Finanzdirektor Tännler und Zuger Steuerrevolution

Adieu Privilegien! War schön mit euch. Aber wie weiter?

Sagt: Es ist gut, dass die Privilegien gehen müssen. Heinz Tännler ist Finanzdirektor des Kantons Zug.

(Bild: Archiv)

Der alte Traum ist wohl endgültig geplatzt: Mit Steuerprivilegien bestimmte Firmen anlocken und den Kanton dabei reich machen. Die Steuerprivilegien müssen nun weichen. Finanzdirektor Heinz Tännler sagt im Interview, warum das gut sei. Und weshalb das mittlerweile alle verstanden haben sollten. Nur: Welche neue Vision kann die alte ersetzen?

Unternehmenssteuerreform III ist ein hässliches Wort. Trotzdem rollt sie unaufhaltsam auf den Kanton Zug zu. Vor kurzem hat das Parlament die Vorlage angenommen. Und auch wenn das Volk dazu Nein sagen sollte, ist klar: Die Steuerprivilegien, die den Kanton reich gemacht, aber auch massiv verändert und vor eine ganze Reihe von Problemen gestellt haben – sie haben ausgedient.

Nun muss Zug neue Lösungen finden. Christian Keuschnigg, Professor für Nationalökonomie an der Universität St. Gallen, hatte im Interview mit zentralplus gesagt, Zug dürfe nicht einfach die Steuern senken, sondern müsse sich auf neue Branchen fokussieren – und auf die eigenen Standortvorteile besinnen (zentralplus berichtete). Wir wollen wissen: Wo sieht Heinz Tännler die Zukunft der Zuger Steuerpolitik?

zentralplus: Der Kanton war bis anhin spezialisiert auf Holdings, gemischte Gesellschaften und Domizilgesellschaften. Kann der Kanton Zug ohne seine Steuerprivilegien im Wettbewerb überhaupt bestehen?

Heinz Tännler: Es stimmt, dass sich Zug spezialisiert hatte. Aber privilegierte Firmen sind nicht die einzigen, die in Zug ansässig sind – im Gegenteil. Privilegierte Firmen machen weniger als 20 Prozent der Zuger Firmen aus. Die übrigen sind ordentliche Gesellschaften, die ganz normal besteuert werden. Die OECD hat die Abschaffung dieser Privilegien gefordert und wir sind gezwungen, damit umzugehen. Der Kanton Zug ist dabei in der glücklichen Lage, dass wir die Gewinnsteuern nicht so stark senken müssen wie andere Kantone, um die Reform aufwandneutral umsetzen zu können. Wir gehen davon aus, dass wir die Gewinnsteuern von heute 14,6 Prozent auf rund 12 Prozent senken werden. Damit können wir den bisher privilegierten Gesellschaften ein Stück weit entgegenkommen. Es ist ausgleichende Gerechtigkeit: Die bisher Privilegierten bezahlen etwas mehr Steuern, dafür alle anderen etwas weniger.

zentralplus: Allerdings ist der Kanton nun in seiner Steuerpolitik massiv eingeschränkt. Er kann sich nicht mehr wie die letzten Jahrzehnte als expliziter Spezialist für gewisse Branchen positionieren.

Tännler: Das ist richtig. Unser Rahmen ist etwas enger geworden. Aber innerhalb dieses Rahmens werden wir eine Lösung finden, mit der sich der Kanton gut positionieren kann. 12 Prozent Gewinnsteuer ist ein attraktiver Satz. Gleichzeitig streben auch andere Zentralschweizer Kantone Gewinnsteuersätze gegen 12 Prozent an. Wir wollen vermeiden, dass Firmen aufgrund der Änderungen aus dem Kanton oder sogar aus der Schweiz wegziehen. Trotzdem müssen wir damit rechnen, dass es gewisse Bewegungen geben wird. Aufgrund unserer heutigen Simulationen gehen wir davon aus, dass wir nach der Umsetzung der USR III etwas mehr Steuereinnahmen zur Verfügung haben werden als zuvor. Im ungefähr gleichen Ausmass wird uns aber der Nationale Finanzausgleich stärker belasten.

«Nein, wir verschenken kein Steuerpotenzial.»

Heinz Tännler, Finanzdirektor

zentralplus: Wie gross ist denn der Anteil der Zuger Firmen, die tatsächlich mobil sind – bei denen eine Abwanderung wirklich zu befürchten ist?

Tännler: Mobil sind im Grundsatz alle Firmen. Jede Unternehmung kann abwandern. Die Frage ist, wohin und in welcher Zeitspanne. Auch grosse und seit Jahren bei uns beheimatete Firmen können abwandern. Wenn deren Geschäftsleitung heute beschliesst, dass sie ins Ausland ziehen wollen, findet dieser Umzug innerhalb nützlicher Frist statt. Hochmobil sind aber besonders jene Unternehmen, die bis jetzt von Steuerprivilegien profitiert haben. Rund 10 Prozent der Zuger Firmen sind daher in ihrer Mobilität sehr flexibel.

zentralplus: Dann ist diese pauschale Senkung des Gewinnsteuersatzes doch praktisch verschenktes Steuerpotenzial. Immerhin ist der Mitnahmeeffekt sehr gross: Für 10 Prozent der Firmen senkt man die Gewinnsteuern aller Firmen im Kanton. Die anderen 90 Prozent würden auch ohne Senkungen bleiben. Bliebe nicht am Ende mehr übrig, wenn man die Steuern gar nicht erst senken würde?

Tännler: Das wäre doch keine Steuerstrategie, wenn man einfach sagt: Wir senken die Steuern nicht, wenn Firmen ohnehin bleiben würden. Nein, wir verschenken kein Steuerpotenzial. Wir versuchen zwischen den drei Feldern der Gewinnsteuern, der abgeschafften Privilegien und der neuen Massnahmen eine optimale Lösung zu finden. Und da sind wir solide unterwegs. Entscheidend ist aber auch, was die anderen Kantone unternehmen, insbesondere was der Kanton Zürich beschliesst. Je nachdem, wie die anderen Kantone handeln, können wir uns attraktiver positionieren.

«Wir wollen nicht Firmen von anderswo abwerben.»

Heinz Tännler, Finanzdirektor

zentralplus: In der Hoffnung, dass aus dem Kanton Zürich Firmen nach Zug abwandern?

Tännler: Nein, das ist weder unsere Hoffnung noch unsere erklärte Strategie. Wir wollen nicht Firmen von anderswo abwerben. Wir wollen, dass jene Unternehmungen, welche bereits hier sind, auch bleiben. Und daher ist es wichtig, dass wir innerhalb der Schweiz und dem Metropolitanraum Zürich attraktiv bleiben.

zentralplus: Welche der Massnahmen sind denn für Zug tatsächlich interessant? Die Patentboxen sind ja praktisch irrelevant.

Tännler: Die Patentboxen sind eher für Basel-Stadt relevant. Aber es gibt Massnahmen, die für Zug hochinteressant sind, zum Beispiel die zinsbereinigte Gewinnsteuer für Firmen mit viel Eigenkapital oder die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Forschung. Solche Massnahmen müssen wir intelligent einsetzen.

zentralplus: Auch wenn Zug sich nun mit 12 Prozent Gewinnsteuer solide aufstellen kann – der grosse Wurf ist das ja nicht. Es ist eine Reaktion. Als die Privilegien eingeführt wurden, hatte das den Kanton massiv verändert und in eine ganz bestimmte Richtung geführt – auch mit unerwünschten Nebenwirkungen. Wie könnte nun eine neue, zukunftsorientierte Steuerpolitik aussehen?

Tännler: Da muss ich Ihnen widersprechen: Es ist ein grosser Wurf, dass diese Steuerprivilegien jetzt abgeschafft werden. Der Anstoss zu diesem Wurf kommt zwar von der OECD, aber wir müssen jetzt gewappnet sein, den Ball richtig fangen zu können. Im gleichen Zug noch weitere grosse Würfe zu erwarten, wäre des Guten zu viel.

«Man hat damals Privilegien und Praktiken eingeführt, die heute nicht mehr akzeptiert werden.»

Heinz Tännler, Finanzdirektor

zentralplus: Ist es für Zug schmerzhaft, sich von der Idee der Steuerprivilegien lösen zu müssen?

Tännler: Nein, das glaube ich nicht. Die Zeit zur Abschaffung von Steuerprivilegien ist jetzt reif; das haben alle verstanden. Und es ist auch richtig so. Damals, als die Steuerprivilegien eingeführt wurden, sah die Welt noch ganz anders aus. Man hat damals Privilegien und Praktiken eingeführt, die heute nicht mehr akzeptiert werden. Diese fussten aber selbstverständlich auf gesetzlichen Grundlagen und waren immer legal. Heute ist allen klar: Niemand will, dass der Kanton Zug Steuerpraktiken betreibt, die beispielsweise Steuerhinterziehung befördern. Wir wollen einen starken und sauberen Kanton. Und ich meine, dass der Kanton heute schon so aufgestellt ist. Wenn Sie die letzten Jahre betrachten – da gab es keine skandalträchtigen Meldungen aus Zug.

zentralplus: Die Holding- und Domizilgesellschaften sind nun für Zug nicht mehr ganz so interessant wie zuvor. Auf welche Branchen kann sich Zug denn in Zukunft fokussieren?

Tännler: Zug hat schon jetzt starke Cluster in der Pharma- und Hightech-Branche. Für diese Branchen können wir attraktiv bleiben, indem wir in die Bildung und Hochschullandschaft investieren, wie wir das in Rotkreuz gemacht haben. Wir schaffen für die Unternehmungen attraktive Infrastrukturen und Umgebungen, behandeln sie als Kunden und als Verwaltung effizient und freundlich und gehen aktiv auf die Firmen zu. Und sehen Sie, das ist eine Strategie, die ich als zukunftsorientiert betrachte: Wir haben zwar einen engeren Rahmen von Möglichkeiten, aber innerhalb dieser Möglichkeiten setzt sich der Kanton für gute und attraktive Lösungen ein. Nehmen Sie die heute viel diskutierte Behandlung von Startups – gerade in diesem Feld ist die Zuger Steuerverwaltung sehr proaktiv, gute und individuell angepasste Lösungen zu finden. Das ist kreative Steuerpolitik – wenn wir trotz engem Rahmen gute Lösungen finden können.

zentralplus: Hätten Sie gedacht, dass Sie einmal jener Regierungsrat sein würden, der die Zuger Steuerprivilegien abschafft?

Tännler: (lacht) Nein, das hätte ich nicht gedacht. Obwohl das seit 2004 ein Thema ist. Man wusste damals schon, irgendwann müssen diese Privilegien fallen. Jetzt ist es so weit.

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