Luzerner «Tschuttibildli» lancieren 6. Auflage

1500 Cristiano Ronaldos und das Ohr von Haris Seferovic

Der Basler Grafiker Stevie Fiedler designte die Schweizer Nati.

(Bild: pze)

Im Luzerner Neubad setzte sich am Freitag die Erfolgsgeschichte des «Tschuttiheftli» fort. Das Kunst-/Charity-/Fussball-Projekt ging mit neuen Künstlern in die nächste Runde. Zur Feier des Tages liessen sich gar bekannte Gesichter blicken.

Es riecht nach Gras im Luzerner Neubad. Nach Naturrasen, um genau zu sein: Im Pool des alten Luzerner Hallenbads wurde ein grüner Fussballteppich ausgerollt. Darauf abgebildet: Haris Seferovics Ohr. Doch dazu später.

Am Freitagabend war der Startschuss für die sechste «Tschuttiheftli»-Ausgabe. Die Einklebebilder aus Luzern stehen seit 2008 und der schweizerisch-österreichischen Europameisterschaft in Konkurrenz zum Branchenprimus Panini. Der Clou der «Tschuttibildli»: Die Porträts der Fussballer werden von Künstlern designt und ein Teil der Einnahmen fliesst an einen wohltätigen Zweck, namentlich an die Stiftung Terre des Hommes.

17 Millionen Abziehbilder gedruckt

Das Interesse am Event im Neubad ist beträchtlich. Der grosse Saal ist gut besucht, auch weil die vordersten drei Sitzreihen allesamt von den mitwirkenden Künstlern besetzt werden. Alles ist bereit für die Gala. Silvan Glanzmann, Präsident und Projektleiter des Vereins «Tschuttiheftli», steht an der Seite und bedient die Präsentation. Verstohlen schaut er nach oben und ruft kurz angebunden: «Bildli-Werfer – Kanone – alle bereit?» Ein kurzes Daumen-Hoch kommt als Bestätigung zurück, alle sind auf ihren Posten. Die Feier kann losgehen.

Vereinspräsident Silvan Glanzmann (links) am Event im Neubad.

Vereinspräsident Silvan Glanzmann (links) am Event im Neubad.

(Bild: pze)

Die Band Šuma Čovjek sorgt für Unterhaltung: Balkanmusik mit französischen, deutschen und serbokroatischen Texten. Zu Beginn lassen sie gleich zwei Songs ertönen und verbreiten damit lockere Feststimmung unter den Zuschauern.

«Ich bin im Camp Nou fast eingeschlafen.»

Nataha Agapova, Designerin des «Tschuttiheftli»

Die Moderation hält SRF-Sportmoderatorin Annette Fetscherin. Sie erwähnt zu Beginn einige Fakten: Fast 17 Millionen Bilder wurden in der zehnjährigen Geschichte gedruckt, das entspricht einer Fläche von 8,2 Fussballfeldern. Oder, noch geistreicher: Stapelt man die Bilder aufeinander, so entsteht ein Turm so hoch wie 1492 Cristiano Ronaldos (was 2672 Metern entspricht). 

Im Camp Nou eingeschlafen

Gestaltet wurde das neue Album von der russischen Grafikerin Nataha Agapova. Sie sei kein Fussball-Fan, sagt sie. Im Gegenteil: Agapova sagt, sie habe in ihrem Leben erst ein Fussballspiel live gesehen, und dann noch im Camp Nou, dem riesigen Fussballtempel des spanischen Top-Vereins FC Barcelona. «Ich bin fast eingeschlafen», sagt die Russin lachend. «Ich habe nichts verstanden!»

Der Liverpooler Stürmer Mohamed Salah als dicke Katze.

Der Liverpooler Stürmer Mohamed Salah als dicke Katze.

(Bild: pze)

Die Grafikerin hat das neue Sammelalbum ganz in Schwarz-Weiss gehalten, um farblich zu allen möglichen Designs zu passen. Speziell: Agapova hat zu Beginn des Albums den Anti-Rassismus-Passus der Fifa-Statuten abgedruckt. Graue Balken überdecken die Schrift, sodass sie schwer leserlich wird. «Ich bezweifle, dass die Fifa oder die russische Regierung wirklich an diese Zeilen glaubt», sagt Agapova, die ihr Büro in Moskau hat. Mit der grauen Schattierung wolle sie diese Zweifel sichtbar machen.

Expansion nach Deutschland und England

Siebeneinhalb Millionen selbstklebende Fussballerbilder wurden dieses Jahr gedruckt, die grösste Auflage seit dem Startschuss vor zehn Jahren. Vereinspräsident Glanzmann sagt, dass die grosse Auflage auch mit dem wachsenden Interesse im Ausland zu tun habe. «In Deutschland werden etwas mehr als die Hälfte verkauft», sagt er. Aber auch in England wachse eine kleine Anhängerschaft der Künstlerbilder heran. Der Export sei nicht immer einfach, auch weil die Schweiz nicht in der EU sei, so Glanzmann. «Doch für uns ist es dennoch ein Erfolg.»

«Man darf keinen Fehler machen.»

Stevie Fiedler, gestaltete die Schweizer Nationalmannschaft

Dass die Bilder bei den Sammlern immer besser ankommen, spürt man auch im Neubad. Die Gründe sind vielseitig, oft ist es der karitative Gedanke oder die kreativen Kunstwerke selbst. «Es ist viel besser als Panini», fasst es Sammler Oliver zusammen, «man merkt, hier sind Individuen dahinter. Es ist viel persönlicher, da macht das Sammeln mehr Spass.»

Die Schweiz in inoffiziellem Blau 

Zwar waren insgesamt 32 Kunstschaffende – ausgewählt aus über 500 Einsendungen – am Heft beteiligt, doch im Zentrum des Interesses stand einer: Stevie Fiedler. Der Basler wurde auserwählt, die Schweizer Nationalmannschaft darzustellen. Eineinhalb Monate habe er für die Darstellung aller 40 Spieler gebraucht, die Trainer Petkovic in der Qualifikation einsetzte. «Es gab einige lange Nächte, bis ich fertig war», sagt er.

So sieht Haris Seferovic's Porträt aus.

So sieht Haris Seferovic’s Porträt aus.

(Bild: pze)

Fiedlers Konzept bestand aus einem blauen Fussballfeld, auf das er mit einfachen Linien die Porträts zeichnete. «Blau ist für mich eine inoffizielle Landesfarbe der Schweiz», sagt er. Fiedler, selbst Fan des FC Basel, setzte auf gerade Striche. «Bis auf den Kragen, dort gibt es eine kleine Beugung», sagt er.

Ein riesiger Haris Seferovic

Die Idee hinter dem grafischen Konzept: Man soll die Konterfeie der Schweizer Natistars auf echte Fussballrasen zeichnen können. Gesagt, getan: Der 40-Jährige malte den Luzerner Stürmer Haris Seferovic auf den Fussballplatz in dessen Heimat Sursee. Mithilfe von Luftaufnahmen von Drohnen zeichnete der Grafiker sein Seferovic-Porträt mit dem Markierwagen auf das Grün.

«Bei der Feldmarkierung gibt es kein Zurück. Man darf keinen Fehler machen», sagt Fiedler. Dazu kam, dass die Drohnen, die ihm per Live-Übertragung stets einen Überblick über seine Zeichnung gaben, nur 15 Minuten in der Luft bleiben konnten, bis die Batterie leer war. «Es gab einige Schwierigkeiten», sagt Fiedler. Doch das Endergebnis lässt sich sehen (siehe Video). Heute ist vom grossen Kunstwerk nur das Ohr geblieben, das jetzt im Neubad als Teppich herhalten muss.

Ein riesiger Haris Seferovic entsteht:

Der «Mann aus Sursee», wie Seferovic inzwischen überall genannt wird, bedankte sich bei Fiedler persönlich per Videobotschaft.

Die Engländer in 3D

Doch auch andere Künstler haben viel Zeit investiert. Neil Stubbings stellte «seine» Engländer mit einer speziellen 3D-Technik dar. Zu Beginn habe das Konzept nur aus ganz wenigen, wulstartigen Formen bestanden, sagt der 39-jährige England-Schweizer. Die Technik sei angelehnt an die von Comic-Zeichnern. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich ausgewählt werde», sagt er lachend. Doch mit dem positiven Bescheid kam das Tüfteln und so wurde seine Technik immer komplexer. Jetzt erinnert nur noch die Nase an Zeichentrick-Figuren.

Ausgestellt ist im Neubad Englands Stürmerstar Harry Kane. «Ich wollte bei allen Spielern ein besonderes Merkmal finden», sagt Stubbings. Bei Kane war es der blonde Bart. «Den gab es sonst so im Team nicht zu finden, also wurde es zu seinem Markenzeichen.» Die Engländer waren Stubbings Wunsch-Los. Der Fussballfan unterstützt am Turnier die Three Lions. «Ich glaube an sie», sagt er mit einem Schmunzeln. Ihm dürfte die Hymne «Three Lions ’98» von Baddiel, Skinner & Lightning im Kopf rumschwirren.

 

Tschuttibildli regnen vom Himmel

Die Gala neigt sich dem Ende zu. Es wird per Video ein Countdown abgespielt, heruntergezählt von Haris Seferovic, FCL-Stürmer Tomi Juric, der US-Fussballlegende Alexis Lalas und den beiden Ex-FCL-Spielern Jerôme Thiesson und Remo Freuler. Als er endet, regnet es auf einmal Tschuttibildli vom Himmel – die Werfer waren also auf ihren Posten. Die Fötzeli-Kanonen knallen durch den Pool, die Band gibt noch einmal alles. Die Sammelsaison ist offiziell eröffnet.

Noch mehr Impressionen in der Bildstrecke:

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