Neue Studie kritisiert teure Bürokratie

Lotteriegeld: Luzern betreibt am meisten «Kässeli»

Das «Moskau-Reisli» löste in Luzern bereits 2013 eine breite Debatte um die Lotteriegelder aus. (Bild: zvg)

Die Vergabepraxis der Lotteriegelder im Kanton Luzern ist oft kritisiert worden. Jetzt wirft eine neue Studie des liberalen Thinktanks Avenir Suisse ein schlechtes Licht auf das heutige System. Trotzdem will Luzern an seinen 18 Fonds festhalten.

Ob das Lichtfestival in der Stadt oder der Erhalt des Felsenwegs am Bürgenstock, ob Umwelteinsätze für Jugendliche oder Subventionen fürs Theater, ob lokale Filmförderung oder Geburtshäuser in Tschad: Der Kanton Luzern unterstützt mit jährlich rund 20 Millionen Franken zahlreiche und ganz unterschiedliche Projekte mit Lotteriegeldern.

Dafür unterhält er insgesamt 18 verschiedene Lotteriefonds – und ist damit Spitzenreiter, wie eine neue Studie von Avenir Suisse zeigt. Die Autoren Jürg Müller und Basil Ammann nennen den Kanton Luzern als «Extrembeispiel», weil er mit Abstand am meisten einzelne «Kässeli» führt. Zum Vergleich: Gesamtschweizerisch zählt die Studie rund 80 Fonds, Luzern unterhält also fast einen Viertel davon.

Kritik an Kosten und Konflikten

An sich wäre das noch kein Problem. Doch gemäss dem liberalen Thinktank ist die Organisation des Schweizer Glücksspielwesens überholt. Zum einen sei sie ineffizient: Allein die administrativen Kosten der kantonalen Lotteriefonds werden in der neuen Avenir-Suisse-Studie auf jährlich 16 bis 22 Millionen Franken geschätzt. Sie spricht von «teuren Verteilungsbürokratien».

Zum anderen habe sich über die Jahre eine eigentliche «Geldverteil-Industrie» etabliert, wie Avenir Suisse in einer Mitteilung schreibt. Dabei würden Glücksspielgelder in teilweise umstrittene Projekte kanalisiert.

Das umstrittene «Moskau-Reisli» zeigt Konfliktpotenzial

Davon kann Luzern ein Lied singen. 2013 sorgte das sogenannte «Moskau-Reisli» für eine breite Diskussion um die Verwendung der Lotteriegelder (zentralplus berichtete). Damals finanzierte der Kanton eine Werbereise von Behörden, Wirtschaftsvertretern und dem Luzerner Symphonieorchester nach Russland zu einem Teil aus dem Lotterietopf. Obwohl dieses Geld, das von Sportwetten, Lottoeinsätzen und Glücksspielen stammt, gemäss Bundesverfassung ausschliesslich für gemeinnützige und wohltätige Zwecke verwendet werden muss.

Ebenso für Kritik sorgte es kurz darauf, dass der Kanton seinen Auftritt an der Olma oder die notfallmässige Belüftung des Baldeggersees mit Lotteriegeld finanzierte (zentralplus berichtete).

Es sind solche Beispiele, welche die These von Avenir Suisse bekräftigen, dass das heutige System der Lotteriegelder verpolitisiert und von Interessenkonflikten bestimmt ist. Die Kritik ist bemerkenswert, weil sie in Luzern bislang stets vor allem von linker Seite (und teilweise von der SVP) kam. Mit Avenir Suisse zeigt nun auch eine liberale Institution die Tücken des heutigen Systems.

Die Autoren der Studie legen mehrere Reformvorschläge auf den Tisch. Unter anderem die Idee, das Geld direkt an die Bevölkerung zu verteilen – laut Avenir Suisse wären das insgesamt rund 115 Franken pro Person und Jahr. «Eine solche Verteilung wäre nicht nur effizienter und fairer, sondern würde auch die heiklen, vorab kantonalen Interessenkonflikte im Schweizer Glücksspielwesen beheben», so der Thinktank in einer Mitteilung.

Kanton Luzern will am System festhalten

Der Kanton Luzern schätzt die Situation indes anders ein als Avenir Suisse. Dass man so viele einzelne Töpfe unterhält, sieht er nicht als Problem. Im Gegenteil: «Der Vorteil von klar definierten Lotteriefonds ist: Die Entscheide werden aufgrund von Fachkompetenz in den zuständigen Verwaltungseinheiten getroffen und nicht zentral entschieden», sagt Erwin Rast, Sprecher des zuständigen Justiz- und Sicherheitsdepartements.

«Die Ausschüttung der Lotteriegelder erfolgt im Kanton Luzern transparent und kann jederzeit öffentlich im Internet eingesehen werden.»

Erwin Rast, Sprecher Justiz- und Sicherheitsdepartement

Er weist auch die Schätzung der Studie zurück, wonach die administrativen Kosten pro Fonds bis zu 280'000 Franken ausmachen. «Diese Aussage trifft nicht zu», sagt Rast und betont: «Der Kanton Luzern verwendet keine Lotteriefondsgelder für den administrativen Aufwand.» Dies im Unterschied zu anderen Kantonen, die teilweise Lotteriegeld in Millionenhöhe für die Verwaltung ausgeben. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Betreuung der Fonds in Luzern gratis ist. Nur werden die Aufwände der Verwaltung dafür nicht separat ausgewiesen und bleiben somit im Dunkeln. Oder, wie es Avenir Suisse formuliert: «Da die Verwaltung der Fonds in jedem Fall etwas kostet, muss hier davon ausgegangen werden, dass die Allgemeinheit anderweitig dafür aufkommt.»

Letzter Versuch einer Änderung scheiterte 2019

Was den Aspekt der Verpolitisierung betrifft, betont Erwin Rast, dass die Kriterien für die Vergabe von Lotteriegeldern in Luzern klar definiert seien. Er verweist unter anderem auf das kantonale Lotteriegesetz und auf die entsprechende Verordnung. «Die Ausschüttung der Lotteriegelder erfolgt im Kanton Luzern transparent und kann jederzeit öffentlich im Internet eingesehen werden», so Rast. Dass die Regierung bewusster mit den Geldern umgeht, zeigte kürzlich eine Episode: Während andere Kantone ihren Beitrag an den Kasernenneubau für die päpstliche Schweizergarde aus dem Lotterietopf nehmen, lehnte die Luzerner Exekutive dies ausdrücklich ab.

Handlungsbedarf scheint man in Luzern also keinen auszumachen. Ob ein System mit direkter Rückzahlung an die Bevölkerung – wie Avenir Suisse es anregt – besser wäre, dazu will sich der Kanton Luzern nicht äussern. Indirekt gibt Sprecher Erwin Rast aber eine klare Antwort: für Anpassungen bestehe aus heutiger Sicht kein Anlass.

Das sah bislang auch eine Mehrheit des Kantonsrats so. Im Nachgang des «Moskau-Reisli» scheiterten zahlreiche Änderungsversuche. Zuletzt debattierte das Parlament im Dezember 2019 im Rahmen des Spielbankengesetzes über die Lotteriegelder. SP und Grüne argumentierten mit der Gefahr von missbräuchlichen Vergaben – ihre Forderung nach einer verwaltungsunabhängigen Vergabestelle fand aber keine Mehrheit.

Verwendete Quellen
  • Studie «Glück im Spiel, Patzer in der Regulierung» von Avenir Suisse
  • Liste der ausbezahlten Lotteriebeiträge 2021 des Kantons Luzern
  • Mailaustausch mit Erwin Rast vom Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern
  • Lotterieverordnung des Kantons Luzern
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Andreas Bründler, Kriens - Bleiche
    Andreas Bründler, Kriens - Bleiche, 28.04.2022, 17:19 Uhr

    «Nur werden die Aufwände der Verwaltung dafür nicht separat ausgewiesen und bleiben somit im Dunkeln.»

    Das ist schon ein wenig polemisch geschrieben. Die Staatsausgaben sind im Budget sehr genau aufgelistet.

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    • Profilfoto von Redaktion zentralplus
      Redaktion zentralplus, 28.04.2022, 17:30 Uhr

      Die Staatsausgaben sind im Luzerner Budget tatsächlich detailliert aufgelistet. Wir haben den Aufwand, der für die Verwaltung der Fonds investiert wird, jedoch nirgends finden können und sind dankbar für erhellende Angaben.
      Nachdem Luzern fast einen Viertel der 80 Fonds unterhält, dürften diese Kosten durchaus relevant sein. Immerhin werden die administrativen Kosten aller Lotteriefonds auf jährlich 16 bis 22 Millionen Franken geschätzt.

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  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 28.04.2022, 12:34 Uhr

    In den 90er-Jahren versuchten NGO das unkontrollierte Lotteriemonopol der Kantone zu brechen. Obwohl das Bundesgericht ihnen Recht gab, erteilten ihnen die Kantone weiterhin keine Lotteriekonzession. Die Kantonsregierungen können weiterhin nach Lust und Laune mehr oder weniger sinnvolle Lotteriebeiträge sprechen – auch für Staatsaufgaben. Als Profiteure der Lotterie nehmen sie natürlich auch ihren Kontrollauftrag ihrer zwei Lotterieunternehmungen nicht wahr; mehrere Regierungsräte haben dort Einsitz und beziehen dafür hohe Honorare.

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