Akten füllen 52 Bundesordner

Luzerner Ex-Informatikchef muss vor Gericht

Die Webseite der Dienststelle Informatik des Finanzdepartements. Sie hat ihren Sitz im ehemaligen Gemeindezentrum Littau in Ruopigen.

(Bild: Screenshot)

Die Staatsanwaltschaft hat die Untersuchung gegen den ehemaligen Leiter der Dienststelle Informatik des Kantons Luzern abgeschlossen. Der 47-jährige Schweizer kommt vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, dass er «Provisionszahlungen» von Lieferanten in die eigene Tasche gesteckt hat, statt sie dem Kanton abzuliefern. Die Untersuchungsbehörden gehen von einer hohen Deliktsumme aus.

Die Untersuchung von zweifelhaften Beschaffungen in der kantonalen Dienststelle Informatik von 2009 bis 2011 ist abgeschlossen. Die Luzerner Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch mitgeteilt, dass der ehemalige Leiter der Dienststelle Informatik wegen Verdachts der ungetreuen Amtsführung, möglicherweise der Vorteilsnahme sowie der mehrfachen Urkundenfälschung angeklagt wird. Es gelte die Unschuldsvermutung.

Die Dienststelle gehört zum Finanzdepartement, dem Regierungsrat Marcel Schwerzmann vorsteht. Wie die «Neue Luzerner Zeitung» 2014 schrieb, geht es um 10 von externen Anbietern erbrachte Leistungen über sieben Millionen Franken. Die Deliktsumme war bisher nicht bekannt. Die Strafuntersuchungsbehörden gehen von einem Deliktsbetrag von zirka 323’000 Franken aus.

Auch deutsche Firma involviert

Ins Rollen gekommen war die Untersuchung durch eine Strafanzeige des Luzerner Regierungsrats im Frühling 2013; vorgängig hatte die Aufsichts- und Kontrollkommission des Kantonsrats bereits 2012 Abklärungen über die Korruptionsvorwürfe verlangt (siehe Kasten). Gemäss der Staatanwaltschaft war die Untersuchung gegen den ehemaligen Kadermann lang und aufwändig, die Akten füllen 52 Bundesordner.

Aufgrund erster Ermittlungen sei auch eine deutsche Firma ins Visier geraten, die deutschen Behörden hätten Rechtshilfe geleistet, um die Vorwürfe zu klären. Im Mai 2013 wurde der 47-jährige Schweizer in Untersuchungshaft gesetzt. Er ist jetzt auf freiem Fuss, teilte Mediensprecher Simon Kopp auf Anfrage mit. Im August 2014 trafen die letzten Akten aus Deutschland ein. «Zudem wurden diverse Hausuntersuchungen durchgeführt und eine grosse Anzahl von Dokumenten und Unterlagen beschlagnahmt», heisst es in der Medienmitteilung. Es folgte die Auswertung, ein Schlussbericht der Kriminalpolizei im Sommer 2014 sowie Einvernahmen verschiedenster Personen, die bis im Februar gedauert haben.

«Personalknappheit und komplexe IT-Beschaffungen»

Der Regierungsrat beschreibt die Gründe für die mutmasslichen kriminellen Handlungen des damaligen Dienststellenleiters folgendermassen: «Im Zeitraum 2009 bis 2011 kam es infolge von Reorganisationen, Personalknappheit und den teilweisen komplexen Beschaffungen im IT-Bereich zu Verletzungen des Beschaffungs- und Kreditrechts.» Auf Veranlassung der Aufsichts- und Kontrollkommission des Kantonsrat seien ab März 2012 interne und externe Abklärungen getroffen worden, um die Unrechtmässigkeiten aufzuarbeiten. Seither seien verschiedene Massnahmen umgesetzt worden. Zu den Massnahmen gehört die Einführung eines internen Kontrollsystems für Werteflüsse per Juli 2011, die Einführung des elektronischen Bestellanforderungsprozesses, die Verstärkung des beschaffungsrechtlichen Supports sowie die Anpassung der Unterschriftenkompetenz.

Die Staatsanwaltschaft erhebt nun wegen der mutmasslichen Straftaten Anklage. Sie wirft dem ehemaligen Informatikchef vor, ohne das Wissen seiner Vorgesetzten, sogenannte «Provisions- oder Tippgeberverträge» mit Lieferanten der Dienststelle abgeschlossen zu haben. Später wurden die Aufträge erteilt und der Dienststellenleiter erhielt, zusätzlich zu seinem Lohn als Staatsangestellter, privat Provisionszahlungen von Lieferanten.

Administrativuntersuchung läuft beim Kanton

Der Luzerner Regierungsrat will sich inhaltlich nicht zur Untersuchung äussern und verweist auf die Gewaltenteilung. In einer Medienmitteilung schreibt er aber, dass ein externer Fachmann Schadenersatzforderungen des Kantons gegen den ehemaligen Kantonsangestellten prüft. Zudem läuft seit Dezember eine administrative Untersuchung. Sie soll klären, ob in der betroffenen Dienststelle von 2009 bis 2011 «Verhältnisse und Abläufe vorlagen, welche die damaligen Verstösse gegen das Beschaffungs-, Kredit und Strafrecht begünstigten», heisst es in der Medienmitteilung der Regierung.

Die Untersuchung soll auch klären, ob die Verhältnisse heute besser sind und ob die insbesondere vom Finanzdepartement eingeleiteten Massnahmen greifen. Der Regierungsrat will auch wissen, ob er weitere Massnahmen ergreifen muss. Mit der Administrativuntersuchung betraut ist Kurt Grüter, ehemaliger Direktor der eidgenössischen Finanzkontrolle. Grüters Bericht an den Regierungsrat soll im zweiten Quartal 2015 vorliegen.

Könnte IT-Debakel Wiederwahl Schwerzmanns schaden?

Abgesehen vom juristischen Fall, brisant sind auch die vielen Wechsel an der Spitze der Dienststelle Informatik. Am 1. April wird der siebte Dienststellenleiter innerhalb von weniger als sieben Jahren seine Arbeit aufnehmen. Der diplomierte Betriebs- und Produktionsingenieur Andreas Raeber tritt die Nachfolge von Fritz Zanzerl an, teilte die Luzerner Staatskanzlei im Dezember 2014 mit. «Es herrscht ein Kommen und Gehen, das an einen Walliser Fussballclub erinnert», schrieb daraufhin die «Neue Zürcher Zeitung». Sie schreibt auch, dass das IT-Debakel den Luzerner Wahlkampf überschatten könnte. Regierungsrat Marcel Schwerzmann werde vorgeworfen, seinen Laden nicht im Griff zu haben. Die Administrativuntersuchung wird zeigen, ob daran etwas Wahres ist.

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