Traurige Bilanz anlässlich des Frauenstimmrecht-Jubiläums

1. August: So viele Luzernerinnen stehen am Rednerpult

GLP-Kantonsrätin Claudia Huser hätte sich über zahlreiche Rednerinnen gefreut. (Bild: zvg)

Auf dem Rütli feiern am 1. August rund 600 Frauen den Geburtstag der Schweiz – um gemeinsam auf 50 Jahre Frauenstimmrecht anzustossen. Auch in Luzern wurden die Gemeinden dazu aufgefordert, Frauen als Rednerinnen aufzustellen. Die Bilanz sieht dürftig aus. Mit gutem Beispiel voran geht Vitznau.

Das Rütli gehört am 1. August den Frauen: Die Wiege der Schweiz wird zum ersten Mal komplett in Frauenhand sein. Und das aus einem besonderen Grund: Vor 50 Jahren sagten die Schweizer Männer «Ja» zum Frauenstimmrecht. «Diese Einführung der eigentlichen Demokratie zelebrieren wir nun», schreibt Alliance F, die Interessenvertretung für Frauen in der Politik.

So werden die Bundesrätinnen Simonetta Sommaruga und Viola Amherd am 1. August am Frauenrütli teilnehmen. Und Karin Keller-Sutter zmörgelet an einem Bauernbrunch im Kanton Luzern.

Viele 1.-August-Feiern wegen Corona abgeblasen

Doch wie Alliance F forderte, soll sich das Frauenrütli auf das ganze Land ausweiten. So forderten sie alle 2'202 Gemeinden in der Schweiz auf, am 1. August Frauen als Rednerinnen aufzustellen. Auf diese Weise sollen die Gemeinden den demokratischen Errungenschaften der Schweiz Respekt zollen.

Viele feministische Reden wird es heuer im Kanton Luzern jedoch nicht geben. Das liegt aber auch daran, dass vielerorts im Kanton Luzern die Gemeinden ihre 1.-August-Feiern wegen Corona von der Agenda gestrichen haben. So in Luzern, Emmen und Horw. In Kriens wird zum Brunch geladen, in Sursee gibt's einen «coronakonformen 1.-August-Gruess».

In Vitznau feiert Claudia Huser 50 Jahre «echte Demokratie»

Neben Wurst und Bier gibt's aber auch ein paar Festreden. Diejenige in Vitznau ist in Frauenhand: Claudia Huser, GLP-Kantonsrätin und Vizepräsidentin des Vereins «50 Jahre Frauenstimmrecht Luzern» wird mit den Vitznauerinnen auf «50 Jahre echte Demokratie» anstossen. Ihre Rede widmet sie voll und ganz dem Frauenstimmrecht, wie Huser auf Anfrage sagt.

Die heute 40-Jährige realisierte erst vor sechs Jahren so richtig, dass sie als junge Frau im Kantonsparlament sitzt, zusammen mit anderen Frauen – denen es mit 18 Jahren verwehrt war, abstimmen zu dürfen. Eine von ihnen war Irene Keller, die 21 Jahre alt war, als das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Irene Keller wurde selbst 16 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts 1987 in den Gemeinderat von Vitznau gewählt – als erste Frau. Irene Keller – heute Luzerner FDP-Kantonsrätin – war es auch, die der Gemeinde Vitznau den nötigen Impuls gab, anlässlich des Frauenstimmrecht-Jubiläums eine Frau als Rednerin aufzustellen.

Claudia Huser, Luzerner GLP-Kantonsrätin. (Bild: zvg)

Den Frauen Raum geben

Die Vitznauer Gemeinderätin Monika Camenzind hat die 1.-August-Feier organisiert. Ursprünglich war geplant, einen Arzt einzuladen, der die Rede bereits letztes Jahr hätte halten sollen, wäre die Feier damals nicht coronabedingt ins Wasser gefallen.

Es hat sich dann aber nicht ergeben – und just in diesem Moment hat sich Irene Keller eingeschaltet. «In einer E-Mail machte sie mich darauf aufmerksam, dass wir 2021 50 Jahre Frauenstimmrecht feiern. Und dass die Gemeinde bei der Auswahl der Rednerin darauf Rücksicht nehmen könnten.»

Und so kam es, dass sich der Gemeinderat Vitznau für GLP-Kantonsrätin Claudia Huser entschied. «Über ihre Zusage sind wir nun sehr glücklich», sagt Monika Camenzind. «Zum einen freut es mich sehr, dass sich unser Gemeinderat sofort auf dieses Thema eingelassen hat, zum andern ist es ein Thema, das nach wie vor aktuell ist», so Monika Camenzind. Punkto Frauenförderung in der Politik könnte wohl noch einiges getan werden.

Auch in Beromünster steht eine Frau am Rednerpult

Auch in Beromünster hält eine Frau die Festrede: Nämlich Gertrud Galliker-Tönz, die im März für die Grünen im Luzerner Kantonsrat nachgerückt ist. Genau das war auch der Grund, warum die Gemeinde sie angefragt hat, sagt Gemeinderat Hanspeter Lang. «Das Jubiläum 50 Jahre Frauenstimmrecht war jedoch nicht ausschlaggebend dafür, dass eine Frau die 1.-August-Festrede hält.» Wie er ausführt, sei die Gemeinde aber darauf bedacht, bei den Festreden für Abwechslung zu sorgen – was Alter und Geschlecht betrifft, aber auch die Funktion – also ob Politikerin oder Nicht-Politikerin.

Galliker-Tönz (66) sagt auf Anfrage, dass sie in ihrer Rede das Thema «Frau sein» zwar ansprechen, das Frauenstimmrecht-Jubiläum jedoch nicht zum Hauptthema machen wird. «Vielmehr wird es in meiner Rede zum Thema ‹Hebed Sorg› gehen – zu diesen speziellen Zeiten will ich zumindest kurz auch auf das Thema Pandemie zu sprechen kommen.»

Gertrud Galliker-Tönz aus Beromünster sitzt seit März im Luzerner Kantonsparlament. (Bild: zvg)

Auch in Malters wäre eine Frau am Rednerpult der 1.-August-Feier gestanden. Nämlich GLP-Kantonsrätin Riccarda Schaller. Am Donnerstag hat die Gemeinde jedoch entschieden, die Bundesfeier wetterbedingt abzusagen.

Trotz allem: Allen Grund zu feiern

Claudia Huser kann ihre Enttäuschung nicht ganz verbergen. Es sei eine «verpasste Chance». «Es hätte mich gefreut, wenn wir heuer am 1. August nicht nur den Geburtstag der Schweiz, sondern auch ein halbes Jahrhundert Frauenstimmrecht feiern», sagt die Vize-Präsident des Vereins «50 Jahre Frauenstimmrecht Luzern». «Es wäre ein schöner Moment gewesen, Frauen eine Plattform zu geben und unsere Vorkämpferinnen und Vorkämpfer von damals, die eine Mammutleistung vollbracht haben, gebührend zu feiern.»

Eigentlich sind 50 Jahre Frauenstimmrecht kein Grund zu feiern, heisst es oftmals. Man könne sich ja nicht damit brüsken, dass Frauen erst seit 50 Jahren politisch mitwirken dürfen, heisst es seitens Feministinnen (zentralplus berichtete). Auch Claudia Huser hat lange überlegt. Sehr lange. «Heute sage ich voller Überzeugung: Ja, das ist ein Grund zum Feiern.» Es sei der Zeitpunkt, an dem die echte Demokratie Realität wurde.

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