Zwischen Konzeptuellem und Persönlichem

Sehen und hinterfragen in der neuen Ausstellung des Kunstmuseums Luzern

Vittorio Santoro erläutert seine Werke. Links: Fanni Fetzer, Direktorin des Kunstmuseums Luzern. (Bild: Marinella Polli)

Beeindruckende Werke zweier unterschiedlicher Künstler wie Vittorio Santoro (geb. 1962) und Michał Budny (geb. 1976) stehen seit Freitag im Dialog im Kunstmuseum Luzern. Die Ausstellung ist eine Freude für Auge und Hirn.  

Vittorio Santoro definiert seine Kunstwerke als ‘skulpturale Situationen’. Es handelt sich um Klanginstallationen, Skulpturen, Objekte, Filme und Zeichnungen, die weit mehr als nur räumlich oder etwas darstellend sind und uns gleichzeitig konzeptuelle, persönliche und sozialpolitische Botschaften senden.

Auf den ersten Blick eine Diskrepanz, aber die Spannung zwischen privatem Erleben, persönlicher Erinnerung und Sozialkritik einerseits und künstlerischer Verarbeitung kann uns nur oberflächlich an einen Widerspruch denken lassen. Ob Objekte, Installationen oder Schriften, Santoros Werke bringen den Betrachter – man sollte sagen, sie motivieren ihn – dazu, deren Rahmenbedingungen zu hinterfragen.

Wir werden, mit anderen Worten, eingeladen, den Brennpunkt weg von einer rein visuellen Dokumentation von Handlungen, Situationen oder Erinnerungen zu lenken. Und uns hingegen auf den Prozess zu konzentrieren, den diese hervorrufen. Santoros Arbeiten stellen eine akkurate Herauskristallisierung des Biographischen, Eigenen, Individuellen dar, aber auch wesentlicher sozialpolitischer Fakten.

Sprache und Schrift nicht nur als eigene Erfahrung

Zum Beispiel machen sie auf die heutige Medialisierung von Kunst und Kultur und auf deren Stellung in der Gesellschaft aufmerksam sowie auf jene des Künstlers und auf dessen Verantwortung- und Stellungnahme. Mehr noch, auf die Schwierigkeiten und Probleme bei der Ausdeutung von Situationen und Informationen im politisch-gesellschaftlichen Kontext und somit auf die Unfähigkeit, richtig zu kommunizieren.

Vittorio Santoro ist in Zürich geboren, hat aber sizilianische Wurzeln (er wohnte als Kind bei den Grosseltern in Sizilien) und lebt heute zwischen Paris und Zürich. Er beherrscht Sprachen und Dialekte, hat Erfahrung mit Sprache, ist eine Leseratte: Dostojevski, Kafka, Pasolini …

Michal Budnys «After Midnight», 2015 (Bild: Marinella Polli)

Es ist somit logisch, dass auch Arbeiten mit Schrift und Sprache in seine mediale Palette gehören. «Somewhere better than this place», aber auch «Nowhere better than this place» ist in einer seiner Arbeiten zu lesen. Zwei gegensätzliche Aussagen. Dies auch, um klar zu machen, dass Texte und Sprache nicht nur semantisch benutzt werden.

Buchstaben, Wörter, Verben, Sätze, ganze Zeitungsseiten werden genauso angewendet wie Landschaften, Porträts oder fiktive Szenen: um Beziehungen mit dem Raum herzustellen und dadurch neue Denkprozesse auszulösen. Zum Beispiel wie in «Whether it» (2012), in der Ausstellung auch sehr strategisch platziert.

Michal Budny

Zwischen Minimal Art, Arte povera und Max Bill stehen die gegenstandslosen Werke von Michal Budny, heute eine der führenden Künstlerpersönlichkeiten in Polen. Für Budny ist aber nicht nur die Geometrie wesentlich, sondern auch das Material – Karton, Papier, Stoff, Stahl, Holz, Sand und Gummi – und dessen trügerische Verwendung: für Werke, die auf den ersten Blick massiv, streng und hart erscheinen, aber bei einer genaueren Betrachtung weicher und fragil sind.

Dies sehen wir zum Beispiel in «Meteorite», einer eierförmigen Skulptur aus Formsand, eben gross und schwarz wie ein Meteorit, aber zerbrechlich wie ein Ei. Und besonders, mit wechselnder Form je nach Stellung des Betrachters.

Auch für Budny ist die Beziehung des Materials zu Form und Volumen und, besonders, zum Raum und Licht extrem wichtig. Diese sehenswerte Ausstellung ist bis Ende Januar zu besichtigen.

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