Bundesgericht pfeift Kanton zurück

Luzerner Bevölkerung droht Steuererhöhung

Finanzdirektor Wyss freut sich über den Entscheid des Bundesgerichts. Bei einem zentralen Punkt der AFR18 wurde er nun aber zurückgepfiffen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Drei Gemeinden haben vor Bundesgericht gegen die Aufgaben- und Finanzreform des Kantons Luzern geklagt. Sie wehrten sich gegen die vom Kanton verordnete Senkung des Steuerfusses. Die Lausanner Richter geben den Kommunen in diesem Punkt nun recht.

Es war ein staatspolitisches Mammutprojekt. Die so genannte Aufgaben- und Finanzreform 18 (AFR18) des Kantons Luzern regelt die Finanzierung verschiedener staatlicher Leistungen zwischen Kanton und Gemeinden neu. Trotz heftigen Widerstands gegen die Reform seitens der Gemeinden Dierikon, Eich, Greppen, Luzern, Mauensee, Meggen, Neuenkirch, Rothenburg, Schenkon, Sursee, Vitznau und Weggis wurde die Vorlage im Mai 2019 an der Urne angenommen.

Einer der grössten Streitpunkte war der sogenannte Steuerfussabtausch zwischen Kanton und Gemeinden. Um seine klammen Kassen aufzufüllen, erhöht der Kanton den Steuerfuss um 0,1 Einheiten während die Kommunen die Steuer im gleichen Umfang senken müssen. Ziel: Für die Bevölkerung soll im Endeffekt keine Mehrbelastung entstehen.

Gemeinden dürfen Steuerfuss autonom festlegen

Gegen diesen Erlass sowie weitere Einzelheiten der Reform hatten die Stadt Luzern, Vitznau und Meggen vor Bundegericht geklagt. Dieses hat nun darüber entschieden: Die verschiedenen Bestandteile der Reform sind rechtskonform und bleiben in Kraft. Aufgehoben werden aber die Bestimmungen zur Festlegung des Steuerfusses in den Gemeinden. Die Gemeinden sind damit frei, ihren Steuerfuss für das Jahr 2020 selber festzusetzen.

In ihrer Beschwerde hatten die Stadt Luzern, Vitznau, Meggen sowie zwei Privatpersonen gerügt, der Steuerfussabtausch zwischen Kanton und Gemeinden verletzte die Gemeindeautonomie. Zudem seien die Grundlagen des Härtefallausgleichs falsch berechnet worden. Damit seien zentrale Bestandteile der Reform in Frage gestellt und die ganze Reform sei aufzuheben.

Reform ist im grossen und ganzen rechtskonform

Das Bundesgericht folgt diesem Wunsch nicht. Es lehnt die Beschwerde teilweise ab und hält fest: «Die gesamthafte Aufhebung des Mantelerlasses AFR18 kommt nicht in Frage.» Zwar verletzt die Reform die verfassungsmässig garantierte Finanzautonomie der Gemeinden, weshalb diese Bestimmungen aufgehoben werden.

Dadurch verlören aber die zahlreichen übrigen Gesetzesänderungen nicht ihren Sinn und Zweck, urteilt das Bundesgericht. Der Steuerfussabtausch lasse sich «problemlos von den übrigen Teilen trennen». Die AFR18 bleibt somit definitiv in Kraft.

Regierungsrat ist erleichtert, aber ...

Für die Luzerner Gemeinden bedeutet der Bundesgerichtsentscheid, dass sie und ihre Stimmberechtigten den Gemeindesteuerfuss 2020 abweichend von der kantonalen Vorgabe festsetzen können, falls sie dies wünschen. Damit droht der Bevölkerung in zahlreichen Luzerner Gemeinden eine höhere Steuerbelastung.

Der Regierungsrat nimmt den Entscheid mit Erleichterung zur Kenntnis. Er ist erfreut, dass die AFR18 im Grundsatz nicht in Frage gestellt ist und ihre Wirkung wie geplant entfalten kann, wie er mitteilt. Dass mit dem Kompetenzentzug betreffend Gemeindesteuerfuss die Gemeindeautonomie verletzt wurde, nehme die Regierung zur Kenntnis.

Klarheit für den Kanton

Auf Nachfrage der «Luzerner Zeitung» wird Finanzdirektor Reto Wyss aber deutlicher: Dass das Gericht den Steuerfussabtausch als nicht rechtmässig beurteilt sei «nicht gut». Das wolle er auch nicht schönreden. Dass es nun zu Steuererhöhungen kommt, sei indes nicht klar. «Eine Steuererhöhung müsste auch auf Gemeindeebene von den Stimmbürgern abgesegnet werden. Es wäre ein demokratischer Entscheid, den die Steuerzahler fällen würden», lässt sich Wyss zitieren.

Grundsätzlich gibt sich Reto Wyss mit dem Entscheid des Bundesgerichts aber zufrieden: «Ich bin erleichtert, dass wir nun Klarheit für die Ausarbeitung des Voranschlags 2021 sowie des Aufgaben- und Finanzplans 2021-2024 haben und dass der Finanzhaushalt des Kantons nicht betroffen ist.» Mit Blick auf die Gemeinden sei er vor allem dankbar, dass sie in dieser finanziell schwierigen Zeit die volle Handlungsfreiheit haben. «Sie müssen nicht aktiv werden, dürfen aber, wenn sie es wollen», so Wyss.

Steigen in einzelnen Gemeinden nun die Steuern?

Was der Entscheid der Lausanner Richter für die Steuerzahlerinnen in den einzelnen Gemeinden bedeutet, ist noch nicht klar. Zumindest in der Stadt Luzern könnten die Einwohner künftig aber steuerlich stärker belastet werden.

Eine Steuersenkung, wie in der AFR18 vorgesehen, dürfte hier kaum in Frage kommen, malte Finanzdirektorin Franziska Bitzi (CVP) in jüngster Zeit wiederholt ein eher düsteres Bild, was die städtischen Finanzen angeht.

Just am Donnerstag gab Bitzi bekannt, dass der Stadt in den kommenden zwei Jahren aufgrund der Coronakrise bis zu 14 Millionen Franken an Steuern entgehen werden, wie die «Luzerner Zeitung» berichtete.

Hohe Steuerausfälle in der Stadt Luzern

Auf Anfrage schreibt die Finanzdirektorin: «Die Stadt Luzern wurde heute vom Bundesgerichtsentscheid und von der Kommunikation des Regierungsrats überrascht. Wir müssen das Urteil nun zuerst genau analysieren und uns mit den anderen beschwerdeführenden Gemeinden absprechen», schreibt Bitzi in einer ersten Stellungnahme. Abgeleitet davon werde dann das weitere Vorgehen bestimmt. «Nach der ersten Sichtung fühlen uns vom Bundesgericht bestätigt.»

Auch wenn Bitzi aktuell also noch nicht konkret sagen kann, wie es weitergehen soll hält sie fest, dass die vom Kanton erzwungene Senkung des Steuerfusses bei der Stadt zu Einnahmenausfällen geführt habe, die durch andere Massnahmen der AFR18 längst nicht kompensiert würden.

Nach dem Bundesgerichtsentscheid könnte die Stadt nun also den Steuerfuss nachträglich wieder auf das ursprüngliche Niveau heben. Allerdings sei der Budgetprozess fürs Jahr 2020 längst abgeschlossen, gibt Bitzi zu bedenken. «Hinzu kommt, dass bei der kantonalen Volksabstimmung versprochen wurde, dass den Steuerpflichtigen durch die Reform keine finanzielle Mehrbelastung entsteht. Würde die Stadt ihren Steuerfuss fürs Jahr 2020 nun anpassen, würde das auf eine Steuererhöhung für die Bürgerinnen und Bürger hinaus laufen.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Christian Ineichen
    Christian Ineichen, 04.06.2020, 18:28 Uhr

    Die Aussage, der Steuerfussabtausch sei konstruiert worden, damit der Kanton Luzern «seine klammen Kassen auffüllen könne», ist falsch. Der Steuerfussabtausch wurde ausgehandelt, damit der Kanton den neuen Bildungskostenteiler von 50:50 Kanton-Gemeinde (bisher 25:75) sowie die neuen Zuständigkeiten beim Gewässerschutz überhaupt finanzieren. Der Bevölkerung erwächst nach wie vor keine Mehrbelastung.

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    • Profilfoto von Faktencheck
      Faktencheck, 05.06.2020, 16:12 Uhr

      Die Aussage, dass der Bevölkerung keine Mehrbelastung erwächst, ist nicht korrekt. Gewisse Gemeinden, allen voran die Stadt Luzern, werden aufgrund der AFR18 erhebliche Einbussen auf der Einnahmeseite (bspw Erbschafts-/Grundstücksgewinnsteuer) und höhere Ausgaben (Soziales), zu verbuchen haben. Die Übernahme der Bildungskosten durch den Kanton kompensieren dies nicht. Ergo bleibt den Gemeinden nur entweder eine Sparübung oder eine Steuererhöhung – beides resultiert in einer Mehrbelastung (von Teilen) der Bevölkerung. Die zunehmend negativen Budgets aus den (auch damals pro-AFR18) Gemeinden untermauern dies.

      Der Kanton hat verfassungswidrig in die Steuerhoheit der Gemeinden eingegriffen, was nun richtiggestellt wurde, aber nicht mehr als ein Makulatur-«Erfolg» ist. Dies wird vom Luzerner Regierungsrat elegant verklausuliert…

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