Allenwinden: Repo vom letzten Rocksack Festival

Achtung, die Rocker kommen!

«Stuck in Traffic» im Schweinestall: Andreas Schwendener, Dino Sabanovic  (Gitarren), Fernando Schnellmann (Bass) und Bastian Inglin (Drum).

(Bild: Simone Ruckstuhl)

Wo sich sonst Fuchs und Hase gute Nacht sagen, stossen am Freitag und Samstag Rockfanatiker und Familienväter mit Bier oder Sirup an: Das Rocksack Festival in Baar-Allenwinden geht in seine siebte – und womöglich letzte – Runde. Ein Augenschein am familiären Festival der anderen Art.

Grüne Felder, Vogelgezwitscher und ruhige Idylle: So kennt man die Schönmatt in Allenwinden. Dieses Wochenende aber ist es anders. Die Rocker kommen! Und sie feiern im ehemaligen Schweinestall so etwas wie ein grosses Familienfest. Das könnte man zumindest meinen, wenn man das circa 200 Quadratmeter grosse Festivalgelände betritt.

Zwischen Sandkasten, Grill und Töggelitisch

Der ausrangierte Schweinestall ist für heute der Proberaum der Band Sklop!, dessen Bandmitglieder das Festival seit zwölf Jahren mitorganisieren. Ein Töggelikasten steht vor dessen Türe und unter dem Vordach gibt’s Festbänke. Ein anderes Zelt überdeckt den Sandkasten, welcher den ganz jungen Besuchern zur Unterhaltung dient, und um den Durst zu löschen, gibt’s gegenüber eine kleine Barhütte, das «Stübli».

Eindruck des familiären Festivals in Allenwinden.

Eindruck des familiären Festivals in Allenwinden.

(Bild: Simone Ruckstuhl)

Es ist ein überschaubares Gelände, welches diesen Freitag und Samstag Rockfans und musikfanatische Familien anzieht. Dennoch ist am Freitagabend genügend Sitzplatz für jeden da. Rund 20 Besucher sind zumindest doch schon da, sitzen beisammen und plaudern, während sie auf die Wurst warten, die auf dem Grill neben ihnen brutzelt.

Samstag ab 14.30 Uhr Action

Die Chance, das Festival noch einmal zu besuchen, sollte ergriffen werden: Am Samstag öffnet das Gelände um 14.30 Uhr. Die Eintrittsgebühr beträgt 30 Franken, wobei Kinder den Spass in Begleitung Erwachsener gratis erleben. Für die Kleinen gibt’s einen Kinder Backstage Pass, mit dem sie unbeschränkt Schleckstängel und Sirup holen dürfen. Und für die Älteren gibt’s noch mal ordentlich was auf die Ohren: Slop!, Noisedive, Spencer, FUK, Delilahs ’77 und Keep Talking, wühlen Allenwinden auf. Super geeignet für Familien, die zu Hause nicht nur gerne Schlaflieder spielen.

Eintritt frei für Rock’n’Roll

Gemütliches Beisammensein wird beim Rocksack Festival grossgeschrieben, genauso aber auch die Musik. Insgesamt sieben Bands spielen auf die beiden Festivaltage verteilt, zwei davon am Freitag, bei kostenlosem Eintritt. Während die Acts am Samstag auf der grossen Bühne auf der Wiese performen, spielen MF Tank und Stuck In Traffic am Freitagabend im engen Schweinestall.

«Das ist wohl der erste Gig, an dem wir dem Publikum nicht sagen, sie sollen näher zur Bühne kommen», lacht Mats Huwyler, Gitarrist von MF Tank. Dafür wäre tatsächlich kein Platz. Fürs Mitwippen reicht’s aber. Bei rappelvollem Stall eröffnet das Trio aus Baar das Musikfest, eine halbe Stunde später als geplant. Sie spielen Bluesrock, geprägt von Gitarrenriffs und funkigem Bass. Terry, der Sänger und Bassist, singt die Lieder mit einer souligen Stimme, die fast etwas an jene von Kenny Rogers erinnert.

Tank im Schweinestall: Mats Huwyler an der Gitarre (links), Alex Fierz am Drum und Sänger Terry Tank (r.) am Bass.

Tank im Schweinestall: Mats Huwyler an der Gitarre (links), Alex Fierz am Drum und Sänger Terry Tank (r.) am Bass.

(Bild: Simone Ruckstuhl)

Gitarrensoli, abwechslungsreiche Rhythmen und ein starkes Drum überzeugen und begeistern die mittlerweile bereits 80 Nasen, die sich im Stall aneinanderdrängen und die Köpfe zur Tür reinstecken, weil drinnen kein Platz mehr ist. Und jeder einzelne der Zuschauer stimmt beim «Happy Birthday» mit ein, als Mats erwähnt, dass ein guter Freund Geburtstag feiert. Wie eine grosse Rockfamilie.

«Es ist ein Festival von Freunden, mit Freunden und für Freunde.»
Mario Speck, Mit-Organisator Rocksack Festival

Bus nach Zug schon abgefahren …

Neben der Vertrautheit der Besucher (siehe auch Kasten unten) gibt’s aber noch etwas, das die Stimmung so locker gestaltet: die ab und zu durchdringende Unorganisiertheit und das charmevolle Chaos. Und so kommt’s, dass die Fans von Stuck In Traffic, der zweite Act des Abends, etwas mürrisch bemerken, dass sie nicht das ganze Konzert schauen können, weil MF Tank später als geplant auftrat und der letzte Bus nach Zug bereits kurz nach Mitternacht fährt.

«Der Flower-power-man mit Pornoschnäuzli hat in der Zwischenzeit das Gitarrenspielen verlernt.»
Dino Sabanovic, Sänger von Stuck In Traffic

Die Empörung legt sich aber schnell wieder, als die jungen Zuger im Schweinestall vor die Leute treten. Aus den Lautsprechern dröhnt es, das Publikum nickt im Takt zum energiegeladenen Sound. Stuck in Traffic spielt vollen, dynamischen und von der Stärke der Instrumente dominierten Rock. Und performen trotz kleiner Bühne nicht minder, als sie es auf grossen Brettern tun würden.

Doch es lohnte sich …

Im kleinen Konzertlokal führt das dann halt auch mal dazu, dass einer der Gitarristen beinahe das Publikum mit dem Gitarrenhals erschlägt, den er während seiner Dancemoves wild umherwirbelt. Gehört das genauso zu Rock’n’Roll wie die langen Haare der beiden Gitarristen? Jedenfalls meistern die Jungs Ausfälle der Instrumenteneffekte, immer wieder eingeschaltetes Licht (weil der Lichtschalter beim Anlehnen an die Wand gedrückt wurde) und falsch gespielte Gitarrenriffs problemlos.

Der Töggelikasten war besonders beliebt bei den Festivalbesuchern.

Der Töggelikasten war besonders beliebt bei den Festivalbesuchern.

(Bild: Simone Ruckstuhl)

«Der Flower-power-man mit Pornoschnäuzli hat in der Zwischenzeit das Gitarrenspielen verlernt», lacht Dino Sabanovic, Sänger und Gitarrist der Band, und meint damit den zweiten Gitarristen Andreas Schwendener. Kurz nach Mitternacht, als viele der Fans wegen fehlender Verkehrsverbindungen bereits gehen mussten, beenden die vier Zuger ihr Konzert.

«Es ist schon die Idee, dass diese Ausgabe die letzte ist.»
Mario Speck, Mit-Organisator Rocksack Festival

Ein Rocksack Festival der Abschiede

Die Band FUK, welche am Samstag spielt, gibt am Rocksack eines ihrer Abschiedskonzerte. Doch nicht nur für FUK geht eine Ära zu Ende. Auch für das Festival selbst ist es ein Abschied: «Es ist schon die Idee, dass diese Ausgabe die letzte ist», verrät mir Mario Speck. «Wir machen das seit 12 Jahren, wir sind halt älter geworden und mögen nicht mehr so viel. Aber wer weiss, vielleicht hört sich das am Sonntagmorgen um 2 Uhr dann auch wieder anders an.»

Rocksack: familiär und nicht gewinnorientiert

Es ist diese Vertrautheit unter den Besuchern, die familiäre Stimmung, welche die Atmosphäre des Rocksack Festivals ausmacht. Jeder kennt irgendwie jeden und wenn man sich noch nicht kannte, dann wird man sicher einander vorgestellt. «Da taucht dann halt auch mal die eine oder andere Ex-Freundin auf», meint Mario Speck, Mitglied des Organisationskomitees, schmunzelnd.

Dass die Besucher mehrheitlich persönlichen Bezug zu den Organisatoren haben und nur wenige fremde Gäste den Weg auf die Schönmatt fanden, überrascht Speck nicht. «Wir machen das hier für unsere Familien und unsere Freunde. Es ist ein Festival von Freunden, mit Freunden und für Freunde.»

Auch deshalb spielt Sklop!, die Band, welche 2005 das erste Rocksack Festival organisierte, an jedem der sieben Ausgaben. «Unsere Kinder feiern uns richtig. Die Gigs, die wir am Rocksack spielen, sind meist unsere schlechtesten. Aber das macht ihnen nichts aus. Sie erleben ihre Väter auf der Bühne, sehen, wie Musik gemacht wird, und darum geht’s uns schlussendlich.» Die Kultur unter Alt und Jung bringen, Rockmusik feiern, neue Freundschaften schliessen und alte aufleben lassen.

Ohne Unterstützung nicht möglich

Das «Rocksack» ist nicht gewinnorientiert. Das war es noch nie. «Das Festival ist für uns keine Geldquelle. Unsere Getränkepreise sind so tief, wie sie es immer waren, und auch der Eintritt ist mit 30 Franken günstig», erklärt Mario Speck, der für die Finanzen verantwortlich ist. Für bereits 3 Franken bekommt man ein Softgetränk am Festival, für 4 oder 5 Franken ein Bier.

Aber wie konnte das Rocksack dann all die Jahre überleben? «Durch unsere Sponsoren, aber vor allem durch unsere Freunde. Würden sie uns nicht helfen oder das Festival besuchen, hätten wir schon längst aufhören müssen. Ihre Unterstützung ist für uns unersetzbar», betont Speck.

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