gelb). Der blaue Pfeil zeigt die Kreuzung, die neu gestaltet werden muss.

Da die Stadt bekanntlich bis Ende März 2019 kein gültiges Budget hat, muss die Umgestaltung ohnehin warten. Das heisst aber nicht, dass die Verwaltung lahmgelegt sei, sagt Borgula. Man werde weiterarbeiten, wo es möglich sei.

Kein Geld für Sitzmöbel

Die zweite Hürde ist die Frage, was danach passiert. «Nur Fahrverbotsschilder aufstellen und den Platz sich selber überlassen, macht kaum Sinn. Und die Idee, dass die Bevölkerung den Raum bespielt, ist noch etwas theoretisch», sagt Borgula. Der Stadtrat wollte ein Konzept erarbeiten, doch das Parlament strich ihm einen grossen Teil des Geldes zusammen. Die ursprüngliche Idee von mobilen Sitzgelegenheiten zum Beispiel liegt deshalb nicht mehr im Budget. «Nun müssen wir alles schneller machen und mit weniger Geld», sagt Borgula. «Doch wir machen das Beste daraus.»

Denn das Wesentliche ist in seinen Augen ohnehin, dass das Parlament den Weg freigemacht hat für die nächsten Schritte. «Die gute Nachricht ist, dass wir die weitere Planung der Neugestaltung und der Velostation nun angehen können.»

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