Innovativer Landwirt

Ali Niederberger führt ersten Rebberg von Emmen

Landwirt Alois «Ali» Niederberger inmitten seiner Reben im Emmen. (Bild: jci)

Alois «Ali» Niederberger ist auf dem Schlossgut Holzhof unter die Weinproduzenten gegangen. Der Landwirt aus Emmen, der es zuletzt mit seiner «geruchslosen Gülle» in die Medien schaffte, ist ein passionierter Sänger, Musikant und Eventmanager. Er tanzt also sprichwörtlich auf vielen Hochzeiten. Ein Porträt.

Zehn Jahre lang arbeitete Alois Niederberger, von Freunden und Bekannten Ali genannt, nebst der Landwirtschaft im Weinhandel bei der Salgescher Weinkellerei. Vor vier Jahren startete er sein jüngstes Projekt und geht damit seinem Wunsch vom eigenen Wein nach – auf dem ersten Rebberg von Emmen.

Gemeinsam mit seinen Musikkumpanen und einem Nachbarn beschloss er, in die Weinproduktion einzusteigen. «Als Hobby, aber auf dem absolut bestmöglichen Niveau», so Niederberger.

Hagel im Emmen durchkreuzte dieses Jahr die Pläne

Akribisch genau ausgemessen sind die Abstände der 1300 Rebstöcke und die Stahldrähte mit Aluummantelung sorgen für ein rostfreies Landschaftsbild. Aber auch sonst ist Ali Niederberger ein Perfektionist. Seinem Credo «Wenn, dann aber richtig» treu bleibend holte er sich Unterstützung vom Profi. Nicole Theiler, Winzerin und Sommelière, coacht, berät und unterstützt die Neoweinbauern bei ihrem Vorhaben.

Durch die veränderte Wetterlage liegt der Holzhof seit einigen Jahren nicht mehr im Nebel, wodurch das Projekt überhaupt erst umsetzbar wurde. Für den erfolgreichen Anbau von Weintrauben sind Sonneneinstrahlungen essenziell.

Bis zu den ersten paar Hundert Flaschen müssen sich die Hobbywinzer allerdings noch etwas gedulden. Im laufenden Jahr wäre die erste Weinlese angedacht gewesen. Hagel, Dauerregen und Mehltaubefall durchkreuzten diese Pläne jedoch. Langweilig wird es dem passionierten Landwirt auf seinem Betrieb trotzdem nicht.

Das Schlossgut Holzhof steht unter Denkmalschutz

Herrschaftlich und stolz steht das Schlossgut Holzhof im nordwestlichen Zipfel der Gemeinde Emmen. Der seit 1961 unter Denkmalschutz stehende landwirtschaftliche Betrieb wird seit über 100 Jahren von der Familie Niederberger bewirtschaftet. Der Holzhof ist kein klassischer Bauernhofbetrieb. Das Gut inmitten einer malerischen Landschaft dient auch als Schauplatz für Feierlichkeiten. Schon etliche Hochzeitsgesellschaften, Firmenbelegschaften und Geburtstagsgäste genossen die traumhafte Kulisse des Schlossgartens.

Südwesthang des Schlosses Holzhof mit dem neu angelegten Rebberg. (Bild: jci)

Umso verwunderlicher ist der Standort der in kurzer Entfernung neu gebauten Schweinescheune von Ali Niederberger. Denn die Hitliste der störenden Stallgerüche wird vom Schweinestall angeführt. Fast 400 Tiere hausen im Neubau von Niederberger. Einen störenden Geruch versucht man jedoch vergebens zu erschnüffeln. «Das würde sich gar nicht gut machen», meint Ali Niederberger lachend und präzisiert: «Stellen Sie sich die Hochzeitsgäste vor beim Apéro, begleitet vom typischen Ammoniakgeruch der Gülle.»

Hightechstall gegen den Geruch

Die Tierbehausung ist alles andere als konventionell. Man würde diese wohl eher als Hightechstall bezeichnen. Der Vorraum gleicht einer Schaltzentrale. Hier werden die automatisierten Vorgänge gesteuert und überprüft und diverse Messwerte aufgezeichnet. Vollautomatisiert und mit einem in der Schweiz einzigartigen System zur Reduktion von Ammoniakemissionen ist auch die Güllenlagerung: Im 460 Kubikmeter grossen Güllenraum wird die Gülle mit Schwefelsäure angesäuert. pH-Sonden ermitteln dazu den genauen Wert und die Dosierungsanlage mischt automatisch die benötigte Menge Schwefelsäure bei. Der auf 5,5 reduzierte pH-Wert der Gülle wandelt Ammoniak in gebundenes Ammonium um, das nicht ausgast.

Einzigartig sei der Prozess vor allem wegen seines umfänglichen Wirkungsfelds. Für die Reduktion der Geruchsemissionen könne die Gülle grundsätzlich jeweils vor der Austragung angereichert werden. In Ali Niederbergers Stall wird dem Dung bereits im Stall Schwefelsäure beigemischt. Die Ausscheidungen fallen dazu direkt in das saure Gemisch. «Dadurch entweicht nur noch wenig Ammoniak über die Lüftung aus dem Stall. So haben wir über alle Stufen gesehen im Stall, in der Lagerung und in der Ausbringung kaum flüchtiges Ammoniak», erklärt Ali Niederberger. Auch der Kuhstall bzw. die Güllensammlung der Kühe wurde in den Prozess integriert.

Projekt wird wissenschaftlich begleitet

Erst die strengen Vorgaben des Kantons haben der Idee den nötigen Anstoss gegeben. Für einen profitablen Hof wollte Niederberger seine Schweinehaltung vergrössern. Als Auflage bei landwirtschaftlichen Bauvorhaben gilt jedoch, 20 Prozent tiefere Emissionen sicherzustellen. Ansonsten ist Ärger mit Nachbarn programmiert (zentralplus berichtete).

Die Firma Arnold & Partner AG empfahl Ali Niederberger das neuartige Verfahren. Gemeinsam mit dem Stallbaueinrichter entwickelten sie die Idee der Güllenansäuerungsanlage auf dem Holzhof.

Alois Niederberger beim zehn Tonnen fassenden Tank, gefüllt mit Schwefelsäure. Daneben die vollautomatische Dosierungsanlage. (Bild: jci)

Entweicht weniger Methan und Ammoniak kommt dies auch der Natur zugute. Damit verbunden sei aber auch eine erhöhte Schwefelmenge, die mit der Ausbringung von Gülle aufs Feld getragen wird. Welche Auswirkungen dies auf die Bodenchemie, die Bodenorganismen oder die botanische Zusammensetzung von Naturwiesen hat, ist für die Wissenschaft von grossem Interesse. Darum wird die in der Schweiz erstmalig eingesetzte Güllenansäuerungsanlage von der Beratungsstelle Agridea und der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften begleitet.

Sanierung des Herrenhauses steht an

Mehr als drei Jahre dauerte es, bis Ali Niederberger seinen Stall bauen konnte. Studien und Gutachten gingen dem Bau voran. Im Nachhinein habe sich das Ganze aber gelohnt. «Das Tierwohl und auch die Natur haben oberste Priorität», führt Niederberger aus.

Das Projekt interessiere zudem auf internationaler Ebene. Besucher aus dem nahen Ausland und auch viele Schweizer suchen den Holzhof in Emmen auf, um die Anlage zu begutachten. In Zukunft soll es dort noch mehr zu bewundern geben. Mit der Sanierung des Herrenhauses steht bereits das nächste Projekt des umtriebigen Emmer Landwirts in den Startlöchern.

Dieser Beitrag ist erstmals in der Gemeindezeitschrift «Emmenmail» erschienen und kann auch hier gelesen werden.

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