Erich Langjahrs neuer Film

Zuger Filmer ist Paracelsus auf den Fersen

Pirmin Meier zitiert Paracelsus zum Johanniskraut. Szene aus dem Dokumentarfilm «Paracelsus – Ein Landschaftsessay». (Bild: Langjahr Film)

Während der Covid-Epidemie hatten es Filme aus der Zentralschweiz schwer, ihr Publikum zu erreichen. Mit «Paracelsus – ein Landschaftsessay» kommt Mitte April endlich wieder eine lokale kulturelle Produktion in die Kinos. Lies hier, warum du dir einen Termin für den Kinobesuch reservieren solltest.

Er war der Wegbereiter der modernen Homöopathie, Psychosomatik oder Spagyrik: Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus (1492–1541). Über den berühmten Arzt, Naturforscher und Alchemisten gibt’s kistenweise Bücher und seit 1916 werden auch immer wieder Filme über ihn gedreht.

Der Dokumentarfilmer Erich Langjahr aus Root und der Schriftsteller Pirmin Meier aus Beromünster legen nun eine filmische Arbeit über Paracelsus vor, die wenig mit jenen Dokumentationen zu tun hat, die jede Fernsehanstalt, die etwas auf sich hält, schon einmal über den Renaissance-Arzt verfasst hat. Oft sind dies Doku-Soaps oder gepflegte, aber einfache Formen von Edutainment, welche das Leben und Werk des Paracelsus abbilden.

Poesie statt nüchterne Fakten

«Paracelsus – ein Landschaftsessay» indes ist ein etwas wunderliches Kleinod, «das Einblick in eine vielfach versunkene Welt von Vergessenem und Unbekanntem» vermittelt, wie es im Presseheft zum Dokumentarfilm heisst. Es will nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch poetische Zwischenwelten erlebbar machen. Das passende Paracelsus-Zitat dazu lautet: «Dem Auge ist nicht nur das Sehen anvertraut, sondern auch das Empfinden.»

«Es ist ein typischer Langjahr-Film», sagt Pirmin Meier bei einer Visionierung des Films im Luzerner Kino Bourbaki und zitiert den Regisseur Federico Fellini, der sagte: «Ich drehe immer denselben Film.» Nein, der Film baue vollständig auf Meiers Paracelsus-Biografie auf, hält Langjahr dagegen und fragt: «Wie sonst könnte man einen Film über einen Paracelsus machen?»

Eigenartiges Bild von Theophrastus Bombastus

Was das interessierte Publikum ab Ostern auf den Kinoleinwänden zu sehen bekommt, wäre aber weder ohne den einen noch den andern denkbar. Langjahr, der Sänger der Heimat, steuert seine mystischen Aufnahmen aus dem Alpenraum, die filmische Lyrik und seine bewährten Stilmittel bei. Meier, der historiografische Schriftsteller und originelle Denker, rezitiert und referiert vor der Kamera und entführt die Zuschauer in die Welt des Kulturkatholizismus.

Das Resultat ist eine Interpretation, die ohne genaue Kenntnisse von Meiers 469-seitiger Biografie ein schwer fassbares Bild von Paracelsus vermittelt, den Meier als «alpinen Propheten» betrachtet. Doch gleichzeitig eröffnet sie einen faszinierenden Kosmos. Langjahr und Meier mischen Sagenhaftes, Spirituelles und Geschichtliches und finden dazu viele Drehorte in der Innerschweiz.

Paracelsus' Leben in Kürze

Theophrastus Bombastus Aureolus, Philippus von Hohenheim wurde 1493 oder 1494 in Steg bei Einsiedeln geboren. Seine Mutter war eine Hörige des Klosters Einsiedeln, sein Vater ein unehelicher Sohn eines Adeligen aus der Nähe von Stuttgart. Nach dem frühen Tod der Mutter zügelte sein Vater, der Arzt und Metallurg war, mit dem Knaben nach Kärnten.

Theophrast trat in die Fussstapfen seines Vaters, studierte in Italien und liess sich als Arzt in Salzburg nieder. Von dort musste er fliehen, weil er aufständische Bauern unterstützte. Später wurde er Professor in Basel, bekam auch dort Ärger und trat ein Wanderleben an. Paracelsus nannte er sich selbst, publizierte meist auf Deutsch, hegte Sympathien für die Reformation und betätigte sich nicht nur als Arzt und Heiler, sondern auch als Alchimist, Theologe, Philosoph und Astrologe.

Die Verwendung von anorganischen Verbindungen als Heilmittel und eine ganzheitliche Betrachtung von Medizin sind von ihm geblieben. Bekanntestes Zitat: «Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.»

Paracelsus starb 1541 in Salzburg, sein Körper war voll von Quecksilber aus Selbstversuchen. Das giftige Metall fand damals im Bergbau Verwendung, wurde aber auch zur Bekämpfung der Sexualkrankheit Syphilis eingesetzt. Übrigens: Das Kloster Einsiedeln forderte nach Paracelsus Tod eine Erbschaftssteuer für ihren Leibeigenen ein.

Spurensuche in der Nachbarschaft

Mehr noch: Der gebürtige Zuger Langjahr, der auch das Buch zum Dokumentarfilm über Paracelsus verfasst hat, und der Aargauer Meier setzen viele Schwerpunkte des Filmessays im Kanton Luzern, wo beide seit Jahrzehnten leben. Die alchemistische Hinwendung zu Gold wird anhand eines Goldwasch-Workshops im Napf erklärt, die Symbole des Alchemismus anhand des Bilderhimmels in der Kapelle Hergiswald, Humanismus mit der Buchdruckerei im Schloss Beromünster, Homöopathie mit der Sammlung eines Michelsämter Landarztes – und ein Geisterhaus hat Langjahr im Seetal gefunden.

Erich Langjahr (links) mit Pirmin Meier im Foyer des Kino Bourbaki in Luzern. (Bild: Markus Mathis)

Zur Beobachtung einer Sonnenfinsternis, welche Paracelsus im Jahre 1531 zu einer Prophezeiung bewegte, die auf den Tod des Reformators Huldrych Zwingli hindeutete, zeigt der Regisseur die Dorfgemeinschaft von Root, wie sie im Jahr 2018 aufs Michaelskreuz pilgert, um eine Verfinsterung eines Himmelskörpers zu verfolgen.

Vieles im Dokumentarfilm ist im Bewusstsein moderner Menschen nicht mehr gegenwärtig. Den Einbruch der Moderne zeigt Langjahr in seinen Filmen oft metaphorisch durch Lärm – und durch Verkehr. So sieht man Pirmin Meier in Wolhusen-Markt neben einem Bildstöckli stehen und über die Pest sprechen, obwohl ihm der vor ihm dahinbrausende Verkehr über die Hauptstrasse ins Entlebuch dauernd das Wort abschneidet.

Das Goldene Tor beim Flughafen

Eine andere grandiose Szene, in der Verkehrsmittel eine Rolle spielen: Paracelsus hat sich in einer alchemistischen Schrift mit Elementarwesen befasst, die im Wasser leben – in einer Menschen unzugänglichen Welt. Langjahr setzt nun Meier vor den sagenumwobenen Teich zum Goldenen Tor, wo dieser dann über Nymphen spricht, während der Lärm einer nahen Strasse das Idyll stört. Der Teich liegt unmittelbar beim Flughafen Kloten, der als moderndes Tor zu andern Welten ebenfalls in Szene gesetzt wird.

Mehr Bilder aus dem Paracelsus-Film:

Langjahrs Filmessay ist eine jener kulturellen Produktionen, die wegen der Covid-Pandemie verspätet ihr Publikum erreicht. Gedreht wurde hauptsächlich 2018 und 2019, die Weltpremiere hatte der Streifen am letztjährigen Zurich Film Festival, an dem Sharon Stone Hauptpreisträgerin und Stargast war (zentralplus berichtete).

Das Festival hat sich zwar vom seichten Society-Anlass zu einem ernstzunehmenden Filmereignis mit eigenem Dokumentar-Wettbewerb entwickelt. Dennoch fragt man sich unwillkürlich, welchen Eindruck «Paracelsus – ein Filmessay» wohl auf die Zürcher gemacht haben mag. Der Film ist durch Meiers Gedankenwelt massiv katholisch geprägt. Wer sich aber darauf einlässt, lernt vieles – unter anderem über die Genderfrage: Oder wusstest Du, dass der Heilige Geist am Anfang als Frau dargestellt wurde?

Langjahr, Meier und Co. – das sind die Macher des Filmessays

Erich Langjahr, 1944 in Baar geboren, ist seit genau 50 Jahren selbständiger Filmschaffender. Für sein Oeuvre wurde Langjahr 2002 mit dem Innerschweizer Kulturpreis geehrt. Für «Hirtenreise ins dritte Jahrtausend» erhielt er 2003 den Schweizer Filmpreis. Sein 2019 veröffentlichter Film, «Rössli, die Seele eines Dorfes» spielt in Root. Dort lebt Langjahr zusammen mit Silvia Haselbeck, welche auch für den Paracelsus-Film wieder die Tonaufnahmen gemacht hat.

Pirmin Meier, geboren 1947 in Würenlingen, war über 30 Jahre lang Lehrer an der Kantonsschule Beromünster, betätigte sich aber immer auch als Autor. Seine Paracelsus-Biografie erschien bereits 1993 und wurde vielfach neu aufgelegt. 2016 verfasste er zusammen mit dem Zuger Alt-Nationalrat und Historiker Josef Lang ein Buch über den Katholizismus: «Kulturkampf. Die Schweiz des 19. Jahrhunderts im Spiegel von heute.» Beim Filmessay über Paracelsus ebenfalls seine Finger im Spiel hatte der Basler Drummer und Klangkünstler Fritz Hauser, welcher den Soundtrack beisteuerte.

Verwendete Quellen
  • Pressevisionierung im Kino Bourbaki
  • Gespräch mit Erich Langjahr und Pirmin Meier
  • Literaturecherche und Presseheft zum Film
  • Vertiefte Kenntnis von Langjahrs Schaffen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


2 Kommentare
  • Profilfoto von M. Hug
    M. Hug, 07.03.2022, 16:59 Uhr

    Vermisse ein Foto von Erich Langjahr.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Mark Mathis
      Mark Mathis, 08.03.2022, 09:08 Uhr

      Wurde nachträglich ergänzt. Vielen Dank für den Input.

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon