Weniger Beton, aber nicht so

Luzerner Stadtrat lehnt Stadtklima-Initiative ab

Mitglieder der Grünen und Jungen Grünen bei der Einreichung der Unterschriften im Luzerner Stadthaus. (Bild: zvg)

Weniger versiegelte Flächen, mehr Biodiversität und Grünflächen: Der Luzerner Stadtrat teilt das Grundanliegen der Stadtklima-Initiative. Eine Forderung der Grünen geht ihm aber zu weit. Er präsentiert deshalb einen Gegenvorschlag und bereits konkrete Ideen, welche Parkplätze entsiegelt werden könnten – doch das geht ins Geld. Die Initianten sind zugleich erfreut und enttäuscht.

Je stärker die Stadt verbaut wird, umso heisser wird es an Hitzetagen. Deshalb brauche es mehr unversiegelte Flächen und Grünräume. Dieser Überzeugung ist ein Komitee aus Kreisen der Grünen und Jungen Grünen in Luzern, das vor einem Jahr die sogenannte Stadtklima-Initiative eingereicht hat.

Sie verlangt Massnahmen zum Schutz von Grünflächen und der Biodiversität. Welcher Art, das lässt sie offen. Bei Bauprojekten dürften zukünftig nur noch Flächen versiegelt werden, wo es unbedingt nötig ist. Ganz klar ist die Initiative in einem Punkt: Spätestens zwei Jahre nach der Annahme darf die versiegelte Fläche auf dem Stadtgebiet nicht weiter ansteigen.

Dieser «Versiegelungsstopp» geht dem Stadtrat zu weit, wie er am Dienstag darlegte. Denn aus raumplanerischer Sicht lautet das Credo: innere Verdichtung. Baulücken werden geschlossen und verbliebene Flächen überbaut. Das verursacht laut dem Stadtrat bereits heute ein Ringen. «Ein absoluter Versiegelungsstopp würde die Interessenkonflikte deutlich akzentuieren und den Handlungsspielraum im Einzelfall zu stark einschränken.» 

Grosse Projekte wie Rösslimatt würden erschwert

Zwar lässt die Initiative eine wichtige Hintertür offen: Wo Boden verbaut wird, kann dies über eine Dach- oder Fassadenbegrünung kompensiert werden. Aber in luftiger Höhe zeigt sich laut dem Stadtrat dasselbe (Platz-)Problem wie am Boden. Die Dächer sollten gleichzeitig auch als Aufenthaltsort, für die Sonnenenergie oder das Sammeln von Regenwasser dienen – alles geht aber nicht unter einen Hut.

«Die Initiative rennt einige halb offene Türen ein.»

Adrian Borgula, Stadtrat

Kommt hinzu, dass der geforderte Abtausch grössere Bauprojekte erschweren könnte. Als Beispiele nennt der Stadtrat das EWL-Areal oder das Gebiet Rösslimatt. Dort ist heute ein grosser Teil der Flächen unversiegelt – das müsste bei einer Überbauung kompensiert werden. Die nötigen Flächen dürften auf dem Stadtgebiet aber kaum verfügbar sein, meint der Stadtrat. «Das wäre auch rechtlich und verfahrenstechnisch sehr anspruchsvoll», sagte Gregor Schmid, Leiter der Dienstabteilung Umweltschutz am Dienstag an einer Medienorientierung.

Was ist ein versiegelter Boden?

Als versiegelt gilt ein Boden, wenn das Regenwasser aufgrund der Bebauung nicht mehr versickern kann. Das beeinflusst den natürlichen Wasserkreislauf, was unter anderem den Hitzestress in den Städten erhöht. In der Stadtplanung gilt die sogenannte Schwammstadt als ideales Gegensteuer: Ziel ist es, das Regenwasser dort zwischenzuspeichern, wo es fällt.

Der Stadtrat möchte die personellen Ressourcen aber lieber in konkrete Aufwertungsprojekte investieren statt in solche Abklärungen. Aus diesen Gründen lehnt er die Initiative ab.

So sieht der Gegenvorschlag aus

Der Stadtrat teilt allerdings grundsätzlich die Stossrichtung der Initianten: «Die Initiative rennt einige halb offene Türen ein», sagte Umweltdirektor Adrian Borgula (Grüne) am Dienstagmorgen. Die Forderungen seien wichtig und berechtigt – und schon heute teilweise erfüllt.

Denn die Stadt hat in der Vergangenheit bereits dahin gehende Beschlüsse gefällt: Etwa mit der Klimaanpassungsstrategie im Herbst 2019 oder mit dem Entscheid, das Grünstadt-Label anzustreben. Ebenso hat sie vereinzelt Orte von Asphalt befreit, beispielsweise im Geissmattpark, wo kürzlich drei Parkplätze aufgehoben wurden.

Adrian Borgula (links) und Gregor Schmid informieren über die Stadtklima-Initiative. (Bild: jal)

Nun will der Stadtrat noch einen Schritt weitergehen und unterbreitet dem Parlament einen Gegenvorschlag zur Stadtklima-Initiative. Dieser sieht zusätzliche Massnahmen vor, um urbane Freiräume und Biodiversität zu schützen:

  • Mehr Geld für Private: Der Stadtrat will private Initiativen finanziell fördern, beispielsweise wenn Dächer begrünt werden. Heute werden zwar pro Jahr 40 bis 60 Beratungen durchgeführt, eine nennenswerte Unterstützung von Privaten liege aber nicht im Budget. «Wo Private bereit sind, mehr Grün und Biodiversität zu schaffen, möchten wir sie unterstützen», sagte Stadtrat Adrian Borgula. Auch eine Informationskampagne ist geplant. Die Fördermittel von «Luzern grünt» sollen darum ab 2022 um 100'000 Franken pro Jahr aufgestockt werden. Dazu kommt eine Stellenerhöhung um 40 Prozent.
  • Mehr stadteigenes Grün: Die Stadt Luzern soll bei ihren eigenen Grundstücken als gutes Beispiel vorangehen. Dies, indem sie öffentliche Parkplätze, Wege oder Plätze entsiegelt. Zwei mögliche Projekte liegen bereits vor: Der Parkplatz beim alten Krematorium sowie der Brüel-Parkplatz an der Seeburgstrasse. Damit kommt der Stadtrat auch einer Forderung der CVP-Fraktion entgegen, die grünere Parkplätze verlangt (zentralplus berichtete). «Wir möchten schnell Verbesserungen im Bestand vornehmen können», sagte Borgula. Auch hier sind zusätzliche finanzielle Mittel von jährlich 150'000 Franken sowie eine Erhöhung von 40 Stellenprozent vorgesehen.
  • Schärfere Vorgaben für Neubauten: Der Artikel zur Umgebungsgestaltung soll im Rahmen der laufenden Zusammenführung der Bau- und Zonenordnungen von Littau und Luzern verschärft werden: Neu wird der Anteil an ökologisch und stadtklimatisch hochwertiger Fläche bei Neubauten oder grossen Umbauten erhöht.
  • Anreize schaffen: Mit verursachergerechten Gebühren im Siedlungsentwässerungsreglement will der Stadtrat bei Privaten Anreize für mehr Entsiegelung schaffen. Einfach gesagt: Diejenigen, die Massnahmen ergreifen, damit weniger Wasser in die Kanalisation abfliesst, weil es im Boden versickert, profitieren von finanziellen Vorteilen.

Weiter will der Stadtrat ein einfaches Werkzeug für ein Monitoring entwickeln. So könnte er jährlich im Geschäftsbericht darlegen, wie sich die versiegelten Flächen in Luzern entwickeln. Pro Jahr will der Stadtrat rund 370'000 Franken in die neuen Massnahmen investieren. Er beantragt – aus rechtlichen Gründen hochgerechnet auf die nächsten zehn Jahre – darum einen Sonderkredit von 3,7 Millionen Franken.

Kommt es zur Volksabstimmung im Winter?

Im Herbst entscheidet das Stadtparlament, ob es dem Gegenvorschlag des Stadtrates samt Sonderkredit folgt oder die weiter gehende Stadtklima-Initiative annehmen will. Im Februar 2022 würde die Volksabstimmung folgen – sofern die Grünen und Jungen Grünen an ihrer Initiative festhalten.

Ob es soweit kommt, ist derzeit noch unklar. Die Grünen und Jungen Grünen Stadt Luzern werden laut Mitteilung den Gegenvorschlag nun diskutieren und über das weitere Vorgehen entscheiden. In einer ersten Reaktion ziehen die beiden Parteien ein gemischtes Fazit.

«Wir bedauern diese Verwässerung und wünschten uns mehr Mut zu wirklich wirksamen Massnahmen.»

Michelle Meyer, Junge Grüne

Auch wenn der Stadtrat die Initiative ablehnt, sei man erfreut, «dass viele unserer Forderungen auch vom Stadtrat als wichtig erachtet und konkrete Massnahmen gesucht werden», sagt Elias Steiner, Co-Präsident der Grünen Stadt Luzern. Allerdings erfülle der Gegenvorschlag das wichtigste Anliegen der Initiative nicht: Die Versiegelung von Flächen im Stadtgebiet soll nicht weiter zunehmen dürfen.

Betonierte oder andere versiegelte Flächen erhöhten die Temperaturen in den Hitzemonaten und haben einen negativen Einfluss auf die urbane Biodiversität. «Wir bedauern diese Verwässerung und wünschten uns mehr Mut zu wirklich wirksamen Massnahmen», wird Michelle Meyer, Co-Präsidentin der Jungen Grünen, in der Mitteilung zitiert.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 29.06.2021, 20:10 Uhr

    Es gibt auch Strassenbelge ,die die Hitze absorbieren.
    Aber gegen Rabatte und Grünflächen hätte ich nichts dagegen.Einfach «Ufem Bode blibe»
    und nicht übertreiben.

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  • Profilfoto von Viola Zumstein
    Viola Zumstein, 29.06.2021, 19:00 Uhr

    Hitzemonate in Luzern? Höchstens knapp zwei im Jahr, somit ein Pseudoproblem. Aber Hauptsache, wieder mal viel warmer Wind von grüner Seite.

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 30.06.2021, 20:43 Uhr

      Der Lack ist ab, das nassforsche Voranstürmen mit Selfiegrinsen und -lebenseinstellung ausgebremst, das Geheuchel unerträglich geworden, der Hype so schnell vorbei wie eine Aufgeregtheit bei Twitter. Der theoretische Überbau strebte immer schon gegen Null, die inhaltliche Substanz wird laufend lächerlicher, und die zunehmende Aufarbeitung der Cov-Zeit wird dank der unbedarften Fehlspekulation mit dem Hardcoronismus den Rest besorgen.

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