Abzocker-Initiative: Pensionskassen schlecht gerüstet

Die Abzocker-Initiative stellt vor allem kleinere Pensionskassen vor Herausforderungen, so das Ergebnis einer Untersuchung der Hochschule Luzern. Die Umsetzung der Initiative bedeutet für sie einen beträchtlichen Aufwand, da Strukturen geschaffen werden müssen, um den Bestimmungen der Verordnung nachkommen zu können.

Die Annahme der Abzocker-Initiative hat Konsequenzen für die Pensionskassen. Seit Anfang Jahr sind sie verpflichtet, das Stimmrecht bei ihren Schweizer Aktien zwingend «im Interesse der Versicherten» auszuüben. Eine Untersuchung der Hochschule Luzern und der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) zeigt nun, dass der Aufwand durch die Neuregelung vor allem für kleinere und mittlere Vorsorgeeinrichtungen von Bedeutung ist. 

Im März 2013 wurde die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» angenommen. Der neue Artikel in der Bundesverfassung stärkt die Mitspracherechte der Aktionäre von börsenkotierten Schweizer Aktiengesellschaften bei den Vergütungen und bei der Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern.

Gleichzeitig werden die Vorsorgeeinrichtungen in die Pflicht genommen. Die Pensionskassen sind aufgrund ihres Investitionsvolumens in Aktien als institutionelle Anleger anzusehen, sie vereinen eine Vielzahl an Stimmrechten auf sich und können damit auf Abstimmungen an Generalversammlungen Einfluss ausüben.

Seit anfangs 2015 sind die Vorsorgeeinrichtungen dazu verpflichtet, bei direkt gehaltenen Aktien börsenkotierter Schweizer Aktiengesellschaften gewisse Stimm- und Offenlegungspflichten zu erfüllen. Insbesondere verlangt die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV), dass die Stimmpflicht zwingend «im Interesse der Versicherten» auszuüben sei. 

Kleine Pensionskassen schlecht gerüstet

Erstmals wurde nun wissenschaftlich untersucht, welche Herausforderungen Schweizer Pensionskassen bei der Umsetzung der Abzocker-Initiative zu bewältigen haben und welche Vorbereitungen dafür bereits getroffen wurden.

Zu diesem Zweck haben das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern zusammen mit dem Institut für Management und Innovation der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) während des vergangenen Jahres ausgewählte Pensionskassen, Stiftungsaufsichtsbehörden, Revisionsgesellschaften, Stimmrechtsberater und involvierte Branchenverbände befragt.

«Die Untersuchung zeigt, dass die Vorsorgeeinrichtungen unterschiedlich gut auf die neuen Bestimmungen vorbereitet sind», wie die Hochschule Luzern heute mitteilt. Viele der analysierten grösseren Vorsorgeeinrichtungen würden die Vorgaben der VegüV seit Längerem erfüllen, da sie schon vor der Annahme der Abzocker-Initiative ihr Stimmrecht wahrgenommen hätten. Ihr Handlungsbedarf sei dementsprechend klein. «Anders präsentiert sich die Situation für kleinere und mittlere Pensionskassen. Die Umsetzung der Initiative bedeutet für sie zweifellos einen beträchtlichen Aufwand. Es gilt, die Strukturen zu schaffen, um den Bestimmungen der Verordnung nachkommen zu können», kommt die Studie zum Schluss. 

Stiftungsrat in der Pflicht 

«Die Pensionskassen müssten beispielsweise festlegen, wie innerhalb ihrer Organisation der Entscheidungsprozess abläuft, um an einer Generalversammlung einer Aktiengesellschaft überhaupt im Interesse der Versicherten abstimmen zu können», so die drei Autoren der Studie. «Gemäss Verordnung ist der Stiftungsrat dafür verantwortlich, dass die Stimmpflicht ausgeübt wird.»

Der Stiftungsrat ist laut den befragten Vorsorgeeinrichtungen ausserdem jenes Gremium, das die Interessen der Versicherten kennt – weil es sich aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammensetzt. «In der Konsequenz fällt letztlich immer der Stiftungsrat den Stimmentscheid, auch wenn er gewisse Vorarbeiten beispielsweise an den Anlageausschuss oder Experten delegiert. Demzufolge haben die Stiftungsräte, wenn sie den Initiativtext ernst nehmen. mit einem gewissen Mehraufwand zu rechnen», heisst es weiter.

Ausgehend von der Befragung vermutet man deshalb, dass sich die Strukturen der Stiftungsräte längerfristig verändern werden, insbesondere durch personelle Ergänzungen oder Einrichten von spezialisierten Stimmrechtsausschüssen.

Eine weitere Möglichkeit sei, dass die Pensionskassen vermehrt auf Stimmrechtsberater zurückgreifen, die bei der Analyse der diversen Traktanden Unterstützung bieten. «Aber selbst wenn ein Stimmrechtsberater zugezogen wird, sind die administrativen Belange nicht zu unterschätzen», heisst es in der Studie. Denn in jedem Fall müsse die Vorsorgeeinrichtung sorgfältig abwägen, ob die abgegebenen Empfehlungen tatsächlich im Interesse ihrer Versicherten sind.

Mehraufwand ist nötig

Weiter müssen die Pensionskassen neu jährlich ihre Stimmpraxis offenlegen. Die Verordnung schreibt nicht vor, in welcher Form dies zu geschehen hat. Die Mehrheit der befragten Kassen favorisiert deshalb eine Online-Berichterstattung auf der eigenen Website. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer künftig prüft, ob und wie die einzelnen Pensionskassen ihre Stimmabgabe vorgenommen haben und ob die entsprechende Berichterstattung tatsächlich erfolgt ist.

Die Mehrheit der Befragten schreibt diese Aufgabe gemäss der Studie der Revisionsstelle zu. Einige sehen hier auch Stiftungsaufsichtsbehörden in der Pflicht, die ihrerseits bereits vor der Abstimmung alles andere als begeistert von der Abzocker-Initiative waren. Wieder andere Kassen und verschiedene Revisionsgesellschaften argumentieren: «Um höhere Verwaltungskosten zu vermeiden, sollte von einer tiefgreifenden Prüfung abgesehen werden, zumal diese momentan weder gesetzlich noch von der VegüV vorgeschrieben sei.»

Es braucht pragmatische Lösungen 

«Die Umsetzung der Abzocker-Initiative kostet die Pensionskassen zweifellos etwas, ein bürokratischer Overkill ist jedoch nicht zu erwarten», bringt die Untersuchung der beiden Fachhochschulen deutlich zum Ausdruck.

Trotzdem bestehe insbesondere für kleinere Vorsorgeeinrichtungen der Anreiz, die Stimmpflicht zu umgehen. Erste Tendenzen hierzu würden sich bereits heute abzeichnen, indem sich einige Pensionskassen von direkt gehaltenen Schweizer Aktien abwenden und vermehrt zu indirekt gehaltenen Anlagen wechseln, bei denen die Stimmpflicht entfällt.

«Ob dieser Trend anhält, kann erst in einigen Jahren beurteilt werden», sagen die Studienautoren und halten gleichzeitig fest: «Durch pragmatische Lösungen werden sich die administrativen Umtriebe und Mehrkosten in Grenzen halten». Die im Vorfeld der Abstimmung geäusserte Befürchtung, die Abzocker-Initiative könnte den Konzentrationsprozess in der Branche massiv beschleunigen, halten sie für ziemlich übertrieben.

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