Nach 40 Dienstjahren geht Hugo Halter in Pension

Abtretender Zuger Vize-Polizeikommandant: «Ich bin ziemlich harmoniebedürftig»

Hugo Halter geht nach 40 Jahren Polizeiarbeit in Pension. (Bild: wia)

Ende Juli wird Hugo Halter – der «älteste Hase» der Zuger Polizei – pensioniert. Bis zuletzt habe er seinen Job gern gemacht. Auch wenn der damalige Kommandant der Stadtpolizei nach dem Zuger Attentat äusserst schwierige Aufgaben bewältigen musste. Im Interview erzählt der abtretende Vize-Kommandant über Hochs und Tiefs seiner 40 Polizeijahre und über den Wert eines Fensters, in dem zur richtigen Zeit Licht scheint.

Über 40 Jahre lang stand Hugo Halter im Dienst der Zuger Polizei. Hat sich in dieser Zeit vom Polizeianwärter zum Vize-Kommandanten hochgearbeitet, hat Einsätze geleitet, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen und stand seinem Team in den letzten Jahren oft beratend zur Seite. Daneben sass der CVP-Mann während drei Legislaturen im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug. Nun wird Halter pensioniert. Ein Schritt, der nicht von hundert auf null passiert, sondern wohlgeplant ist. Überhaupt scheint alles, was er tut, einer gewissen Ordnung zu folgen. Dennoch freut sich der 62-Jährige darauf, dass es in seinem Leben bald etwas weniger Planung braucht, wie er beim Interview auf der Freiruum-Terrasse erzählt.

Halter: Ich habe für die Zeit nach meiner Pensionierung nur eine bescheidene Planung gemacht. Vielmehr freue ich mich darauf, mein Leben mehr nach dem Wetterbericht als nach meinem Terminkalender auszurichten. Doch natürlich habe ich mich vorbereitet.

zentralplus: Wie?

Halter: Ich habe etwa mein politisches Mandat bereits 2018 abgegeben. Die letzten zwei Jahre davon war ich als Ratspräsident tätig, was wiederum ein guter Abschluss war. Meine Aufgabe dort ist erledigt. Seither verfüge ich bereits über etwas mehr Zeit und konnte mich häufiger meinen Lieblingstätigkeiten widmen. Gerne bin ich in der Natur, gehe etwa jagen. Auch das Fischen soll nun stärker in den Fokus rücken.

zentralplus: Sie waren, als es die Zuger Stadtpolizei noch gab, dort als Kommandant tätig. 2002 wurde aus der Kantons- und der Stadtpolizei die Zuger Polizei. Seither hatten Sie das Amt des stellvertretenden Kommandanten inne. Hatten Sie nie Lust, dieses «Vize» loszuwerden und Kommandant der Zuger Polizei zu werden?

Halter: Einmal habe ich mich dafür beworben. Rückblickend gesehen, war es aber gut, stellvertretender Kommandant zu sein, und es stimmte für mich absolut. Als dienstältester Offizier hatte ich während der letzten Jahre mehr und mehr die Rolle des «Seniors» inne, der mitunter eine beratende Funktion einnehmen durfte. Es ist eine Position, in der ich mich sehr wohlfühle. Obwohl: Ich rede den Vorgesetzten nicht rein, was sie machen sollen. Das hätte ich selber auch nicht gemocht. Generell habe ich mit den Kommandanten sehr gut zusammengearbeitet. Gerade mit Urs Hürlimann und auch dem jetzigen Kommandanten Thomas Armbruster habe ich ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis.

«Das Bild des Kantonsratssaals nach dem Attentat war vermutlich das Heftigste, was ich je gesehen hatte.»

zentralplus: Mit Urs Hürlimann verbindet Sie eine einschneidende Lebensphase. Er fungierte als Kommandant der Kantonspolizei, als das Zuger Attentat im September 2001 passierte. Sie waren damals als Einsatzleiter an der Front einer der Ersten, die das Regierungsgebäude nach dem Massaker betraten.

Halter: Ja, das war vermutlich das Heftigste, was ich je gesehen hatte.

zentralplus: Wie sind Sie diese schlimmen Bilder wieder losgeworden?

Halter: Es war tatsächlich das erste Mal, dass ich Mühe hatte bei der Verarbeitung. Zumal ich ja alle Menschen kannte, die sich während des Attentats im Kantonsratssaal befanden. Das ging mir schon nah. Sehr rasch nach dem Attentat wurde den Betroffenen durch den Kanton professionelle Hilfe geboten, was für mich völlig unbekannt war. Was mir sehr half, waren die Gespräche mit meiner Partnerin, meiner Familie und eben mit Urs Hürlimann. Sehr oft haben wir uns spätabends auf ein Glas Wein getroffen und geredet. Auch heute, wenn wir uns treffen, ist das Attentat eigentlich immer ein Thema. Diese Sache hat uns stark verbunden. Ich erinnere mich noch immer sehr gut an den Abend nach dem Attentat …

zentralplus: Ja?

Halter: Ich bin damals, es muss wohl gegen 2 Uhr morgens gewesen sein, nach Hause gefahren, die ganze Strasse war dunkel. Nur in unserer Wohnung brannte Licht. Dieses Bild vergesse ich nicht mehr. Meine Partnerin erwartete mich. Sie fragte mich nur, was ich möchte, und wir setzten uns gemeinsam auf den Balkon. Ich rauchte eine Zigarre. Sie fragte nicht nach und ich erzählte nur wenig. Diesen Moment der Stille habe ich sehr geschätzt.

«Alle wollten vollen Einsatz geben und konnten sich nur schwer von der Arbeit lösen.»

zentralplus: Wie schafften Sie es durch die kommende Zeit? Ich nehme nicht an, dass Sie sich Auszeiten nehmen konnten.

Halter: Nein, das ging nicht, da zu viele Sachen im Rahmen des laufenden Einsatzes erledigt werden mussten. Häufig funktioniert man in solchen Situationen einfach. Das war bei mir auch so. Interessant war die Tatsache, dass unsere Korpsangehörigen ihren Auftrag optimal erfüllen und nicht nach Hause gehen wollten. Wir mussten sie aktiv dazu bewegen, da nicht absehbar war, wie lange die Ereignisbewältigung noch dauerte und nebstdem auch die Alltagsereignisse während 24 Stunden bewältigt werden mussten. Alle wollten vollen Einsatz geben und konnten sich nur schwer von der Arbeit lösen.

zentralplus: Die darauffolgenden Tage, Wochen und Monate dürften herausfordernd gewesen sein.

Halter: Durchaus. Wir hatten so viele Aufträge zu bewältigen. Allein mit der Planung der Trauerfeiern, bei denen wir für die Sicherheit zuständig waren. Da waren ja Familienangehörige und verständlicherweise auch Behördenmitglieder anwesend. Unter anderem auch der Bundespräsident und Kantonsregierungen. Das war sehr aufwendig, weil sehr bald und unverständlicherweise «Trittbrettfahrer» des Attentäters aktiv wurden und konkrete Drohungen bearbeitet werden mussten.

«Es ist nicht möglich, eine absolute Sicherheit zu erlangen.»

zentralplus: Das kollektive Gefühl von Sicherheit in Zug litt enorm in dieser Zeit. Viele forderten strengere Massnahmen.

Halter: Ja, der Ruf wurde laut, dass man alles schützen müsse. Diese Bedenken musste man natürlich ernst nehmen. Aber ebenso wichtig war es, am Boden zu bleiben und entsprechende Lagebeurteilungen laufend durchzuführen. Reagiert wurde nur, wenn eine konkrete Gefahr bestand. Dennoch wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, insbesondere im baulichen Bereich und in der Ausbildung bei gewissen Behörden und Verwaltungseinheiten. Die Menschen waren generell sehr sensibel und es bestanden Ängste, die aufgenommen werden mussten. Es war eine Aufgabe der Polizei, mit entsprechenden Massnahmen den Leuten zu vermitteln, dass wir uns nicht im Krieg befinden und es möglich sein muss, den Alltag normal leben zu können. Abgesehen davon ist es nicht möglich, eine absolute Sicherheit zu erlangen. Die Polizei im ganzen Kanton Zug machte einen sehr guten Job, die Bevölkerung war dankbar dafür. Und ich glaube, nicht nur ich war stolz, Angehöriger der Kantons- und Stadtpolizei Zug zu sein.

«Anfangs reagierte ich in GGR-Sitzungen etwas sensibel, wenn hinter mir die Türen geöffnet wurden.»

zentralplus: Rund vier Jahre nach dem Attentat wurden Sie zum CVP-Gemeinderat gewählt und tagten regelmässig im besagten Ratssaal. Wie schafften Sie es, diesen Raum mit neuen Augen zu sehen?

Halter: Ich war nach dem Attentat mehrmals im Kantonsratssaal. Auch weil ich bei der Renovation des Raums als Vertreter der Sicherheit mitwirken durfte, respektive am Sicherheitsdispositiv mitbeteiligt war. Daher kannte ich die Stärken sowie die Schwächen vor Ort sehr gut. Doch tatsächlich merkte ich anfangs, wie ich an den GGR-Sitzungen etwas sensibel reagierte, wenn hinter mir die Türen geöffnet wurden.

Hugo Halter, hier noch in Uniform. (Bild: Zuger Polizei)

zentralplus: Zum 20. Jahrestag des Attentats erarbeitet «SRF» aktuell einen Dokumentarfilm über die damaligen Ereignisse. Auch Sie kommen darin zu Wort. Wie stehen Sie dem Projekt gegenüber?

Halter: Nun, ich habe mich sicher nicht vorgedrängt und mir meine Überlegungen auch gemacht. Ich wurde von den Machern angefragt und sprach mich mit der Zuger Regierung und dem Landschreiber ab. Die Regierung unterstützte die Anfrage und legitimierte mich dafür. Später bekam ich einen Rohschnitt des Films zu sehen. Ich finde ihn ziemlich ausgewogen und auch nicht polemisch. Es kommen die Betroffenen mit sehr starken Statements zu Wort, was mich sehr beeindruckt hat.

«Ich hatte nie das Gefühl, dass ich für meine berufliche Entwicklung meine Ellbogen ausgefahren habe.»

zentralplus: Sie kamen anfangs der 1980er-Jahre zur Polizei. War für Sie schon damals klar, dass Sie in diesem Bereich Karriere machen wollten?

Halter: Nein, das wäre ja schon etwas vermessen. Ich durchlebte zugegebenermassen eine recht schnelle Laufbahn. 1982 war ich mit der Polizeischule fertig und wurde nur sechs Jahre später Dienstchef bei der Verkehrspolizei und zum Detachementschef der Interventionseinheit Luchs ernannt. Rund zwei Jahre später war ich Abteilungschef. Obwohl alles sehr schnell ging, hatte ich nie das Gefühl, dass ich für meine berufliche Entwicklung meine Ellbogen ausgefahren habe. Ich bekam die Möglichkeit, mich weiterzubilden und nutzte diese nicht selbstverständliche Ausgangslage. Dafür bin ich sehr dankbar und lernte enorm viel.

zentralplus: Welche Fälle und Einsätze sind Ihnen besonders geblieben?

Halter: Beispielsweise jener der rechtsradikalen Organisation «Patriotische Front» rund um Marcel Strebel, der 1989 in einer brutalen Hetzjagd gegen Asylbewerber gipfelte. Ausserdem hatten wir immer wieder «Lämpen» mit «Fans» im Rahmen der EVZ-Heimspiele. Aber es gibt sicher ein paar Dinge, die ich nicht so gut gemacht habe.

zentralplus: Zum Beispiel?

Halter:  Er denkt nach. Hm. Da müssten Sie vermutlich die anderen fragen. Ich habe versucht, Ausgeglichenheit zu schaffen, mich für den Teamgeist einzusetzen und Vorbild zu sein. Es ist auch so, dass ich ziemlich harmoniebedürftig bin und Kompromisse suche.

zentralplus: Und das als Politiker? Sind Sie deshalb bei der CVP?

Halter: Er schmunzelt. Vielleicht. Ich sage immer, ich bin von Geburt an politisch vorbelastet. Mein Vater war Landweibel im Kanton Obwalden. Zu diesem Amt gehörte eine Wohnung im Rathaus in Sarnen. In diesem wurde ich auch geboren, wofür ich ja nichts kann, aber trotzdem irgendwie stolz bin – weil das ja nicht jeder von sich sagen kann.

zentralplus: Sie waren bereits vor Ihrer Zeit im GGR politisch aktiv.

Halter: Ja, ich lebte einst mit meiner damaligen Frau und den Kindern im Freiamt. Kaum war ich dort hingezogen, wurde ich in den Gemeinderat von Auw gewählt. Das war sehr spannend, ich habe gelernt, wie man auf dem politischen Parkett mit wenig finanziellen und personellen Ressourcen trotzdem etwas bewirken kann.

«Meine Bedingung, um ein solches Mandat auszuüben, war stets, dass ich es gerne machen muss.»

zentralplus: Diese politischen Ämter beanspruchen eine Menge Zeit. Wie haben Sie sich diese neben Ihrem Beruf freigeschaufelt?

Halter: Meine Bedingung, um ein solches Mandat auszuüben, war stets, dass ich es gerne machen muss. Und das habe ich bis zum Schluss so gehandhabt. Die Frage, wie man alles unter einen Hut bringen konnte, stellen sich vermutlich sehr viele Leute, die bereit sind, mehr für die Allgemeinheit zu leisten. Sei es in den Vereinen, der Politik oder anderen Bereichen.

zentralplus: Sie hatten einen herausfordernden Job, daneben viele Jahre lang politische Ämter inne, zudem leben Sie in einer Partnerschaft und haben vier erwachsene Kinder. Denken Sie, Sie halten die baldige Leere im Terminkalender gut aus?

Halter: Daran zweifle ich keinen Moment. Ich bin vorbereitet und diesen Schritt habe ich mir sehr genau überlegt. Ich habe meinen Arbeitsplatz Mitte Mai bereits geräumt und bis jetzt geht es mir gut mit der Lebensumstellung. Ausserdem gehe ich bald in die Ferien. Er hält kurz inne und fügt schmunzelnd hinzu: Und ich heirate am Freitag meine langjährige Lebenspartnerin Helena.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon