Luzerner zockte mit Abofallen Viertelmillion ab

Ahnungslose Internet-Nutzer über den Tisch gezogen

Der Beschuldigte sei «jung und naiv» gewesen. Von den illegalen Machenschaften habe er nichts gewusst – was Beweise jedoch widerlegen.

(Bild: Symbolbild: Fotolia)

Immer wieder warnen Konsumentenschutz und Polizei vor Internet-Seiten, auf denen versehentlich ein kostenpflichtiges Abonnement abgeschlossen wird. Vor dem Kantonsgericht stand heute ein Luzerner, der mit solchen Abofallen ahnungslose Nutzer reinlegte. Zusammen mit Mittätern zockte er über ein Fahrschulquiz ab, wusch aber auch Geld aus Swinger- und Erotik-Plattformen.

Alles beginnt mit einem verhängnisvollen Klick im Internet. Eine E-Mail weist auf ein vermeintliches Fahrschulquiz hin. Der Nutzer klickt darauf, startet den Test. Doch wenig später folgt das böse Erwachen: Eine Rechnung flattert ins Haus. Wer nun bis zum Ende der Internetseite scrollt, liest, dass mit einem Mausklick die Bestätigung eines Vertrages erfolgt. Schwarz auf weiss, kleingedruckt geschrieben. Konsumentenschützer warnen seit Jahren vor solchen Machenschaften.

Zumeist sitzen die Gauner im Ausland und können kaum belangt werden. Für einmal soll nun ein Täter in Luzern belangt werden. Das Kriminalgericht verurteilte den 36-Jährigen kürzlich zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Davon sollen 15 Monate unbedingt vollzogen werden. Da er das Urteil anfechtete, stand er nun am Montag vor dem Luzerner Kantonsgericht.

Der Verurteilte P. hatte an der Baselstrasse sein Domizil als Unternehmens- und Wirtschaftsberater. Zusammen mit zwei weiteren Tätern war er in die Geldwäschereien eines deutschen Internet-Schwindlers involviert. Der Deliktsbetrag beläuft sich auf rund 270’000 Franken.

Deutsche Betrugs-Seiten

Der Verurteilte P. aus Luzern und sein Geschäftspartner R. wurden im Sommer 2007 von einem deutschen Staatsangehörigen kontaktiert, der zahlreiche betrügerische Internetprojekte in Deutschland führte. Mit Lock-E-Mails brachte dieser seine Opfer durch sogenannte Sprungbrettseiten auf seine Internetseite. Jeder Link erhielt am Ende eine Personalisierungsnummer, mit der man den Adressaten ausfindig machen konnte.

Ein perfider Trick – der mit einem einzigen Klick funktionierte. Auf der jeweiligen Internetseite – beispielsweise die Domäne fabrik-einkauf.com, swinger-check.com oder erotik-karriere.com – befanden sich Buttons, durch die das Opfer auf eine neue Seite gelangte. Doch dies war ein Fehlschluss, denn es handelte sich nicht um eine blosse Weiterleitung, sondern um eine Anmeldung. Mit einem Klick, der viel Geld kostet.

Nur im unteren Bereich der Internetseite, der natürlich ohne runterzuscrollen nicht sichtbar war, lauerte der Hinweis, dass man durch den Zugriff eine Anmeldegebühr von 86 Euro zahlen muss. Der Button erweckte jedoch lediglich den Anschein, dass es sich um eine blosse Weiterleitung und keine Anmeldung handelt.

«Jung und naiv»

In der Gerichtsverhandlung zeigt sich der Verurteilte teilweise geständig. An Details könne er sich nicht mehr erinnern, da die Geschehnisse zehn Jahre zurückliegen. «Ich war jung, naiv und hatte nur wenig Ahnung vom Geschäft», sagte der 36-Jährige, der heutzutage in Dubai als Unternehmensberater tätig ist. Der frühere Barkeeper hätte nicht gewusst, dass die Internet-Projekte betrügerisch waren. Er hätte sich vollumfänglich auf die Kompetenzen seines Geschäftspartners R. verlassen. Wie die Seiten funktionierten, hätte er nie gewusst. Jedoch dachte er, dass es «moralisch nicht vertretbar» sei.

Der Meinung des Verurteilten zufolge sei es kein Betrug gewesen, sondern lediglich eine «Gratwanderung». Wie die Staatsanwaltschaft jedoch zeigte, musste sich der Verurteilte den illegalen Machenschaften und der Strafbarkeit seines Handelns bewusst gewesen sein. Aus Skype-Unterhaltungen aus dem Jahr 2008 geht hervor, dass er seinen Geschäftskumpanen geschrieben hat, dass sie «sowieso Probleme kriegen werden» und sie mindestens mit einer Bewährungsstrafe rechnen müssen.

Bargeld in die Schweiz geholt

Der Kontakt zum Deutschen kam zustande, weil dieser von P. und R. eine Aktiengesellschaft kaufen wollte. Auf deren Bankkonten bei der Zürcher Kantonalbank sollten die Einnahmen aus den Internet-Betrugs-Objekten in der Schweiz sicher parkiert werden. Zumeist war es ein Handlanger von P. und R., der von Luzern nach Deutschland fuhr, um das Bargeld über die Grenze zu holen.

Rund 81’000 Franken hat dieser so in die Schweiz geschmuggelt. Das Geld übergab er jeweils an seine Luzerner Auftraggeber. Da die Geldwäscherei mit einem gewissen Risiko verbunden war, erhielten die Mittäter eine Entschädigung von zwölf Prozent, sogenannte «Barabhebungsspesen».

Die Angst verflog schnell …

Die Deutschen kamen dem Betrüger, der die Internetseiten betrieb, jedoch auf die Schliche. Gar im TV wurde über die Betrüger-Seite fabrik-einkauf.com berichtet. Ein Strafverfahren wurde gegen ihn eingeleitet – was diesen jedoch nicht davon abhielt, seine Internetgeschäfte weiterzuführen.

Seine Luzerner Kumpanen P. und R. gerieten darauf in Panik und distanzierten sich von der Aktiengesellschaft, die die Geldwäscherei betrieben hat. P. erklärte in einem Schreiben seinen Rücktritt als Verwaltungsrat. Dieser geschah jedoch nur vordergründig – denn er war weiterhin als Verwaltungsrat dieser AG tätig. Nun gingen sie etwas vorsichtiger vor und kommunizierten ausschliesslich über verschlüsselte E-Mails.

Die Panik war jedoch nur von kurzer Dauer, denn die Zusammenarbeit mit dem deutschen Betrüger wurde später ausgedehnt. Neu erhielten P. und  R. gar 35 Prozent Umsatz an den Internet-Projekten «Fahrschulquiz» und «Rotlichtverzeichnis». Alleine mit diesen beiden Seiten nahmen die Täter insgesamt 122’000 Franken ein. Geld, das von verängstigten Nutzern stammte, die in die Abofalle tappten.

Dieses Treiben blieb auch in der Schweiz nicht unbemerkt. 2008 berichtete der «Tagesanzeiger» über das Unternehmen. Der Geldkurier von P. und R. bekam Angst, hob Geld vom Konto ab und stieg aus dem Geschäft aus.

Opfer mit Waschmaschinen übers Ohr gehauen

Der Verurteile P. hatte jedoch noch lange nicht genug. Er schaltete ausserdem auf einem regionalen Kleinanzeigen-Portal Inserate, in denen er auf den Handel mit Waschmaschinen hinwies. Mit einem Opfer handelte er einen Verkaufsvertrag über 130 Waschmaschinen aus. Die Ware erhielt das Opfer jedoch nie – und diverse Versuche, den Verurteilten zu kontaktierten, scheiterten. Das Opfer erstattete daraufhin Anzeige wegen Verdachts auf Betrug.

Doch nicht nur Privatpersonen befanden sich unter den Opfern, sondern auch zahlreiche Unternehmen. Der Geschäftspartner des Verurteilten, R. – gegen den ebenfalls ein Strafverfahren eingeleitet wurde –  lernte vor seinem Zusammentreffen mit P. einen Treuhänder und Berater kennen, der ein intrigantes Firmengründungssystem betrieb. Von diesem hat er sich seine Machenschaften abgeschaut und angeeignet.

Die Verurteilten P. und R. beschlossen darauf im Sommer 2007, gemeinsam Dienstleistungen im Finanzbereich anzubieten. Sie erledigten die Formalitäten für eine Gesellschaftsgründung und investierten wertlose Aktien in das Mindestkapital. Jedoch verfolgten sie nie die Absicht, das Geld auch wirklich in die zu gründende Gesellschaft einzubringen und auch dort zu belassen. Die Aktiengesellschaften wurden daraufhin mit einem möglichst grossen Gewinn weiterverkauft. Im Schnitt verkauften sie die Aktiengesellschaften zu einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 7’000 Franken pro Aktienmantel.

31 Aktiengesellschaften gegründet

Der Verurteilte selbst arbeitete zunächst für R. als freier Mitarbeiter und war für das Akquirieren und das Betreuen von Kunden sowie für das Marketing verantwortlich. Für jeden vermittelten und verkauften Aktienmantel erhielt er 1’500 Franken. Aufgrund seiner Verkaufsdynamik stieg P. innert kürzester Zeit zu einem vollwertigen Geschäftspartner auf.

Bis Ende November 2007 war der Verurteilte in die Gründung und Handelsregisteranmeldung von 31 Aktiengesellschaften involviert. Da die gesetzlichen Bestimmungen per 1. Januar 2008 geändert wurden, gab das Trio ihr Firmengründungsgeschäft mit Sacheinlagen Ende 2007 auf. Der Staatsanwalt nannte den Verurteilten einen «Abzocker ohne Skrupel».

Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich ergehen.

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