Bekommt man in Zug ungefragt Generika angeboten?

Alarm in den Apotheken: zentralplus als Tester unterwegs

Drei Medikamente gegen Heuschnupfen: Nur eines, Ceteco, ist ein Generikum.

Heuschnupfen ist gerade wieder akut. Da schnieft’s und trieft’s bei manchem Zeitgenossen. Die Augen quellen auf und schmerzen. Höchste Zeit für ein Antiallergikum aus der Apotheke. Dort wird man zwar gut beraten – doch auf billigere Generika wird nicht überall hingewiesen, wie zentralplus in fünf Apotheken im Kanton Zug bei einem Test herausfand. Und nicht nur das.

«Grüezi, ich hätte gerne etwas gegen Heuschnupfen für meine Frau. Können Sie mir ein Medikament empfehlen?» Die junge Apothekenangestellte in der Baarer Gotthard-Apotheke ist sofort parat. «Hat sie Schnupfen, rote Augen? Soll es nur ein Spray sein oder auch Tabletten? Nimmt Ihre Frau sonst noch Medikamente?»

Einfühlsam checkt sie die Liste an Indikationen ab und deutet gleichzeitig auf sämtliche infrage kommende Arzneischachteln im Regal.

«Es wird heutzutage vermehrt nach Generika gefragt, aber eigentlich sind es nicht so viele Kunden.»

Zuger Apothekerin

Dann legt sie eine Auswahl auf den Verkaufstisch – darunter sind sowohl Generika als auch Originalmedikamente. «Das Telfastin kostet 13 Franken, das Ceteco 9.10 Franken, das Fexo Pollen 11 Franken.» Der «Klassiker» Zyrtec für 14 Franken kommt erst gar nicht auf den Tresen. Wobei Ceteco und Fexo Pollen Generika sind, also günstigere Medikamente (siehe auch Box).

«Es wird heutzutage vermehrt nach Generika gefragt, aber eigentlich sind es nicht so viele Kunden», meint sie und lächelt sympathisch. Man hat das Gefühl, gut bedient und beraten worden zu sein.

Ganzes Sammelsurium an Medikamenten

Weiter geht’s. In die Zug Apotheke im Zuger Bahnhof – es ist die grösste Apotheke im Kanton. Dort bekommt man gleich ein ganzes Sammelsurium an Medikamenten vorgesetzt. Eine grosse Flasche Otrivin-Nasenspray, wieder das Telfastin und dann noch einen anderen Nasenspray.

Auf die Frage, ob es denn nicht auch Generika gebe, nimmt die Apothekenangestellte etwas nervös das Telfastin in die Hand und liest es im Kassencomputer ein. «Das ist ein Generikum», sagt sie. Bevor sie Sekunden später ihre Aussage widerruft. Dann deutet sie auf ein Regal, das einige Meter entfernt liegt und auf dem Generika-Packungen vor sich hin schlummern.

Als zentralplus transparent macht, dass es sich um einen Stichprobentest in Sachen Generika-Verkauf in Apotheken handelt, macht sich Nervosität breit. Eine andere Kollegin kommt hinzu und meint, man müsse die Chefin von diesem Test kurz in Kenntnis setzen.

«Also, wenn Sie jetzt schreiben, dass wir keine Generika verkaufen, wäre das kontraproduktiv.»

Zuger Apothekerin

Kurz darauf erscheint tatsächlich besagte Chefin, die gar nicht «amused» ist. Sie nimmt ihre Angestellte in Schutz und sagt: «Das hätte mir auch passieren können.» Dann versucht sie, zentralplus entsprechend zu instruieren. «Also, wenn Sie jetzt schreiben, dass wir keine Generika verkaufen, wäre das kontraproduktiv und würde auch nicht stimmen. Wir weisen unsere Kunden immer wieder auf Generika hin.» Nur in diesem Fall eben halt nicht.

«Das Telfastin macht eben nicht so müde»

Warum Generika?

Als Generikum (Plural Generika), häufig auch Nachahmerpräparat genannt, bezeichnet man ein Arzneimittel, das eine wirkstoffgleiche Kopie eines bereits unter einem Markennamen auf dem Markt befindlichen Medikaments ist, das aber nicht so viel kostet. Noch immer werden zu wenige Generika in der Schweiz verkauft, ihr Marktanteil liegt gegenwärtig bei rund 14 Prozent, mengenmässig bei 27 Prozent. Durch den konsequenten Einsatz von Generika könnten jährlich ohne Weiteres gegen 200 Millionen Franken eingespart werden.  

Schnell weiter. In die Rotpunkt-Apotheke im Zuger Hertizentrum. Dort ist an diesem warmen Nachmittag gerade nicht viel los. Die freundliche Apothekenangestellte nimmt sich des Kundenwunsches sofort gerne an. «Heuschnupfen? Da kann ich Ihnen Telfastin empfehlen, das ist ganz neu und macht vor allem nicht so müde wie die anderen Antiallergika.»

Auf die Frage, ob es nicht auch Generika gebe, sagt die junge Frau überzeugt, die gebe es schon, und zeigt bereitwillig aufs Regal. «Doch das Telfastin ist eben ganz neu und es macht, wie gesagt, einfach nicht so müde wie die anderen Medikamente», wiederholt sie schon fast gebetsmühlenartig.

War da ein rühriger Pharmavertreter am Werk?

Apropos. Auch in der Chamer Anklin-Apotheke kommt einzig das teuere Telfastin auf den Tisch. Fast-inierend, pardon, faszinierend. Und immer wieder lautet wie aus der Pistole geschossen das gleiche Verkaufsargument: «Das macht einfach nicht so müde.» Hat da etwa ein rühriger Pharmavertreter volle Arbeit in Sachen Produktmarketing geleistet?

In der Anklin-Apotheke weist die Angestellte sogar noch daraufhin, dass man auch das Generikum zu Telfastin habe – mit dem Wirkstoff Fexofenadium. «Doch zu diesem Medikament habe ich noch zu wenig Vertrauen und zu wenige Erfahrungswerte», erklärt sie. zentralplus zeigt sie es jedenfalls nicht.

«Wer ein Voltaren kaufen will, will eben nur diese Marke und kein Generikum.»

Zuger Apothekenangestellte

Zusammenfassend kann man sagen: Bei dem Test von zentralplus erhielt der Kunde nur einmal konkret ein Generikum vorgelegt. In den vier anderen Fällen landete Telfastin auf dem Tisch, ein neues Original-Marken-Medikament. Hervorzuheben ist auch: Vom eigentlichen und teuersten Heuschnupfen-Allergikum-Klassiker Zyrtec war so gut wie nie die Rede.

Übrigens: Alle durchwegs sehr freundlichen Apothekenangestellten versicherten, dass die Nachfrage von Kunden nach Generika bei rezeptfreien Medikamenten nicht so dramatisch sei. Grund: Die Preisspannen seien hier eben nicht so gross wie bei den rezeptpflichtigen Arzneien. Und die Werbung sei halt omnipräsent. «Wer ein Voltaren kaufen will, will eben nur diese Marke und kein Generikum», erklärt eine Apothekerin.

«Ich möchte meinen Arbeitsplatz nicht verlieren.»

Zuger Apothekenangestellte

Ja, und da war dann noch jene Apotheke in einer anderen Zuger Gemeinde. Auch hier zückt die Apothekenangestellte reflexartig nur das Telfastin. Am Tag danach ruft sie sorgenerfüllt bei zentralplus an: «Entschuldigung, könnten Sie bitte den Namen unserer Apotheke nicht erwähnen. Meine Chefin hat gar keine Freude gehabt, als ich ihr vom dem Test erzählt habe. Sie rügte mich und meinte, ich hätte den Test einfach verweigern sollen. Ich möchte meinen Arbeitsplatz nicht verlieren.» 

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