Fabrik in Dagmersellen

10 Milliarden Zigis pro Jahr

In der Fabrik von «Japan Tobacco International»: Tabak auf dem Fliessband in Dagmersellen. (Bild: bra)

Camel, Winston und viele andere: Der internationale Konzern «Japan Tobacco International» verarbeitet in Dagmersellen tausende Tonnen Tabak. Unter den Zigaretten befinden sich auch besonders starke Stücke. Warum? Sie müssen nicht den Vorschriften der EU entsprechen. Ein eindrücklicher Rundgang durch die Produktionshallen.

Die unauffälligen Fabrikhallen sind nicht weit vom Bahnhof, im Luzernischen Dagmersellen. Was drinnen passiert, ist erstaunlich. Hier produziert die Firma Japan Tobacco International (JTI) rund 30’000 Zigaretten pro Minute. Der Konzern ist die Nummer drei im weltweiten Tabakgeschäft. In Dagmersellen wurden letztes Jahr 5’780 Tonnen Tabak verarbeitet. Und 9,9 Milliarden Zigaretten verliessen die Fliessbänder, die meisten mit dem Namen «Camel» und «Winston». 

An der Barriere begrüsst ein Mitarbeiter der «Securitas AG» die Besucher. Sicherheit wird gross geschrieben. Er verlangt einen Ausweis – Fotos sind ohne Genehmigung nicht erlaubt – und stellt eine elektronische Zutrittskarte aus. Dann geht es vorbei an den Camions zum Verwaltungsgebäude mit markanter Glasfassade. «Willkommen bei JTI», begrüssen die Kommunikationsverantwortliche und der Produktionsleiter freundlich. 

Braune Bäche aus Tabak

«Rund 80 Prozent der hier in Dagmersellen produzierten Zigaretten werden in die Welt exportiert», sagt Sprecherin Natasja Sommer. Nach Europa, Asien, Afrika. Der Boden ist markiert und die gelben Linien bestimmen den schmalen Pfad für Fussgänger. Die Fahrzeuge, die hier entlang fahren, sind teils vollautomatische, unbemannte Gabelstapler. Sie haben Vortritt. Es riecht intensiv und angenehm nach trockenem Heu.

Das ganze Gelände in Dagmersellen misst ungefähr 40’000 Quadratmeter. In der ersten grossen Halle wird der Rohtabak in grossen Kartons begutachtet. «Es ist gut möglich, dass ein kleiner Teil darin auch aus Dagmersellen stammt», sagt Sommer. Es sind drei Sorten, das Meiste davon stammt aus Brasilien, den USA und Asien. Der Schweizer Anteil an der Rohware betrage ungefähr fünf Prozent. 

«Was genau hier drin ist, wissen wir nicht»

Marc Flückiger, Produktionsleiter JTI

In der zweiten Halle geht der Blick zuerst nach oben. Auf unzähligen Förderbändern fahren braune Bäche aus Tabak rauf und runter. «Zuerst wird er angefeuchtet», sagt Produktionsleiter Marc Flückiger. Das geschieht in einer Trommel, die etwa so gross ist wie ein Lastwagen. Danach wird der Feinschnitt gemacht. Der Tabak fliesst weiter durch Räume und Wände.

Rezepte bleiben ein Geheimnis

Schön präsentiert steht ein Gestell vor einem Fliessband: Kleine Glasfläschchen mit Flüssigkeiten, verschieden farbig und mit mehrstelligen Nummern versehen. «Was genau hier drin ist, wissen wir nicht», sagt Flückiger. Die Rezepte stammen aus Japan und sind geheim. Es sind Aromen, die jeder der hier produzierten 31 Zigarettensorten beigemischt werden. Das eine Fläschchen duftet nach etwas Ähnlichem wie Kakao, das andere eher nach Whisky.

Danach gibt es Ohrenschützer gegen das laute Rattern. Hinter einer Glaswand sieht man einen endlosen weissen Strahl. «Die Zigaretten werden an einem Stück hergestellt und anschliessend geschnitten», sagt Produktionsleiter Flückiger. Die Filter kommen dazwischen. 594’000 Kilometer Zigarettenpapier wurden im letzten Jahr gebraucht. Das reicht ungefähr 15 Mal um den Erdball. Es geht weiter zu den Verpackungsmaschinen.

Bei dem was hier geschieht, kommt das Auge nicht nach. «Diese Maschine hier schafft 12’000 Zigaretten pro Minute.» Und die zwei weiter hinten sogar 20’000. Es wird Tag und Nacht gearbeitet, in drei Schichten. «Wir produzieren momentan 40 bis 45 Millionen Zigaretten pro Tag,» sagt Flückiger. 

«Starker Tobak» als Standortvorteil

Rund 300 Mitarbeiter sind hier am Standort Dagmersellen beschäftigt. Warum produziert ein internationaler Konzern gerade hier in der Schweiz? Wo die Produktionskosten teuer sind? «JTI ist seit 45 Jahren in Dagmersellen», sagt Flückiger. «Wir haben innerhalb des Konzerns eine Vorbildfunktion.» Das bedeutet: Vieles was an Ideen, Prozessoptimierungen und -innovationen entwickelt wird, kommt aus Dagmersellen und wird anschliessend auch in anderen Produktionsstätten angewandt.

Allerdings wird ein wichtiger Wettbewerbsvorteil der Schweiz eher nebenbei erwähnt: Nämlich, dass man von hier aus besonders starke Zigaretten exportieren darf. Gewisse Produkte müssen nicht den Vorschriften der EU entsprechen. Die Eidgenossen exportieren dementsprechend viel «starken Tobak» mit über 10 Milligramm Teer, 1 mg Nikotin 10 mg Kohlenmonoxid; zum Beispiel in den Mittleren und Nahen Osten. «35 Prozent vom Exportanteil sind starke Zigaretten», erklärt Sprecherin Natasja Sommer.

Wird viel geraucht?

Zum Schluss noch ein Abstecher in die Logistikhallen: Die fertigen Zigaretten werden automatisch aus den haushohen Regalen gefahren. Fast ohne menschliches Zutun verladen Roboter die Kartons in die Lastwagen. Damit alles gezählt ist – und auch damit nichts weggkommt – ist alles elektronisch erfasst. «Diebstahl würde auffallen», sagt der Produktionsleiter. 

Ein interessanter Rundgang geht langsam zu Ende. «Nun haben wir uns eine Pause verdient», sagt Flückiger. Er ist Raucher. «Kein starker», wie er betont. Und in der Belegschaft seien nicht mehr Mitarbeiter dem blauen Dunst verfallen als anderswo. Die Raucherzone misst durchschnittliche 50 Quadratmeter – für die Anzahl Mitarbeiter ist das nicht allzu gross. Und Stummelberge in den Aschenbechern sucht man vergebens.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von CAndersson
    CAndersson, 10.12.2014, 20:14 Uhr

    Fairerweise müsste man einräumen, dass die Arbeitsplätze, die mit der Herstellung von Zigaretten in Verbindung stehen, für viele doch gar nicht als Segen zu verstehen sind. Siehe dazu z.B. unfairtobacco.org, alles auf Deutsch.

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  • Profilfoto von P_Bucher
    P_Bucher, 10.12.2014, 15:34 Uhr

    Wenn man das statistisch hochrechnet verursachen die an einem Tag produzierten Zigaretten 20 – 30 Lungenkrebstote. Andere Gesundheitsschäden und Kosten nicht berechnet. Zum Glück können wir 80% dieser Toten exportieren. Würde man Kalaschnikows für Afrika produzieren hätte es wohl weniger Tote zur Folge. Aber Hauptsache es rentiert und gibt Arbeitsplätze.

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