2019 feiert das Zuger Open-Air-Spektakel Waldstock sein 20-jähriges Dasein. Für viele Zuger ist das Festival das Highlight in der sonst eher kargen Alternativ-Kulturszene. Zeit für eine Liebeserklärung. Ach was. Zwanzig!
Langjährige Waldstock-Jünger wissen: Tickets für den Anlass bestellt man früh. Die Gefahr, dass es nämlich schnell keine mehr gibt, wird von Jahr zu Jahr grösser. Und das mit gutem Grund. Oder eher guten Gründen, wie unser Listicle zeigt. 20 Punkte, warum Zuger jedes Jahr an den Steinhauserwald pilgern:
1. Verschollen im Waldstock-Bermudadreieck
An keinem Festival ist es so schön, verloren zu gehen, wie am Waldstock. Da verabschiedet man sich kurz von den Freunden, um aufs Klo zu gehen,
Das Open Air findet dieses Jahr vom 31. Juli bis am 3. August statt. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 20 Franken für den Mittwochabend und je 25 Franken für die anderen Tage. Den Festivalpass (Donnerstag bis Sonntag) gibt's für 65 Franken im Vorverkauf.
2. Warum liegt denn hier Stroh?
Es ist vier Uhr in der Früh und man gerät in ein unerwartetes Tief. Taxi? Zu teuer. Der letzte Shuttle? Schon längst weg. Drum. Ab ins Strohzelt. Je nachdem, wer da sonst noch herumliegt, dürfte das Erlebnis mittelgemütlich werden. Aber immerhin. Wenigstens eine Mütze Schlaf unterm Dach und auf weichem Untergrund.
3. Fixstern für die lieben Abwesenden
«Hoiiiiii Regula! Gopf, wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen. Seit … ja, seit genau einem Jahr, höhö.» Ein Szenario, das sich an jedem Waldstock-Abend gefühlt acht Mal ereignet. Man trifft Menschen, die man sehr gern mag – und umgekehrt –, die man unter dem Jahr jedoch nie zu treffen schafft. Das Waldstock bildet in dieser verzettelten Welt einen Fixstern.
Ein Licht, das die Motten jährlich wieder anzieht. Damit man wenigstens die allerwichtigsten Lebenseckpunkte des lieben Gegenübers mitbekommt. «Was, ein Kind? Huch, du wohnst jetzt in Unterlunkhofen? Ein Tattoostudio eröffnet? Potzblitz.» Darauf trinkt man einen Gin Tonic, vielleicht gibt’s sogar ein gemeinsames Tänzchen vor der Bühne. Und man verabschiedet sich, «wir sehen uns ja sicher noch heute», woraus dann ein Jahr wird.
4. Ein Schnäppchenfestival
Wo sonst wird man schon drei Tage lang unterhalten für läppische 65 Franken? Und das, ohne überteuertes Heineken schlürfen zu müssen.
5. Sponsored by Glencore? Nicht doch
Nur ausserhalb des Geländes sind Sponsorenplakate in überschaubarer Menge sichtbar. Auf dem Festgelände sucht man quasi vergebens nach Werbung? Die Macher sind seit 20 Jahren getrieben von der Lust, für wenige Tage eine einzigartige Welt zu schaffen und diese auch noch mit allen Interessierten zu teilen.
6. Handwerkerskills lernen? Ganz einfach
Nirgends ist es so einfach, sich für ein interessantes Projekt einzusetzen, etwas Neues zu lernen und neue Leute zu treffen wie in den Wochen vor dem Festival. Man stellt sich in Wanderschuhen aufs Waldstockgelände, fragt den nächstbesten Menschen, was zu tun ist. Und schwups, hämmert, schraubt, betoniert und gräbt man, bis der Körper geschunden und die Laune prächtig ist. Noch besser: Man meldet sich zuvor als Helfer an. Dann weiss auch die Helferküche Bescheid.
7. Wunderwerke auf Zeit
Apropos bauen: Eine 15 Meter hohe Windmühle aus Holz, eine Autogarage, eine Wohnung, ein Hafenkran im Massstab 1:1, eine Bibliothek mit Terrasse. Für drei Tage stampfen hier Engagierte kleine Wunderwerke aus dem Boden. Und überall, überall diese bunten, leuchtenden, kuriosen Details.
8. Das Line-up? Keine Ahnung.
«Wie ist denn das Line-up dieses Jahr?» Eine Frage, die so wohl vor dem Waldstock noch nie gestellt wurde. Grob geschätzt haben 98,4 Prozent der Waldstockgänger keine Ahnung, worauf sie sich – musikalisch gesehen – einlassen, wenn sie sich ihren Pass kaufen. Schlichtweg, weil’s völlig egal ist. Irgendeine Band kommt bestimmt, zu der man sich den Büroalltag von der Seele tanzen kann.
9. Komm Papa, ich zahl dir ein Bier!
Nicht selten kommt es vor, dass am Waldstock gleich drei Generationen zugegen sind. Die Zweijährigen, die man zwischen den Strohballen herumtollen lässt, bis sie erschöpft im Kinderwagen einschlafen. Die Eltern, die währenddessen den Konzerten lauschen, und die Grosseltern, die auf den Festbänken ihr währschaftes Menü mampfen und mit Gleichaltrigen über ihr Leben jenseits der Pensionierung sprechen.
10. Schwingerportionen und Mitternachtssnacks garantiert
Gemampft wird am Waldstock gut. Die täglich wechselnden Menüs sind lecker und werden in Portionen geschöpft, dass selbst ein Schwinger genug hätte. Auch die Crêpes und die Burger – die häufig als Mitternachtssnack dienen – lassen sich sehen. Die Organisatoren achten ausserdem darauf, regionale Betriebe zu berücksichtigen.
11. Ein gar dankbares Publikum
Balalaika, Ska-Punk, türkische Strassenmusik? Egal, wer auf der Bühne steht. Getanzt wird immer. Das Publikum ist dankbar, lauscht mit. Auch wenn’s mal seltsam wird, wie etwa bei Trampeltier of Love letztes Jahr (zentralplus berichtete).
12. Allürenfreie Promis auf die Bühne gezaubert
Aber Stopp. Unrecht wollen wir der musikalischen Auswahl nicht tun. Denn Trampeltier of Love rund um Matto Kämpf mag zwar seltsam sein, aber auch verdammt gut. Und nicht nur die. Immer wieder gibt’s musikalische Trouvaillen zu hören. Und auch die Liste namhafter Künstler wird von Jahr zu Jahr länger. Stiller Has stand schon auf der Waldstockbühne, ebenso wie Bligg und Vera Kaa. Stahlberger tritt dieses Jahr auf.
13. Party, stopp! Film ab!
Es braucht Mut, den ganzen Festivalbetrieb allabendlich um 21.30 Uhr für eine Weile herunterzufahren, einen Teil des Geländes zu verdunkeln, die Musik abzuschalten und den Besuchern einen Film vorzusetzen. Doch die Rechnung geht auf. Vor der Leinwand ballt sich das Volk, ein Grossteil der Besucher schätzt die Open-Air-Kino-Sessions. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Filmauswahl meist stark ist.
14. «Mann über Bord» und andere leckere Drinks
Konzernplörre? Nicht doch. An jeder der fünf Bars ist die Getränkeauswahl eine andere. In der Cubabar gibt’s täglich ein lustiges Spezialbier. Auch die Drinkauswahl variiert jährlich und reicht von der Wodkamelone über den Not-Carajillo bis hin zu Shots mit verheissungsvollen Namen wie «Mann über Bord». Ist einem das zu abenteuerlich, kann man sich immer noch am Baarer Bier festhalten.
15. Für drei Tage die Sehnsucht aufholen
Die Pfadikarriere vor Jahren an den Nagel gehängt, doch hie und da noch immer ein Reissen nach diesem Gefühl von matschigem Boden, Holzbauten, unkomplizierter Gesellschaft und Bodenständigkeit? Das Waldstock ist der Ort, wo Nostalgiker die Sehnsucht aufholen. Dass sich hier insbesondere Noch- und Alt-Pfader tummeln, kommt nicht von ungefähr. Schon immer waren pfadfindernahe Menschen bei diesem Festival federführend.
16. Die grüne Fee im hübschen Glas
Allein der Besuch des Absinth-Wägelchens ist ein Erlebnis. Bedient und beraten vom gutgekleideten älteren Herrn, wird einem die grüne Fee schmackhaft gemacht. Serviert bekommt man sie vertrauensvoll im schicken Glas. «Ich wär einfach froh, wenn du’s mir nachher zurückbringen könntest», sagt er dann freundlich. Was man natürlich gerne tut.
17. Auf den Göppel, auf gehts!
Stundenlange Anreise? Gibt’s hier nicht. Von der Zivilisation aus ist man zu Fuss innert 15 Minuten auf Platz, die nächste Bushaltestelle ist nah, die Anfahrt aus den Talgemeinden selbst mit dem Dreigänger schnell.
18. Die Grösse macht’s
Das Waldstock hat’s über 20 Jahre geschafft, seine perfekte Grösse aufrechtzuhalten. Gross genug, um sich über mehrere Stunden vom gescheiterten Date zu verstecken, klein genug, um all die zu sehen, die man sehen will. Zwei Bühnen, fünf Bars, eine Leinwand, tolle Aussicht. Übersicht ist garantiert. Die Wartezeiten vor dem Damenklo sind meist aushaltbar. Und auch wer sich 8 Gin Tonics hinter die Binde gekippt hat, findet sein Zelt garantiert wieder.
19. Nie war abstürzen schöner
Es gibt keinen besseren Ort, um sich im Liebeskummer zu suhlen und langsam aber sicher zu versumpfen. Mit einem Mojito auf einem Strohballen schluchzen, während die Sonne langsam über Zug untergeht. Schultern, an denen man sich ausheulen kann, bevor einem der nächste Drink gereicht wird, gibt’s genug. Und sollte man sich ziemlich zum Affen machen, dann weiss man: Was am Waldstock passiert … macht später zumindest nur im Kanton Zug die Runde.
20. Wenn Schwermut auf Vorfreude trifft
Die Wehmut, mit der man nach einer durchzechten Nacht im ersten Morgengrauen sein Velo aufschliesst, nochmals hinauf schaut aufs Gelände und sich bereits aufs nächste Waldstock freut … Es sind diese Momente, welche dazu führen, dass man im kommenden Jahr ganz sicher wieder hier aufkreuzt.
Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.