Luzerns virtuelle Lücken

200 Orte sind tabu

Sensible Einrichtungen: Hier finden virtuelle Street-View-Spaziergänge ein abruptes Ende. Diese Orte sind für Google tabu. (Bild: Google Street View)

Mit Google Street View lässt sich Luzern virtuell entdecken. Doch alles ist nicht zu sehen: Rund 200 Orte sind zensiert. Wir zeigen, welche Orte Google uns vorenthält.

Virtuelle Spaziergänge auf Google Street View sind beliebt, auch in der Stadt Luzern (zentral+ berichtete). Wer allerdings genau hinschaut, bemerkt zahlreiche Löcher im Street-View-Streckenverzeichnis. Wer Luzern virtuell erkundet, landet früher oder später in der Sackgasse.

Unsichtbare Mauern versperren den Weg und die Sicht. Die Maus klickt ins Leere – die Reise endet abrupt. So endet die Route vor dem Ritterschen Palast so plötzlich wie in der Nähe des Polizeipostens. Auch vor dem Schulhaus St. Karli und dem Gefängnis in Kriens ist unvermittelt Schluss. 

«Vollständige Anonymisierung»

Das Bundesgericht verlangt von Google, dass bei Aufnahmen in der Nähe von sensiblen Einrichtungen in Street View «die vollständige Anonymisierung vor der Aufschaltung im Internet gewährleistet sein muss». Nur das Gesicht unkenntlich zu machen, reiche nicht. Auch andere Merkmale wie die Hautfarbe, die Kleidung oder Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen müssten verpixelt werden.

Heikle Orte

Die weissen Flecken sind keine technischen Fehler, sondern gewollt. Die Aufnahmen wären vorhanden, werden aber von Google bewusst nicht gezeigt. Grund dafür ist die Nähe zu sogenannten sensiblen Einrichtungen.

Sensible Einrichtungen sind Gefängnisse, Frauenhäuser, Psychiatrien, aber auch Schulen, Gerichte oder Polizeistationen. Rund um solche Orte dürfen Personen und Fahrzeuge nur vollständig anonymisiert gezeigt werden. So will es das Bundesgericht (siehe Box).

Kein Durchgang: Bei der Jesuitenkirche findet der Street-View-Spaziergang zum Regierungsgebäude ein jähes Ende. 

Weil Google die vollständige Anonymisierung rund um solche Orte und Einrichtungen nicht gewährleisten konnte, werden nun im Umkreis von etwa 70 Metern gar keine Aufnahmen veröffentlicht. Und damit wenigstens das sichergestellt werden konnte, wandte sich Google an die Kantone.

«Wir haben vom Datenschutzbeauftragten des Kantons Luzern eine Liste zur Überprüfung und Ergänzung erhalten», erklärt Daniel Egli, stellvertretender Stadtschreiber der Stadt Luzern. Google habe nach Massgabe des Bundesgerichts eine Vorauswahl über die sensiblen Einrichtungen in der Stadt Luzern getroffen.

Rechts abbiegen unmöglich: Virtuelle Mauern versperren die Auffahrt zur Haftanstalt Grosshof.

Über 200 blinde Orte

Um welche Einrichtungen genau es sich dabei handelt, will er auf Anfrage nicht sagen. Aber: «Die von uns ergänzte Liste enthält für die Stadt Luzern rund 240 Einträge», darin seien auch Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten, Spitäler, Altersheime und Gerichte mitenthalten. Auch bestimmte Regierungseinrichtungen habe man als sensibel eingestuft.

«Die Liste enthält aber sicher etliche Doppelnennungen, so dass es effektiv weniger als 200 Einträge sein dürften», relativiert Egli die hohe Zahl. So seien zum Beispiel verschiedene Kliniken beim Luzerner Spital erfasst.

Sackgasse: Kurz vor dem St.-Karli-Schulhaus ist Schluss und der virtuelle Spaziergänger muss umkehren.

Gänzlich unbekannt ist die Anzahl der sensiblen Einrichtungen ausserhalb der Stadt. Genauer ins Detail gehen kann man beim Kanton nicht. Die Liste von Google sei ja auch nicht abschliessend gewesen, sagt der kantonale Datenschutzbeauftragte Reto Fanger. «Wir haben die Gemeinden und Behörden gebeten, die Liste zu überprüfen.» Man sei lediglich Koordinationsschnittstelle gewesen. Die Federführung liege beim eidgenössischen Datenschützer. Dort war bis Dienstagabend für eine Stellungnahme niemand erreichbar. 

Stadt prüft Ideen

Google Street View stösst aber nicht nur auf Kritik. «Es ist schön, dass nun die ganze Stadt Luzern virtuell begehbar ist», freut sich Kuno Schürch, Leiter Online-Marketing bei Luzern Tourismus, über die neuen Aufnahmen. Bisher seien in Street View lediglich die grössten Sehenswürdigkeiten und Hauptverkehrsachsen erfasst gewesen.

Direkte Rückmeldungen von virtuellen Spaziergängern habe man noch nicht erhalten, so Schürch. Man gehe davon aus, dass das Angebot rege genutzt werde. «Aber natürlich begrüssen wir die Gäste nach wie vor am liebsten direkt vor Ort.» Der Dienst biete jedoch für Touristen, die sich gerne schon mal umsehen würden, einen willkommenen Mehrwert. Eine Gefahr für den reellen Tourismus sehe man in Street View deshalb keine. 

Bisher nutze Luzern Tourismus einzelne Tools von Google. «Eine aktive Zusammenarbeit mit Google gibt es nicht», so Schürch. Luzern Tourismus prüfe jetzt aber «Ideen, die dem Gast einen Informationsmehrwert» bieten würden.

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An andern Orten toleranter

Sämtliche Personen, die auf Street-View-Aufnahmen landen, muss Google anonymisieren. In grösserem Abstand von sensiblen Einrichtungen ist das Bundesgericht jedoch toleranter. Gemäss dem Lausanner Entscheid ist eine einprozentige Fehlerquote zulässig. Bei der automatischen Verpixelung könne es zu Fehlern kommen, so die Richter. Wer sich auf Street View dennoch erkennt, kann über einen Button von Google nachträglich verlangen, dass sein Bild zusätzlich manuell verfremdet wird.

Zudem gelten für Street View weitere Einschränkungen. Google darf nur noch auf einer Höhe von maximal zwei Metern fotografieren. Was ein normaler Fussgänger nicht sieht, soll auch den Kameras des Internetgiganten verborgen bleiben.

Ausserdem muss Google informieren, wenn Aufnahmen gemacht und neue Bilder aufgeschaltet werden. Mit dem letzten Update sind gemäss Medienmitteilung von Google zehnmal so viele Bilder aus der Schweiz wie bisher online verfügbar. Fast das gesamte Schweizer Strassennetz sei nun mit Street View begehbar.

Mehr in Street View gesperrte Orte finden Sie in unserer Slideshow:

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Erhard Schöni
    Erhard Schöni, 12.10.2022, 22:42 Uhr

    Heute wird Wasserstoff als Allheilmittel für Energieprobleme gepriesen.Dazu ein paar Gedanken. Wasserstoff muss aus Wasser mittels Eletrolyse oder anderen Verfahren hergestellt werden Da es kein Perpetuum mobile gibt, geht dabei immer etwas Energie verloren.zudem ist Wasserstoff in der Handhabung gefährlich (Zeppelin). Anstatt Autos mit teuerem Wasserstoff anzutreiben,würde man gescheiter Elektro- Antriebe benützen.
    P.S. Ich habe keine Aktien von Anbietern von Elektroautos

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