Präsident des Wirtschaftsverbandes Luzern tritt zurück

Alexander Gonzalez: «Ich hatte nicht vor, zehn Jahre über den Verkehr zu diskutieren»

Tritt nach zehn Jahren als Präsident des Wirtschatsverbandes Stadt Luzern zurück: Der Unternehmer Alexander Gonzalez. (Bild: bic)

Wie gut ist die Stadt künftig erreichbar? Diese Frage beschäftigte Alexander Gonzalez, Präsident des Wirtschaftsverbands Luzern in den letzten zehn Jahren mehr als alles andere. Denn attraktiver Lebensraum nütze nichts, wenn es vor Ort nicht auch genug Arbeitsplätze gäbe. Anlässlich seines Rücktritts richtet er einen Appell an Politik und Bevölkerung.

Alexander Gonzalez tritt nach zehn Jahren als Präsident des Wirtschaftsverbands Stadt Luzern zurück. Der 56-Jährige war während dieser Zeit an der vordersten politischen Front anzutreffen und fiel als scharfer Kritiker der mittlerweile links-grün geprägten Verkehrspolitik auf.

Anlässlich seines Rücktritts blickt zentralplus mit Gonzalez auf diese turbulente Zeit zurück. Er sagt, wo aus Sicht der Wirtschaft in der Stadt Luzern der Schuh drückt und worauf man bei der Standortentwicklung unbedingt ein Auge haben sollte.

zentralplus: Herr Gonzalez, Sie geben Ihr Amt in einer sehr speziellen Zeit ab. Wie geht es der Luzerner Wirtschaft in der Coronakrise?

Alexander Gonzalez: Es hängt extrem davon ab, inwiefern die Branchen vom Lockdown betroffen sind. Wenig betroffen sind die Industrie, die Baubranche und das Baunebengewerbe sowie der Bereich Fertigung. Für die direkt betroffenen Branchen wie den Detailhandel, die Hotellerie oder die Gastronomie ist die Lage aber natürlich sehr schwierig. Das ist insofern relevant, als gerade in diesen personalintensiven Bereichen viele Arbeitsplätze betroffen sind. Wir können daher nur hoffen, dass es mit den staatlichen Hilfen nun rasch und wie vorgesehen klappt.

zentralplus: Lassen Sie uns nun über Grundsätzliches reden. Wie haben sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Raum Luzern in den letzten Jahren verändert?

Gonzalez: Ich habe das Gefühl, dass die Situation vor allem in der Stadt in den letzten zehn Jahren schwieriger wurde. Das Thema Erreichbarkeit und Mobilität steht dabei ganz zuoberst. Die Zeichen, die von der Politik in diesem Bereich gesetzt werden, verunsichern das Gewerbe.

«Wir wurden durch die Wahlen vor fünf Jahren von der Gestalter- in die Oppositionsrolle gedrängt. Damit tun wir uns immer noch schwer.»

zentralplus: Ist die Erreichbarkeit für Luzern also der wichtigste Standortfaktor?

Gonzalez: Natürlich gibt es noch andere Faktoren wie die Verfügbarkeit von Arbeitskräften oder die Steuerbelastung. Wobei wir bei diesen Punkten im Vergleich mit anderen Regionen relativ gut unterwegs sind. Auch die immer wieder genannte Problematik von zu wenig grösseren, zusammenhängenden Büroflächen hat sich in der Stadt und der Agglomeration etwas entschärft.

zentralplus: Sie haben die Signale angesprochen, die von der Politik kommen. In Luzern werden die politischen Mehrheiten in den kommenden Jahren wohl nicht so sein, wie sich das grosse Teile der Wirtschaft im Kern wünschen. Inwiefern sind Sie bereit, sich an die sich verändernden Voraussetzungen anzupassen?

Gonzalez: Wir wurden durch die Wahlen vor fünf Jahren von der Gestalter- in die Oppositionsrolle gedrängt. Damit tun wir uns immer noch schwer. Und ich muss zugeben, dass wir aktuell oft mit Opposition statt mit konstruktiver Politik beschäftigt sind. Letzteres trifft meines Erachtens aber auch auf die Linke zu.

zentralplus: Aber Sie können nicht in dieser Oppositionsrolle verharren. Es ist nun mal so, dass Forderungen nach mehr Grün- und Freiräumen sowie nach weniger Autos in der Innenstadt lauter werden.

Gonzalez: Natürlich sind wir als Wirtschaft zusammen mit den Bürgerlichen bemüht, wieder Mehrheiten zu finden, die in unserem Sinne entscheiden. Gleichzeitig muss ich aber auch festhalten, dass wir uns nicht an jeden einzelnen Parkplatz klammern und grundsätzlich ebenfalls für eine Aufwertung des öffentlichen Raumes, beispielsweise durch breitere Trottoirs, zu haben sind.

zentralplus: Dann scheint ja eigentlich alles in Ordnung zu sein.

Gonzalez: Jein. Es geht uns darum, dass nicht einfach Tatsachen geschaffen werden, denen wir dann wohl oder übel bei für uns entscheidenden Punkten etwas entgegnen müssen. Das meine ich in unserem Fall mit Opposition. Wenn ich an diesem Punkt aber eine Selbstkritik äussern müsste, dann wäre das, dass wir manchmal schlicht zu langsam sind in unseren Entscheidungen.

zentralplus: Wenn ich das richtig verstehe, fühlten Sie sich als Wirtschaft von den Entscheidungsträgern in der Politik in den letzten Jahren also zu wenig miteinbezogen.

Gonzalez: Zumindest der vordergründige Wille, alle Betroffenen einzubeziehen, wurde seitens der Behörden in den letzten Jahren sicher stärker. So sassen wir bei den Diskussionen über die sogenannte Y-Variante am Pilatusplatz von Anfang an mit am Tisch. Das war ein erstklassiger Prozess, den die Stadt vorbildlich aufgezogen hatte.

«Ich hoffe, dass der Durchgangsbahnhof am Schluss nicht zu einer politischen Totgeburt wird.»

zentralplus: Sie scheinen aber nur bedingt zufrieden zu sein.

Gonzalez: In der Tat. Am Schluss verkam das Ganze dann doch mehr zu einem Anhören. Richtig einbringen konnten wir uns am Ende des Tages leider nicht mehr. Aus diesem Grund wurde schliesslich die IG Pilatusplatz gegründet, die dem Projekt in der jetzigen Form sehr kritisch gegenübersteht.

zentralplus: Um die Erreichbarkeit zu verbessern, wird mit dem Durchgangsbahnhof (DBL) derzeit ein Megaprojekt aufgegleist. Könnte dieser das Problem lösen?

Gonzalez: Das wird sich weisen. Wir sprechen hier von einem ziemlich grossen Zeithorizont. Ich habe aber das Gefühl, dass sich in dieser Sache etwas bewegt. Wenn wir die regionale Verkehrspolitik anschauen, ist der DBL natürlich ein Highlight, da wirklich alle am gleichen Strick ziehen. Im Gegensatz zur Inseli-Abstimmung oder zur Y-Variante am Pilatusplatz, wo einfach Fakten ohne konkreten Plan geschaffen wurden. Beim DBL stehen wir aber erst ganz am Anfang und ich hoffe, dass er am Schluss nicht zu einer politischen Totgeburt wird.

zentralplus: Was könnten mögliche Fallstricke sein?

Gonzalez: Die grössten Hürden sind immer die politischen. Solche Projekte scheitern selten an den technischen Gegebenheiten. So gibt es zum Beispiel Leute, die finden, dass der DBL nicht am richtigen Ort gebaut wird. Auch andere Projekte wie das Musegg-Parking oder die Metro sind ja letztlich an der Politik gescheitert – auch aus ideologischen Gründen. Einmal ist ein Projekt zu teuer, das andere Mal zu unökologisch.

zentralplus: Was muss aus Ihrer Sicht also passieren, damit es klappt?

Gonzalez: Ich vermisse in Luzern einfach den Mut und die Visionen, um solche Vorhaben zumindest zu prüfen und in der Öffentlichkeit breit und sachlich zu diskutieren. Oder anders gesagt: Es fehlt derzeit einfach der nötige Konsens in der Politik.

Hinzu kommt, dass unsere Region in Bern nicht so eine gute Lobby hat, wenn es um die Verteilung von Bundesmilliarden geht, ohne die wir ein Projekt wie den DBL nicht finanzieren können. Wie man immer wieder hört, hat das auch damit zu tun, dass wir nicht so entscheidungsfreudig seien wie andere, die sich im entscheidenden Moment zusammenraufen.

zentralplus: Ich sitze mit einem Vertreter der Wirtschaft am Tisch und rede fast nur über Verkehr und Mobilität. Ist das nicht irgendwie speziell?

Gonzalez: Doch. Es ist aber – wie zu Beginn erwähnt – tatsächlich das Thema, das uns derzeit am meisten beschäftigt. Klar haben wir zum Beispiel auch noch das Thema Tourismus, Infrastruktur, Steuern oder ein ausgeglichener Finanzhaushalt. Aber glauben Sie mir: Als ich mein Amt angetreten habe, hatte ich eigentlich nicht vor, zehn Jahre lang hauptsächlich über den Verkehr zu reden.

Aber die Fragen rund um die Mobilität drücken bei uns am meisten, da die Platzverhältnisse einfach sehr beschränkt sind. Wir aber müssen aber trotzdem Lösungen finden, damit die Leute auch in zehn Jahren noch in die Stadt kommen. Denn es gibt solche, die schon heute sagen, dass sie das nicht mehr tun.

«Auch mir scheint es wichtig, dass wir anfangen, den Tourismus zu steuern.»

zentralplus: Und was können wir sonst tun, um den Wirtschaftstandort zu stärken, sollten wir innert nützlicher Frist beim Verkehr keine Lösungen finden?

Gonzalez: Wir sollten versuchen, mehr Arbeitsplätze und Raum für Firmen zu schaffen. Ein anderer Fokus kann man auch auf eine verlässliche Steuerentwicklung legen. Ebenfalls gilt es zu vermeiden, dass Unternehmen die Region verlassen. Ein Problem sind hier unter anderem die langen Prozesse bei der Verarbeitung von Baugesuchen.

zentralplus: Das sind Aufgaben der Politik. Was muss im Bereich Wirtschaftsförderung getan werden?

Gonzalez: Eine Schwierigkeit ist, dass wir nicht wie Basel, Zürich oder Genf einen Pharma-, Finanz- oder Rohstoffplatz bieten können. Auch haben wir vergleichsweise wenig Industrie, die genügend Arbeitsplätze für die Bevölkerung bieten können. Darum müssen wir im Kampf um die guten Arbeitskräfte insbesondere auf die Lebensqualität setzen, um die uns viele andere Regionen beneiden. Und auch der für Luzern immens wichtige Tourismus muss genügend Luft zum Atmen haben. Denn ohne ihn wird es für uns aus genannten Gründen schwierig. Aber auch mir scheint es wichtig, dass wir anfangen, den Tourismus zu steuern.

«Wenn ich nicht hier arbeiten kann, nützen mir mehr Grünflächen nicht mehr viel.»

zentralplus: Aber drücken nicht gerade die ungelösten Verkehrsprobleme und die regelmässige Überlastung des Zentrums auf die Lebensqualität?

Gonzalez: Die Lebensqualität leidet auch, wenn die Leute zwar hier wohnen, aber nicht mehr hier arbeiten können. Es ist ja bekannt, dass sich das Pendeln negativ auf das Wohlbefinden der Menschen auswirken kann. Wenn ich nicht hier arbeiten kann oder mein Arbeitsplatz verloren geht, nützen mir meine schöne Wohnung und mehr Grünflächen nicht mehr viel. Ich habe das Gefühl, dass vielen dieser Punkt leider zu wenig bewusst ist.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Libero
    Libero, 21.02.2021, 15:16 Uhr

    – augenfällige WIDERSPRÜCHE
    bei den Themen LEBENSQUALITÄT und VERKEHR (Parkhaus Musegg; Spange Nord usw.)
    – grandios gescheiterte STEUER-STRATEGIE im Kanton Luzern
    – enttäuschend und konzeptlos
    bei Corona-LINDERUNG gegen statt für die GESCHÄFTSMIETER
    – die Fehler bei den anderen suchen; SCHULD ist die POLITIK
    Was will der Wirtschafsverband der Stadt Luzern eigentlich?
    JA, und Luft zum Atmen brauchen vorab die Menschen, die hier leben!

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    • Profilfoto von Arnold Stettler
      Arnold Stettler, 22.02.2021, 15:52 Uhr

      Lieber Herr Kaufmann
      Luft allein genügt zum Leben nicht. Im Übrigen ist die Luftqualität in Luzern im Vergleich zu anderen Städten sehr gut. Aber eine Stadt ist halt immer noch eine Stadt – und kein Höhenkurort. Und in einer Stadt wird es immer Verkehr, Lärm- und Luftemissionen geben, eine Stadt ist eben auch ein grosser Markt- und Arbeitsplatz, zu diesem Zweck gibt es die Städte ja auch seit Menschengedenken.
      Wer es beschaulicher haben will, findet auf dem Land und den Bergen mehr Ruhe.

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