Sinnfreie Verkehrsführung in der Stadt

Mysterium Zeughausgasse: 170 Meter Zuger Verkehrspolitik

Eng, enger, Zeughausgasse. (Bild: ios)

Wie sich die Zuger Innenstadt dem Besucher heute präsentiert, damit scheint niemand so recht zufrieden. An diversen Ecken der Stadt treffen verkehrsplanerische Überlegungen mit voller Wucht auf unverrückbare politische Partikularinteressen. Ein Musterbeispiel dafür ist die Zeughausgasse.

Je mehr Zeit man in der Zeughausgasse verbringt, desto weniger Sinn ergibt sie. Gerade mal 170 Meter lang ist das Strässchen, das vom Postplatz zur Ägeristrasse führt. Und praktisch bei jedem Meter tun sich neue Fragen auf.

Was gilt hier für ein Verkehrsregime? Was ist das Konzept? Weshalb sieht das aus wie eine Begegnungszone, ist aber eine 30er-Zone? Weshalb hat es auf den wenigen Metern so viele Parkplätze, wenn in unmittelbarer Nähe ein halbleeres Parkhaus steht? Wer hat hier eigentlich Vortritt? Und: Kommt das Velo da am Auto vorbei?

Pflasterstein-Schick und Suchverkehr

Die Gasse ist eng – eine Gasse halt. Von der Ägeristrasse her ist es eine Einbahnstrasse, Velos und Mofas können vom Postplatz her aber in die Gegenrichtung verkehren. Da in der Gasse auch einiges an Gewerbe angesiedelt ist, spaziert eine stattliche Anzahl Fussgänger durch sie hindurch.

Tatsache ist auch, dass es entlang der Gasse zahlreiche Parkplätze gibt. Ein guter Teil des Verkehrs in der Zeughausgasse ist Suchverkehr. Ein- und ausparkierende Autos sorgen somit für noch ein Quäntchen mehr Klaustrophobie-Stimmung.

Was ist das für eine schräge Gasse mit ebenso abgeschrägten Trottoirs, Pflasterstein-Schick und keinen erkennbaren Regeln?
Schauen wir sie uns zunächst einmal etwas genauer an. Das interaktive Bild zeigt fünf Problemfaktoren der Zeughausgasse auf:

Sanierung war Auslöser

Bei der Zeughausgasse handelt es sich, gemäss dem städtischen Reglement über Strassen und Wege, um eine Zufahrt. Sie ist eine Tempo-30-Zone. Nur: Weshalb sieht die Gasse aus wie eine typische Begegnungszone, wo Tempo 20 gilt und Fussgänger Vortritt hätten?

Um zu verstehen, was in der Zeughausgasse los ist, muss man das Rad der Zeit bis ins Jahr 2014 zurückdrehen. Damals begannen im Sommer Sanierungsarbeiten entlang der Strasse. Unter anderem wurden Wasser-, Gas- und Elektroleitungen saniert oder erweitert. Ab da begann der Ärger.

Stadtrat verwarf Begegnungszone

Die Sanierung sollte auch zu einer Umgestaltung der Gasse genutzt werden. Statt des Asphalts sollte die gesamte Oberfläche gepflastert werden. Die dadurch entstehenden Mehrkosten von 100'000 Franken sorgten bereits für erstes Nasenrümpfen.

«Die Signalisation einer Begegnungszone war geplant, ist aber aus politischen Gründen verworfen worden.»

Dieter Müller, Leiter Kommunikation der Stadt Zug

Wo der Hund aber wirklich begraben liegt: Die Zeughausgasse hätte nach ihrer Umgestaltung eine Begegnungszone werden sollen. So schlug es das Sicherheitsdepartement mittels Antrag vor. «Die Signalisation einer Begegnungszone war geplant, ist aber aus politischen Gründen verworfen worden», bestätigt Dieter Müller, Leiter Kommunikation der Stadt Zug.

Insbesondere das ansässige Gewerbe fürchtete, dass eine Begegnungszone sich negativ auf die Geschäfte auswirken könnte, wie die «Zuger Zeitung» damals berichtete.

Schliesslich lenkte der Stadtrat ein und verwarf die Idee einer Begegnungszone, trotz abgesenktem Randstein und Pflasterung, solle die Zeughausgasse eine 30er-Zone bleiben. «Der Stadtrat ist der Ansicht, dass Begegnungszonen auf Plätzen sinnvoll sein können. Auf der Zeughausgasse bleibt aber auch nach der Sanierung eine Fahrspur erkennbar», begründete Andreas Bossard, damaliger Vorsteher des Departements für Sicherheit, Umwelt und Soziales, den Entscheid. Es hätte dazu führen können, dass nicht alle Verkehrsteilnehmer die Zeughausgasse als Begegnungszone hätten erkennen können.

Parkhaus ist da, Parkplätze auch

So wurde die Zeughausgasse zu dem, was sie heute ist: Eine 30er-Zone, die aussieht wie eine Begegnungszone. Die Tempo-20-Frage müsse man in einigen Jahren nochmals aufgreifen, wenn der Postplatz umgestaltet werden würde, hiess es damals.

Nun, der Postplatz sieht heute anders aus als 2014. Seit 2018 steht da etwa ein stattliches Parkhaus. 100 öffentliche Parkplätze befinden sich darin. Dennoch bestehen in der kleinen Zeughausgasse eine stattliche Anzahl weiterer Parkplätze.

War da nicht noch etwas? «In Zusammenhang mit dem Bebauungsplan Post und dem neuen Parkhaus hätten Parkplätze aufgehoben werden müssen», erklärt Dieter Müller. Aber auch hier hiess es: «Dies war aus politischen Gründen nicht möglich.»

Ortsplanung könnte Veränderung bringen

Bleibt die Frage, wie die Stadt die Zeughausgasse heute einschätzt. «Begegnungen zwischen Velofahrenden, Autofahrenden und Fussgängern finden auf tiefem Geschwindigkeitsniveau statt. Ausweichen und Rücksicht nehmen müssen alle Verkehrsteilnehmenden gleichermassen. Dafür gibt es unter anderem das Handzeichen», sagt Müller.

Die nächste Chance, die Zeughausgasse nochmals auf Sinn und Zweckmässigkeit zu prüfen, liegt in der laufenden Ortsplanungsrevision. In diesem Rahmen werden die Strassen- und Wegnetze für den motorisierten Individualverkehr, die Velos und die Fussgänger überprüft beziehungsweise neu erarbeitet. «Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf das Zentrum der Stadt geworfen», sagt Müller.

Erste Erkenntnisse werden im Frühjahr 2021 einem Mitwirkungsprozess unterzogen. Das letzte Kapitel der Zeughausgasse ist also noch nicht geschrieben.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Kurt W
    Kurt W, 08.09.2020, 13:57 Uhr

    Östlich der Reuss und westlich der Saane fehlt leider jede verkehrspolitische Vernunft.

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