«Willkürlicher Entscheid»

Streit um Kündigung einer Kantonsmitarbeiterin: Bundesgericht rüffelt das Kantonsgericht Luzern

Das Bundesgericht kritisiert das Kantonsgericht, weil dieses willkürlich entschieden habe. (Bild: flickr / markus daams)

Der Kanton Luzern hat einer Mitarbeiterin 2017 zu Unrecht gekündigt. Nun landete der Streit um die Höhe der Abfindung vor dem Bundesgericht. Dieses wirft dem Luzerner Kantonsgericht vor, die Sache nicht sauber untersucht zu haben.

4'000 oder 65'000 Franken: Das war hier die Frage. Der Kanton Luzern hat 2017 einer langjährigen Kadermitarbeiterin fristlos gekündigt. Grund: Die Frau war wegen Verdachts auf Drogenhandel kurzzeitig in Untersuchungshaft. Aus Sicht ihres Chefs war dies nicht mit ihrer «zentralen Vertrauensposition» in der kantonalen Verwaltung zu vereinbaren.

So weit, so nachvollziehbar. Nur: Zu diesem Zeitpunkt stand die Frau lediglich im Verdacht, etwas mit Drogen zu tun zu haben – bewiesen war noch nichts. Der Chef nahm deshalb einen Umweg, um seiner Mitarbeiterin dennoch kündigen zu können.

Er begründete die fristlose Entlassung damit, dass die Frau ihre Arbeitszeit falsch erfasst und damit sein Vertrauen missbraucht habe. Regelmässig habe sie angegeben, bereits vor 7 Uhr mit der Arbeit begonnen und die Post geholt zu haben – dabei sei die kantonale Poststelle erst um 7.10 Uhr offen.

Formfehler: Kündigung ist rechtswidrig

Das Kantonsgericht liess dies als Kündigungsgrund zwar gelten. Trotzdem war die fristlose Entlassung rechtswidrig – wegen eines Formfehlers. Bevor ein «Fristloser» ausgesprochen werden darf, müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen nämlich die Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen zu äussern. Diese Chance bekam die Frau im vorliegenden Fall nicht – obwohl es der Chef als Jurist besser hätte wissen müssen.

«Die Vorinstanz hat willkürlich gehandelt und den Untersuchungsgrundsatz verletzt.»

Aus dem Urteil des Bundesgerichts

Das Kantonsgericht sprach der Frau für den entgangenen Lohn rund 4'000 Franken zu. Das liess die ehemalige Kantonsangestellte nicht auf sich sitzen. Vor Bundesgericht forderte sie sechs Monate Lohnersatz plus drei Monate Entschädigung – insgesamt rund 65'000 Franken.

Behauptung des Chefs wurde nicht hinterfragt

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde jetzt teilweise gut. Und zwar aus folgendem Grund: Es ist keineswegs bewiesen, dass die Frau bei der Arbeitszeiterfassung geschummelt hat. Der Leiter des internen Postdiensts bestätigte nämlich in einer schriftlichen Stellungnahme, dass die Post durchaus vor 7.00 Uhr abgeholt werden kann.

Das Kantonsgericht jedoch glaubte dem Chef, ohne die Aussage des Postleiters auch nur anzuschauen. «Damit hat die Vorinstanz unbewiesene Behauptungen des Beschwerdegegners unbekümmert darum, dass sie von der Gegenpartei bestritten wurden, als richtig hingenommen», schreibt das Bundesgericht in seinem Entscheid. «Folglich hat sie willkürlich gehandelt und den Untersuchungsgrundsatz verletzt.»

Unverhofft zur Drogenkurierin geworden

Das Kantonsgericht Luzern muss nun über die Bücher, die Beweise erheben und nochmals neu über die Entschädigung entscheiden. Auch die geforderten Anpassungen im Arbeitszeugnis können erst beurteilt werden, wenn klar ist, ob die Vorwürfe wegen der Zeiterfassung überhaupt zutreffen.

Derweil hat die Frau ein neues Leben angefangen. Sie wurde letztes Jahr wegen eines Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Dies weil sie naiverweise – im Auftrag ihres Ehemannes – einem Drogenhändler Kokain übergeben hatte (zentralplus berichtete).

Sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch das Kriminalgericht waren überzeugt, dass es sich um eine einmalige Tat gehandelt hat. Inzwischen hat sie sich von dem Mann getrennt, der sie in seine Deals hineingezogen hatte.

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