Luzern: Ja zu konfessionsneutraler Abdankungshalle

Absage an die Adresse der selbsternannten «Kreuzretter»

Da hat auch das Weibeln von Andrea Gmür oder Daniel Wettstein nichts genützt: Die Stadtluzerner lehnen das «Bildersturm»-Referendum ab. Die Wandmalereien in der Friedental-Abdankungshalle bleiben trotzdem.

(Bild: zVg/Montage zentralplus)

60 Prozent der Stadtluzerner sagen Ja zum neuen Friedhofsreglement – und stellen sich damit implizit hinter das konfessionsneutrale Erscheinungsbild der Abdankungshalle im Friedhof Friedental. Obwohl die Entfernung christlicher Symbole vor einem halben Jahr hohe Wellen schlug, haben die Argumente der Gegner nicht verfangen. Die Debatte hat in ihren Augen aber erst begonnen.

Die Stadtluzerner haben das neue Friedhofsreglement angenommen. 60,12 Prozent der Stimmbürger haben der Vorlage zugestimmt. Nur 39,88 Prozent folgten damit den Argumenten des von der CVP-angeführten Referendumskomitees.

Die Mehrheit der Bevölkerung stellt sich damit hinter die Absicht, die Einsegnungs- und Abdankungshalle beim Friedhof Friedental konfessionsneutral zu gestalten. Obwohl das nicht Bestandteil der Abstimmung war, drehte sich bei den Befürwortern und Gegnern alles um diese Frage. Die tatsächliche Vorlage wollte lediglich die beiden Reglemente von Littau und Luzern zusammenführen – und diese Formsache wurde auch von niemandem bestritten. Das Luzerner Stadtparlament hatte dem im Februar mit grosser Mehrheit zugestimmt.

Doch am gleichen Tag hatte der Grossstadtrat auch einen 1,5-Millionen-Franken-Kredit gutgeheissen für die Sanierung der Abdankungshalle beim Friedhof Friedental – und damit verbunden zur umstrittenen Entfernung christlicher Symbole wie Kreuze und Wandbilder. Der Stadtrat wollte damit Angehörigen anderer Religionen entgegenkommen und die Abdankungshalle neutral gestalten. So, wie sie ursprünglich auch mal war.

Pragmatische Lösung

Obwohl das Reglement nichts mit den Symbolen zu tun hat: Ein überparteiliches Komitee nutzte die Gunst der Stunde und ergriff das Referendum. Sie störten sich daran, dass mit der konfessionsneutralen Gestaltung die christliche Kultur und Tradition Luzerns verleugnet werde. Die Motivation des Komitees: Sagt die Bevölkerung Nein zum neuen Reglement, muss die Frage der christlichen Symbole neu diskutiert werden. Sie forderten, dass im Friedhofsreglement eine neue Bestimmung die Erhaltung der christlichen Symbole garantiere.

«Man weiss nicht, wer mit welchem Beweggrund gestimmt hat, weil die Frage der religiösen Symbole nur indirekt eine Rolle gespielt hat.»

Adrian Borgula, Stadtrat Luzern

Das ist nun nicht passiert. Einen kleinen Erfolg durften die Gegner trotzdem verbuchen. Weil der Widerstand so gross war, hat der Stadtrat versprochen, die Symbole zu erhalten und eine flexible Lösung vorgeschlagen. Die christlichen Symbole sollen nicht gänzlich verschwinden, sondern können bei Bedarf mit Stoffbahnen verdeckt werden.

Stadtrat erfreut

Der Stadtrat zeigte sich erfreut über das Resultat. Dank der Zustimmung zur Teilrevision des Reglements über das Bestattungs- und Friedhofwesen könne – neben den bereits beschlossenen Sanierungsmassnahmen – nun auch mit der Umsetzung der formal-rechtlichen Anpassungen begonnen werden.

«Es gibt keine weiteren konkreten Absichten, religiöse Symbole aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.»

Adrian Borgula, Stadtrat Luzern

Der zuständige Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) will das klare Ja aber nicht primär als Zeichen für eine religiös besonders aufgeschlossene Bevölkerung verstehen. Denn das Resultat sei schwierig zu interpretieren: «Man weiss nicht, wer mit welchem Beweggrund gestimmt hat, weil es inhaltlich um das Reglement ging und die Frage der religiösen Symbole nur indirekt eine Rolle gespielt hat.» Die Annahme des Friedhofsreglements sei aber eine Bestätigung des Vorgehens des Stadtrates und seiner Absicht, die Abdankungshalle so zu gestalten, dass sie mit oder ohne die vorhandenen christlichen Symbole genutzt werden kann.

Da es sich nicht um geweihte, sondern um öffentliche Räume handle, halte der Stadtrat eine konfessionsneutrale Gestaltung nach wie vor für angezeigt, so Borgula. «Das heisst aber keinesfalls, dass sich der Stadtrat den Werten der christlichen Kultur als Teil unserer Geschichte nicht bewusst wäre.» Die Diskussion sei im Frühling zeitweise auf eine fundamentale Ebene übergegangen und die Reaktionen entsprechend heftig ausgefallen, sagt Borgula.

«Die Debatte hat erst begonnen und bleibt brandaktuell.»

Lukas Steffen, Präsident Referendumskomitee

Im Vorfeld der Abstimmung war von dieser Entrüstung aber nicht mehr viel zu spüren. Die Wogen haben sich schnell geglättet – einen wesentlichen Anteil daran hatte das Einlenken des Stadtrates. Er schlug vor, die Symbole nicht einzumauern, sondern bei Bedarf abzudecken. «Wir haben nun eine Lösung, die es erlaubt, christliche Symbole respektvoll zu erhalten, und die gleichzeitig eine gute Situation bietet für Menschen anderer Konfessionen oder Konfessionslose.»

Und bei dieser flexiblen Lösung mit den Stoffbahnen in der Abdankungshalle soll es bleiben. Die sei verankert und nun durch die Abstimmung bestätigt, so Borgula. «Und es gibt keine weiteren konkreten Absichten, religiöse Symbole aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.»

Referendumskomitee ernüchtert

Lukas Steffen (CVP), Präsident des Referendumskomitees, glaubt nicht, dass das Thema der religiösen Symbole im öffentlichen Raum mit dem Nein zum Referendum vom Tisch ist. «Die Debatte hat erst begonnen und bleibt brandaktuell.» 

Dennoch akzeptiert er das Abstimmungsresultat ohne Wenn und Aber. «Daran gibt es nicht viel zu rütteln. Die Leute wollen keine Bestimmung, welche den Schutz der christlichen Symbole beinhaltet», sagt er ernüchtert. Steffen verweist aber darauf, dass der Stadtrat von seiner ursprünglichen Position abgerückt ist und dank des Widerstands von einer dauerhaften Entfernung der christlichen Symbole absieht. «Wie das im Detail aussehen wird, wissen wir noch nicht. Aber wir behaften den Stadtrat darauf und behalten die Ausführung im Auge.»

«Es war nicht einfach ein Wahlkampfthema.»

Lukas Steffen, Präsident Referendumskomitee

Steffen interpretiert das Resultat nicht als Zeichen dafür, dass der Mehrheit der Bevölkerung die Kruzifixe und Wandbilder egal sind. «Die Reaktionen zeigten ein anderes Bild. Es ist wohl vielmehr so, dass sich die Sache für viele mit dem Kompromissvorschlag erledigt hat.»

Nach den emotionalen Debatten im Frühling kam in den letzten Wochen kein intensiver Abstimmungskampf auf. Diente das Thema nur zur Stimmungsmache vor den Wahlen im Mai? Das streitet Steffen vehement ab. «Es war nicht einfach ein Wahlkampfthema.» Das Komitee sei stets aktiv gewesen, etwa mit Standaktionen, Zeitungsinseraten oder Flyern. Dass es über den Sommer ruhiger wurde, schreibt Steffen auch den beschränkten Mitteln zu. «Im Vergleich zu einem Wirtschaftsthema ist die Finanzierung einer solchen Abstimmungskampagne schwieriger.»

Unterschiede nach Quartieren

Ein detaillierter Blick auf die Resultate fördert indes deutliche regionale Unterschiede zutage. So fand das Referendum in etlichen Kreisen mehr Zustimmung als das Abstimmungsergebnis erwarten liesse. In den Quartieren Matthof sowie Thorenberg und Staffeln in Littau lehnte eine Mehrheit der Bevölkerung das neue Reglement gar ab. Demgegenüber gab es im Hirschmatt-, im Obergrund- und im Tribschenquartier über 70 Prozent Ja-Stimmen zum Reglement.

 

 

Die meisten Stadtluzerner Quartiere sagen Ja zum Friedhofsreglement: Die Resultate im Detail.

Die meisten Stadtluzerner Quartiere sagen Ja zum Friedhofsreglement: Die Resultate im Detail.

 

 

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