Ausstellung im Historischen Museum Luzern

50 Jahre Frauenstimmrecht: Wie Luzernerinnen sich ihre Stimme erkämpften

Die Ausstellung würdigt die Heldinnen der Luzerner Frauenstimmrechtsbewegung. (Bild: Priska Ketterer/Historisches Museum Luzern)

Der Weg war lang und steinig – doch vor 50 Jahren gelang der Durchbruch. Eine aktuelle Ausstellung geht der Frage nach, wie 1970 das Frauenstimmrecht in Luzern endlich Tatsache wurde – und was noch geschehen muss, um eine echte Gleichberechtigung zu erreichen.

Bereits zwei Tage vor der Eröffnung drängten erste Gäste an die Museumskasse: «Zwei Tickets für Eine Stimme.» «Die Ausstellung öffnet aber erst am Freitag.» Die jungen Frauen sind enttäuscht. Seit Monaten fiebern sie diesem Event entgegen.

Das ist natürlich kurz, wenn man bedenkt, wie lange ihre Mütter und Grossmütter auf ihre Stimmrechte warten mussten. Nun feiert das Historische Museum in Luzern das runde Jubiläum des Frauenstimmrechts mit der Ausstellung «Eine Stimme haben. 50 Jahre Frauenstimmrecht in Luzern».

Würdigung der Heldinnen der Epoche

Das Jahr 1970 schrieb Lokalgeschichte: Die Männer im Kanton Luzern sagten endlich Ja zum Frauenstimm- und Wahlrecht. Um dieses Jahr herum wurde das Ausstellungsnarrativ konstruiert.

Es umfasst aber auch den mühseligen Weg hin zu den Frauenrechten und gibt einen Ausblick in die Zukunft: Zwar gilt 1970 als Meilenstein der Frauenrechtsbewegung, aber für eine umfassende Gleichberechtigung braucht es noch viel mehr.

Ausstellungsobjekte, Fotografien, Archivdokumente sowie Audio- und Videoaufnahmen geben Aufschluss über Eckdaten der Frauenrechtsbewegung und bringen dem Publikum die Heldinnen dieser Epoche näher: Ihr Weg war voller Hindernisse und ihre Methoden im Kampf für mehr Gerechtigkeit nicht immer konventionell.  

«Ziit isch da»

Zwei Fragen drängen sich auf, wenn man an die revolutionäre Zeit zurückdenkt, in der die Schweizerinnen endlich ihr Stimmrecht erhalten haben: Wie war das möglich? Und: Warum erst so spät? Sibylle Gerber, die Ausstellungskuratorin, gibt Einblicke in die Zeit von damals und zeigt den steinigen Weg zu Wahlurnen.

«Vielleicht wollte der Kanton zeigen, dass er entgegen seines konservativen Rufes auch imstande ist, zeitgemäss zu handeln.»

Sibylle Gerber, Ausstellungskuratorin

Dieser Weg musste jedoch zunächst von Männern, die damals eine uneingeschränkte Entscheidungsmacht besassen, geebnet werden. Es mag überraschen, dass dies in Luzern etwa ein Jahr früher als auf nationaler Ebene geschah. «Vielleicht wollte der Kanton zeigen, dass er entgegen seines konservativen Rufes auch imstande ist, zeitgemäss zu handeln», mutmasst die Kuratorin, die ich während der letzten Vorbereitungen zur Ausstellungseröffnung treffe. «Vielleicht merkten die Männer, dass die Zeit einfach reif ist.» Vielleicht. Schliesslich lautete der Slogan der Kampagne «Ziit isch da. Frauenschtimmrächt Ja».

Schlacht der Argumente

Der Kampf um das Frauenstimmrecht war eine Schlacht der Argumente. Im Historischen Museum kommen nicht nur die Befürworterinnen (und Befürworter) zu Wort, sondern auch ihre Gegenstimmen: Propagandaplakate warnen vor dem bevorstehenden Zerfall der Familie, sollten die Frauen es wagen, wählen zu gehen.

Zitiert werden dabei auch jene, die proklamieren, man müsse das «schwache Geschlecht» vor der «dreckigen Politik» schützen. Der Sieg der Frauen lehrt uns, wie Sibylle Gerber sagt, «dass es manchmal gut ist, laut zu sein und etwas lautstark zu fordern, um etwas zu erreichen».

«Annabelle»-Wettbewerb und Schaufensterpuppen

Frauenrollen und -rechte haben sich im Laufe der Zeit verändert. Bild- und Tonaufnahmen dokumentieren diesen Wandel: Besonders bizarr mutet dabei der Mitausschnitt eines «Annabelle»-Wettbewerbs aus dem Jahr 1967 an: Die Teilnehmerinnen – allesamt adrett gekleidet und elegant frisiert – demonstrieren dabei ihre Fähigkeiten im Schnellnähen von Puppenkleidchen und beim Erledigen anderer haushaltsnaher Aufgaben. Und das natürlich mit einem obligatorischen Lächeln im Gesicht, das zeigt, wie viel Freude sie scheinbar bei ihrer Arbeit haben. Am Ende wird die «Donna Ideale», die «perfekte Hausfrau», gekürt.        

    

Der Lärm war notwendig, um sich Gehör zu verschaffen. (Bild: Emilia Sulek)

Die Ausstellung ist nicht nur ein Fest für die Sinne, sondern regt auch zum Nachdenken an: Brauchen wir noch mehr Veränderung in Bezug auf die Gleichstellung der Frau? Die Gäste sind dazu eingeladen, ihre Meinung zu äussern.

Am Ende der Ausstellung stehen die Besucher vor einer Wand mit zwei Fragen: Wessen Stimme sollte in der Gesellschaft besser gehört werden? Und: In welcher Situation fühlen Sie sich ungleich behandelt? Hier scheint es Redebedarf zu geben: Eine Viertelstunde nach Ausstellungseröffnung stehen bereits drei Sätze an der Wand. Das Thema sind Arbeit und ungleiche Gehälter. Dies macht ziemlich deutlich, wo eine Veränderung dringend notwendig ist.

Schaufensterpuppen führen auf Zeitreise

Im Archiv des Historischen Museums befinden sich nur wenige Objekte, die die Frauen in ihrem Kampf um mehr Rechte begleiteten. Dies war eine Herausforderung für die Kuratorin, die sich deshalb für Schaufensterpuppen entschied. Jeweils nach der aktuellen Mode gekleidet, verkörpern sie die unterschiedlichen Epochen des Frauenstimmrechtskampfes.

Nähert man sich den «Frauen», so sprechen sie (sie tun es wirklich!) über ihre Anliegen: Eine Suffragette erzählt, wie sie den Krieg für das Frauenstimmrecht führt, und eine Hausfrau sagt, dass sie viel zu tun und keine Zeit für Politik hat.

Der leere Blick in ihren geschminkten Augen, das gütige Lächeln auf ihren Plastiklippen und die tote Körpersprache erinnern daran, dass man es nur mit einer Schaufensterpuppe zu tun hat. Aber sie machen die Ausstellung unterhaltsam, besonders für jüngere Gäste. Angesichts der Tatsache, dass Frauen immer noch häufig auf ihr Aussehen reduziert werden und die Rolle einer lächelnden Schaufensterpuppe einnehmen müssen, kann eine solche Darstellungsweise auch als problematisch angesehen werden.     

Die Suche nach einer Erklärung bleibt

Die Ausstellung ist vielleicht die derzeit wichtigste in der Schweiz. Oder zumindest eine von hochaktueller Bedeutung. Und doch sucht man am Ende nach einer Erklärung für das späte Frauenstimmrecht. Einer Erklärung, die über die Schweizer Eigenart hinausgeht und tief in die kulturelle Seele des Landes blickt.

Eine umfassende Analyse der Gründe, weshalb Frauen so lange auf ihr Stimm- und Wahlrecht warten mussten, würde es ermöglichen, die nächsten Schritte in Richtung Gleichberechtigung schneller zu gehen.

Mehr Informationen zur Ausstellung findest du auf der Webseite des Museums.

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