Kulinarische Antirassismus-Woche in Luzern

17 Mitarbeiter aus 9 Nationen: Buntes «Schiff» lebt die Vielfalt

Das Service-Team des Restaurants Schiff: (v.l.) Peter Winter, Lars Müller, Susanne Schnyder und Marco Wörz.

(Bild: Elia Saeed)

Das «Schiff» unter der Egg ist eines der buntesten Restaurants in Luzern. Welche Herausforderungen entstehen in einem solch multinationalen Team? Und wie geht man mit Vorurteilen um? Antworten anlässlich der internationalen Aktionswoche gegen Rassismus.

«Als Rassist wirst du in der Gastronomie keinen Erfolg haben – egal wo», sagt Peter Winter. Der Geschäftsleiter führt im Wirtshaus «Schiff» an der Reusspromenade 17 Mitarbeiter aus neun Nationen. Die bunte Crew stammt aus der Schweiz, Deutschland, Portugal, Spanien, Italien, Serbien, Ungarn und Eritrea. Winter selbst ist Österreicher und spricht aus über 25 Jahren Branchenerfahrung.

Unter dem Motto «Luzern isst vielfältig» hat die Stadt Luzern ihre Aktionswoche gegen Rassismus gestartet und arbeitet dabei erstmals mit fast 40 Luzerner Gastrobetrieben zusammen (zentralplus berichtete). Denn Restaurants leisten tagtäglich Integrationsarbeit. In der Schweizer Gastronomie könne man nie nur mit Einheimischen arbeiten, erklärt Winter. «Wir leben von der Vielfalt – nicht nur bei den Mitarbeitern, auch bei den Gästen.»

Während mit der Kundschaft häufig englisch kommuniziert wird, spricht das Team untereinander (schweizer)deutsch. Kommunikationshürden seien dabei selten und die Mitarbeiter relativ schnell integriert. Dafür sorgt auch eine klare Regel im Betrieb: Nur der Chef de Service spricht mit dem Küchenchef. Alle anderen haben diese Zwischenstation zu nutzen.

Fällt im Stress mal ein böses Wort, wird das erst nach Betriebsende besprochen. Nur einmal in 20 Jahren hat Winter erlebt, wie kulturelle Unterschiede zum Bruch führten. Dabei ging es um einen südländischen Servicemitarbeiter, der ein Problem damit hatte, dass eine Frau seine Vorgesetzte war. Daraufhin habe man sich von ihm getrennt.

Andere Nationen, anderer Umgang

In seinem Betrieb gebe es keinen Rassismus, erzählt Peter Winter. Dennoch räumt er ein: «Ich gehe mit Mitarbeitern unterschiedlicher Nationalität unterschiedlich um.» Als Beispiel nennt er die Kommunikation mit Deutschen und Schweizern. «Dem deutschen Mitarbeiter wird direkter gesagt, was zu tun ist. Da ist der Befehlston weniger schlimm». Bei Schweizern sei das anders, die Formulierung weicher, im Stil von «Ich würde das so und so machen». Wenn er die Art der Ansprache jeweils umdrehen würde, sagt Winter, wäre es für den Deutschen zu wenig klar und für den Schweizer viel zu hart.

«Man sollte Zeichen setzen, bevor es brennt.»

Peter Winter, Restaurant «Schiff»

Deshalb passt sich der Österreicher kommunikativ der jeweiligen Kultur an. Darüber hinaus legt er Wert darauf, dass die Mitarbeitenden gemeinsam essen. Dabei gebe es jeweils viel Austausch, was wiederum den Horizont erweitere. «Die Mitarbeiter erfahren so voneinander und von den jeweiligen Kulturen. Zum Beispiel, wenn jemand gerade einen besonderen Feiertag hat.» Dabei sei es im Team noch nie zu Konflikten aufgrund kultureller Unterschiede gekommen – im Gegensatz zur Arbeit mit den internationalen Gästen.

Der Geschäftsführer des Restaurant Schiff Peter Winter arbeitet seit Jahrzehnten in Luzern.

Der Geschäftsführer des Restaurants Schiff Peter Winter arbeitet seit Jahrzehnten in Luzern.

(Bild: Elia Saeed)

Verständnisvolle Vermittlung

Susanne Schnyder ist Servicemitarbeiterin im «Schiff», Schweizerin und sagt, dass sie bei ausländischen Gästen automatisch mehr Geduld aufbringe als bei Einheimischen. Das sei vor allem bei Asiaten nötig, da diese relativ ungeduldig seien und auch mal mit den Fingern schnipsen oder pfeifen würden, damit der «Service» schneller kommt. «Bei Asiaten geht es darum, dass man sie sofort spüren lässt, dass man sie bemerkt hat», erklärt Peter Winter dazu. Seine Aufgabe sei es, den Mitarbeitern solche Besonderheiten zu vermitteln, damit diese proaktiv und verständnisvoll reagieren können.

Dabei gehe es nicht darum, Vorurteile zu nähren, sondern auf kulturelle Hintergründe passend zu reagieren. «Deutsche haben es gerne, wenn man ein paar Worte mit ihnen wechselt, während es bei den Amerikanern relativ rassig gehen muss.» Dem Servicepersonal soll klar sein, wieso sich ein Gast so verhält, wie er es tut. Das mache die Arbeit leichter, vor allem in Stresssituationen.

Darüber hinaus versucht Winter, potenzielle Konflikte zu antizipieren. Zum Beispiel, indem er bei Indern wenn möglich einen Mann an den Tisch schickt, statt einer Frau. «Manche Inder können sehr herablassend sein, da Serviceleute in deren Kultur mehr wie austauschbare Bedienstete behandelt werden.»

Sprachliche Vorurteile

Für den Begriff «Rassismus» gibt es keine allgemein anerkannte Definition und daher keine Einigkeit, was offiziell als rassistisch gilt. Angenommen, ein dunkelhäutiger Servicemitarbeiter spricht einen Deutschschweizer Gast mit Mundart an. Antwortet der Gast daraufhin in einer Art Ausländerdeutsch mit breitem Schweizer Akzent, kommt das beim Betroffenen ziemlich schräg an. Für Peter Winter sind solche Vorkommnisse keine Form von Rassismus, weil der Gast in diesem Beispiel dabei helfen wolle, verstanden zu werden.

Im «Schiff» gab es unter seiner Leitung erst einen Dunkelhäutigen im Service – und mit ihm habe es nicht die geringsten Probleme gegeben. Auch, weil der Mitarbeiter stets gut gelaunt aufgetreten sei. «In der Gastronomie ist Freundlichkeit das Wichtigste und nicht die Hautfarbe oder der Dialekt.»

Da das «Schiff» von vielen ausländischen Touristen besucht wird, spricht das Servicepersonal asiatisch aussehende Gäste grundsätzlich englisch an – weil es nicht die Regel ist, dass sie Deutsch verstehen. Auch wenn es hin und wieder solche gibt, die es eben doch sprechen können.

Bis am 24. März wird in Luzern anlässlich der internationalen Aktionswoche gegen Rassismus die Vielfalt kulinarisch zelebriert.

Bis am 24. März wird in Luzern anlässlich der internationalen Aktionswoche gegen Rassismus die Vielfalt kulinarisch zelebriert.

(Bild: Elia Saeed )

Zeichen setzen

«Rassismus hat in meinen Augen in unserer heutigen Gesellschaft keinen Platz», sagt Peter Winter bestimmt. Deshalb hat er auch gerne zugesagt, als Gastro Luzern anfragte, bei der Aktionswoche mitzumachen. «Man sollte Zeichen setzen, bevor es brennt.» Um seinen Teil beizutragen, bietet das Restaurant ausnahmsweise einen Wochenhit an: Ricotta-Spinat-Ravioli an einer Béchamelsauce.

Das Konzept mit den Teigtaschen steht im Zusammenhang mit dem Motto «Luzern isst vielfältig», unter dem die Aktionswoche steht. Teigtaschen gibt es überall auf der Welt in unterschiedlichen Formen und mit verschiedensten Füllungen. Aber alle sind sie aussen weisslich und innen bunt – ähnlich wie viele hiesige Restaurants, bei denen der Service vorne meist europäisch geprägt ist, während sich dahinter in der Küche und Reinigung der restliche Globus widerspiegelt.

Untergegangenes Thema

In Luzern haben rund 40 Prozent der Gastronomieangestellten einen ausländischen Pass. Im «Schiff» sind es weit mehr als die Hälfte. Der Betrieb informiert seine Gäste via Internet, Menükarte und mit einem Infobogen der Stadt über die Aktionswoche gegen Rassismus. Servicemitarbeiter Lars Müller findet es gut, dass sein Arbeitgeber dabei mitmacht, ist sich aber nicht sicher, ob der Effort einen grossen Anklang findet, «weil ich nirgends etwas dazu gelesen oder gehört habe».

Susanne Schnyder wiederum will die Woche dazu nutzen, Rassismus im Team zu thematisieren. «Ich finde, dass dieses Thema sonst ein wenig untergeht.» Für sie als auch für Peter Winter ist jedoch klar, dass es in der Gastronomie allgemein ein grösseres Übel gibt als Rassismus – und zwar Sexismus. Dagegen gibt es aber keine internationale Aktionswoche und schon gar keine Teigtaschen.

Das Restaurant «Schiff» an der Reuss.

Das Restaurant «Schiff» an der Reuss.

(Bild: Elia Saeed )

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