Sportrechtler schätzt «Fall Margiotta» ein

Ablösesumme für Margiotta geht dem FCL flöten

Mittelstürmer Francesco Margiotta und der FC Luzern gehen seit letztem Freitag getrennte Wege. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Der 27-jährige Stürmer wollte für seine Dienste mehr Salär erpressen. Der FC Luzern entschied sich für die sofortige Trennung und leitete rechtliche Schritte ein. Welche finanziellen Folgen hat der Eklat mit Francesco Margiotta für den FCL? Und wie geht's im Fall weiter?

Der seit Wochen schwelende Streit um mehr Lohn zwischen Mittelstürmer Francesco Margiotta und seinem Arbeitgeber hat am vorletzten Freitag in einem Eklat geendet: Trotz gültigem Vertrag des Italieners bis 2022 verkündete der FCL das Ende der gemeinsamen Zusammenarbeit. Er begründete dies mit mehrfachem unentschuldigtem Fernbleiben des Spielers an Mannschaftstrainings (zentralplus berichtete).

Weil der FCL rechtliche Schritte einleitete, kümmern sich nun Anwälte um den Fall. Auf Luzerner Seite ist das die Studhalter und Meier Rechtsanwälte AG, die den VR-Präsidenten des FC Luzern, Philipp Studhalter, zum Partner hat.

zentralplus hat den unabhängigen Zürcher Sportrechtler Dr. Vassilios Koutsogiannakis von der Firma Ernst & Young AG zum Fall befragt.

zentralplus: Vassilios Koutsogiannakis, der FCL schliesst eine gemeinsame Zukunft mit Francesco Margiotta aus, ohne näher darauf einzugehen, auf welcher Basis der Schritt vollzogen wurde. Ist es eine Beurlaubung? Oder viel eher eine fristlose Kündigung?

Vassilios Koutsogiannakis: Eine Beurlaubung oder sogenannte Freistellung ist im Berufssport schwierig durchzusetzen, weil dem Profisportler ein Beschäftigungsanspruch in den Trainings und teilweise auch an den Spielen zukommt. Mit einem solchen Schritt hätte sich der FCL angreifbar gemacht.

zentralplus: Also eine fristlose Kündigung?

Koutsogiannakis: Wahrscheinlich, ja. Einen befristeten Arbeitsvertrag, wie ihn die meisten Profisportler in Mannschaftssportarten unterzeichnen, kann man grundsätzlich nicht ordentlich kündigen. Darum steht im vorliegenden Fall eine fristlose Kündigung im Vordergrund.

«Wenn der Spieler das erste Mal dem Training fernbleibt, muss der Klub denselben abmahnen.»

Sportrechtler Dr. Vassilios Koutsogiannakis

zentralplus: Wie muss der Arbeitgeber in einem solchen Fall vorgehen, um sich nicht angreifbar zu machen?

Koutsogiannakis: Für eine fristlose Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen. Verfehlungen seitens des Profisportlers können einen solchen wichtigen Grund darstellen. Man unterscheidet dabei zwischen schweren Verfehlungen, die eine fristlose Entlassung auch ohne vorgängige Abmahnung legitimieren, sowie mittelschweren und leichten Verfehlungen, die nur bei wiederholtem Vorkommen und bei vorgängiger Abmahnung zu einer rechtmässigen Entlassung führen können. Schwere Verfehlungen sind zum Beispiel Drogen- und Dopingkonsum, schwere Verletzung des Klubansehens, Mitwirkung bei Spielmanipulationen et cetera.

Der Zürcher Sportrechtler Dr. Vassilios Koutsogionnakis (Bild zvg).

zentralplus: Das unentschuldigte Fernbleiben von einem Training gehört demnach zu den leichten Verfehlungen.

Koutsogiannakis: Genau. Entsprechend reicht das einmalige Fernbleiben von einem Training nicht aus. Wenn der Spieler das erste Mal dem Training fernbleibt, muss der Klub ihn abmahnen. Auch beim zweiten Fernbleiben, sollte der Klub – um auf der sicheren Seite zu sein – eine Abmahnung aussprechen. Bleibt der Spieler dem Training dann erneut fern, kann der Klub die fristlose Kündigung aussprechen. Eine solche fristlose Kündigung muss denn auch unmittelbar nach sicherer und möglichst vollständiger Kenntnis des wichtigen Grundes ausgesprochen werden – innerhalb von zwei bis drei Arbeitstagen. Natürlich kann es auch sein, dass der Spieler die Arbeit verlassen hat und nicht mehr am Training teilnehmen will. Eine solche Handlung könnte dann auch als konkludente, ungerechtfertigte, fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Spieler verstanden werden.

«Unabhängig davon, ob sich der Spieler einem neuen Klub anschliesst oder nicht, kann der Spieler schadenersatzpflichtig werden.»

zentralplus: Muss der FCL Margiotta weiterhin den Lohn zahlen für die Länge der Vertragsdauer, solange der Fall juristisch nicht abschliessend bewertet und geklärt worden ist?

Koutsogiannakis: Nein, eine fristlose Kündigung löst das bestehende Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung auf und zwar auch, wenn sie ungerechtfertigt erfolgt ist. Der Arbeitsvertrag geniesst also keinen Bestandesschutz. Kommt später ein Gericht zum Schluss, dass die Kündigung – von wem sie denn auch ausgegangen ist – ungerechtfertigt erfolgt ist, stellt diese Handlung einen Vertragsbruch seitens der kündigenden Partei dar, die entsprechend schadenersatzpflichtig wird.

zentralplus: Der Vertrag von Margiotta mit dem FCL wäre ursprünglich noch bis 2022 gelaufen. Steht dem FCL trotz Aufhebung des Arbeitsverhältnisses eine Ablöse zu, wenn sich der Spieler einem neuen Klub anschliesst?

Koutsogiannakis: Unabhängig davon, ob sich der Spieler einem neuen Klub anschliesst oder nicht, kann der Spieler schadenersatzpflichtig werden. Die Erwartung einer möglichen, zukünftigen Ablösesumme – die sogenannte Vertragsauskaufsumme – stellt jedoch keinen ersatzfähigen Schaden dar. Hingegen können aber vom Klub getätigte Investitionen (bezahlte Vertragsauskaufsummen und so weiter), die Vermögenswerte des Klubs darstellen und entsprechend in der Bilanz aktiviert werden, durch die ungerechtfertigte fristlose Kündigung seitens des Spielers vernichtet werden. Dies verursacht eine Vermögensminderung, die allenfalls vom Spieler zu ersetzen ist.

«Ich gehe davon aus, dass FCL-Präsident Philipp Studhalter als Rechtsanwalt genau weiss, welche rechtliche Rahmenbedingungen im vorliegenden Fall eingehalten werden müssen.»

zentralplus: Wie sieht der juristische Weg im «Fall Margiotta» aus?

Koutsogiannakis: Im Sport kann es oft zu zwei parallelen Verfahren kommen. Der zivilrechtliche Weg würde zunächst eine Schlichtungsverhandlung vorsehen. Im Falle einer Nichteinigung der Parteien würde das Verfahren dann vor dem Arbeitsgericht initiiert werden. Dessen Entscheid könnte dann noch an das Kantonsgericht und letztinstanzlich an das Bundesgericht weitergezogen werden. Auf verbandsrechtlicher Ebene könnte ein gegen den Spieler eingeleitetes Verfahren nach durchlaufenem, verbandsinternem Instanzenzug vor dem internationalen Sportsschiedsgericht CAS mit Sitz in Lausanne entschieden werden.

zentralplus: Können Sie abschätzen, wer bessere Chancen hat, um in diesem Fall als Gewinner hervorzugehen?

Koutsogiannakis: Das fällt mir schwer, weil mir der genaue Sachverhalt nicht bekannt ist. Allerdings gehe ich davon aus, dass FCL-Präsident Philipp Studhalter als Rechtsanwalt genau weiss, welche rechtliche Rahmenbedingungen im vorliegenden Fall eingehalten werden müssen.

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