Repo vom SVP-Sessionsrückblick

Aeschi: «Der Bundesrat ist in katastrophaler Verfassung»

Thomas Aeschi blickte in Hünenberg auf die vergangene Session zurück.

(Bild: zvg)

Unser Autor war am Sessionsrückblick des Zuger SVP-Nationalrats Thomas Aeschi in Hünenberg. Der Nationalrat sprach über die böse EU, faule Linke und die schwache Führung der Schweiz.

Sein Anzug sitzt unglaublich perfekt, denke ich mir und setze mich in die hinterste Reihe des kleinen Saals im Restaurant Degen in Hünenberg. Thomas Aeschi, der Zuger Nationalrat, hält Sessionsrückblick.

Ich hatte Bedenken, dass mein Mickey-Mouse-Pullover für schräge Blicke sorgen könnte. Das stellte sich aber als ein Vorurteil heraus. Sobald man der Bedienung auf die Frage «SVP?» ein Nicken gibt, gehört man dazu. Der ältere Herr gegenüber isst Apfelringe mit Vanillesauce und erzählt, wie er Thomas Aeschi einmal im Bundeshaus besuchen konnte. Sehr sympathisch. Ich nicke, lächle und bestelle mir ein Bier.

Aeschi tritt auf

Dann tritt Thomas Aeschi auf. Smart, glatt rasiert mit Lächeln und eben diesem unglaublich passenden Anzug. Die etwa zwanzig mutmasslichen Rentner im Saal lächeln auch. Der Beamer geht an und Aeschi begrüsst den Saal.

Viel sei passiert in dieser Session, fasst Thomas Aeschi zusammen. Den Fokus wolle er heute Abend auf die Budgetdebatte und die Europafrage legen. Fragen dürfen auch gerne zwischendurch gestellt werden.

«Die gefährlichere Variante der zwei Gegenvorschläge zur Rasa-Initiative ist Variante eins. Da steht, dass völkerrechtliche Verträge von grosser Tragweite beachtet werden müssen.»
«Wer bestimmt denn, was eine grosse Tragweite ist? Frau Sommaruga?»
«Das ist eben der Trick: Das ist wieder Auslegungssache der Richter.»

Und Richter, das scheinen die verschwörerischen Blicke im Saal zu sagen, die machen sowieso, was sie wollen. Aeschi muss das nicht direkt sagen, es ist irgendwie Konsens. Auch sonst sind die Rollen schon jetzt klar verteilt: Die EU ist böse, die Linken sind faul, der Bundesrat ist schwach. Aeschi muss das nicht laut sagen, wird es aber noch tun.

Die Rollen sind bereits verteilt

Einer aus der vorderen Reihe fragt: «War es das erste Mal, dass eine Initiative so nicht umgesetzt wurde, wie das bei der Masseneinwanderungsinitiative geschah?» Thomas Aeschi freut sich über das Stichwort. «Ja, das war das erste Mal. Das sollte auch noch viel mehr thematisiert werden. Die Medien sind ja eigentlich viel zu passiv. Wir haben keine unabhängigen Zeitungen mehr, nur noch BAZ und die Weltwoche.»

Parlamentspoker

Den Witz, dass Aeschi genau diejenigen Medien als unabhängig bezeichnet, die von Geldgebern aus SVP-Kreisen finanziert werden, versteht hier keiner. Ich verzichte darauf, ihn zu erklären, weil Aeschi inzwischen strukturiert und kompetent durch seine Folien blättert. Er erzählt, wie er im parlamentarischen Poker SP und FDP Schnippchen schlägt. Es geht um Zahlen, Budgets und vor allem ausufernde Kosten. Migration, Bildung, EU: Egal, welches Thema, Aeschi bricht es auf eine Rechnung hinunter.

Einer fragt: «Im Bereich Bildung: Kann man sagen, wie viele Kosten naturwissenschaftliche respektive geisteswissenschaftliche Fächer verursachen?» «Das weiss ich so nicht», sagt Aeschi. «Aber in meinen Augen bietet man schon Fächer an, die nicht nötig wären. Islamwissenschaften beispielsweise. In meinen Augen könnte man darauf verzichten.»

Er klingt schlau und elegant

Thomas Aeschi, der Sparpolitiker. Stellen streichen und Beiträge kürzen: Aus seinem Mund klingt das nicht unbeliebt, sondern im Gegenteil. Es klingt schlank, es klingt schlau und elegant. Diese Art ist sein Potenzial. Wegen dieser Auftritte will der Saal Aeschi am liebsten als Schwiegersohn oder eben wenigstens als Politiker, der auch mal die Welt erklärt.

«Aber was haben Schweizer für Gründe, in die EU einzutreten?», fragt eine alte Frau in ungläubigem Ton. «Da gibt es viele Gründe, es ist ein grosses Friedensprojekt, da dürfen wir nicht abseits stehen.» Dann schwenkt er aber in bekannte Gewässer: «Die EU ist natürlich auch ideal, um ein Politik-top-down durchzudrücken, weil in der EU das Volk ausgeschaltet ist. Man könnte dann in der Schweiz nur noch über Trottoir und über die Weihnachtsbeleuchtung abstimmen, nicht mehr über die grossen Themen. Das wäre dann eine kleine intellektuelle Elite, die vorausschauend das Beste für das Volk will.»

Das unterwürfige Parlament

Diesen Witz verstehen dafür alle. Man lächelt sich an und weiss: Eine Elite, die «das Beste» für das Volk will, das wäre wohl der Untergang. Aeschi macht weiter, denn nun ist er in Fahrt: Das Unterwürfige Parlament sei drauf und dran, EU-Recht einfach zu übernehmen. Wir hätten eine schwache Führung zurzeit. «Der Bundesrat ist zurzeit in einer katastrophalen Verfassung, man kann es nicht anders sagen. Der Bundesrat und die Bundesverwaltung, die steuern zurzeit ganz klar in eine Richtung: schleichender EU-Beitritt», erklärt er dem Saal und alle nicken besorgt.

Unfähige Richter, eine böse EU und ein schwacher Bundesrat. Helfen kann hier nur eine überzeugte Minderheit, die zum «Besten» des Volks regiert. Nun klingt das plötzlich für viele okay.

Die SVP wählt, wer Schweizer ist

Auch die Bundesverwaltung sei in schlimmem Zustand, erzählt Aeschi und hat eine Anekdote dazu: «Ich nervte mich über die Erreichbarkeit des Sekretariats. Die waren immer in der Kaffeepause oder sonst einfach nicht da. Ich habe dann mal informell nachgefragt, in welcher Partei die denn seien. Es waren alle in der SP.»

«Obwohl das Schweizer sind?», fragt jemand ungläubig. «Ja, das sind schon Schweizer, aber halt tendenziell linke Schweizer.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Fabian Perlini
    Fabian Perlini, 27.12.2016, 10:14 Uhr

    Danke für den sympathischen und interessanten Einblick ins Weltbild dieser ‹Schweizer› Gruppierung!

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