Luzerns Stadtpräsident über den Angriff der FDP

«Parteipolitik darf in der Beziehung zum Kanton keine wesentliche Rolle spielen»

Beat Züsli, der erste linke Stadtpräsident Luzerns, steht hinter dem SP-Zweierticket. (Bild: giw)

Der Luzerner SP-Stadtpräsident Beat Züsli hat mit Martin Merki einen «ernstzunehmenden» Konkurrenten erhalten, wie er selber sagt. Dass der FDP-Stadtrat besser mit dem Kanton zurechtkäme, bezweifelt der linke Stapi aber. Und kündigt an, bei einer Abwahl – anders als sein Vorgänger – nicht das Handtuch zu werfen.

zentralplus: Beat Züsli, noch zum Jahreswechsel schien es, als würden Sie die Wiederwahl zum Stapi im Schlafwagen schaffen. Nun hat sich die Ausgangslage rapide verändert (zentralplus berichtete). Waren Sie überrumpelt von der Kandidatur von Martin Merki?

Beat Züsli: Nein, ich war nicht überrascht. Ich wusste ja, dass die Bürgerlichen einen Kandidaten für das Stadtpräsidium suchen. Man muss das auch historisch betrachten: 2016 hat Linksgrün erstmals das Stadtpräsidium erkämpft. Dass uns die bürgerliche Seite das Amt vier Jahre später kampflos überlässt, hätte mich sehr erstaunt. Ich finde es übrigens sehr gut, wenn die Bevölkerung eine Auswahl hat. Martin Merki ist sicher ein ernstzunehmender Konkurrent.

zentralplus: Vor vier Jahren unterstützte die GLP Sie als Stadtpräsidenten – nun nicht mal mehr als Stadtrat (zentralplus berichtete). Wie erklären Sie sich das?

Züsli: Es gab in der Vergangenheit immer wieder unterschiedliche Konstellationen. Es handelt sich vor allem um parteitaktische Überlegungen und teilweise kann ich die nachvollziehen. Die Grünliberalen müssen entscheiden, von wem sie sich Unterstützung erhoffen. Selbstverständlich hätte ich anders entschieden (lacht).

«Wenn jemand einen Anspruch auf einen zweiten Sitz hat, ist das sicherlich die SP.»

zentralplus: Die GLP begründet ihren Entscheid auch mit der Strategie der SP, die zwei Kandidaturen für den Stadtrat portiert. Könnte sich das Zweierticket als Bumerang erweisen?

Züsli: Nein, das glaube ich nicht. Auch hier gilt: Wir wollen der Stadtbevölkerung eine Auswahl bieten. Wenn sie die sozialen und ökologischen Aspekte stärken wollen, haben sie mit unserer zusätzlichen Kandidatur die Möglichkeit dazu. Wenn jemand einen Anspruch auf einen zweiten Sitz hat, ist das sicherlich die SP, die mit grossem Abstand stärkste Partei in der Stadt Luzern.

zentralplus: Dennoch könnte sich das forsche Auftreten der Partei für Sie negativ auswirken.

Züsli: Dass der Entscheid Reaktionen auslösen kann, damit muss man rechnen und leben. Ich würde mich nie darüber beklagen, wenn jemand mich als bisherigen Stadtpräsidenten herausfordert – ich habe das vor vier Jahren genauso gemacht. Das muss möglich sein und ist Teil unserer Demokratie.

«Die FDP fand sich bei wichtigen Abstimmungen auf der Verliererseite wieder.»

zentralplus: Inhaltlich wird bislang noch wenig diskutiert. Selbst Martin Merki beanstandet Ihre Arbeit kaum öffentlich. Wie oft werden Sie mit Kritik konfrontiert?

Züsli: Ich habe bislang kaum Kritik an meiner Amtsführung gehört. Wenn es welche gab, hatte dies häufig mit der politischen Ausrichtung des Stadtrates zu tun, beispielsweise in der Mobilität, dem wahrscheinlich umstrittensten Thema in Luzern. Ich fühle mich aber von der Bevölkerung sehr stark getragen, wenn ich – gerade in der Verkehrspolitik – die Volksabstimmungen der letzten Jahre anschaue. Viele dieser Resultate entsprechen nicht der Politik der FDP, die sich bei wichtigen Abstimmungen auf der Verliererseite wiederfand, zum Beispiel beim Verkaufsverbot städtischer Grundstücke.

FDP-Stadtrat Martin Merki fordert Stadtpräsident Beat Züsli heraus.

zentralplus: Als Stadtpräsident ist man das Aushängeschild. Was würde sich denn konkret ändern bei einem Wechsel? Nur das Image oder auch die Politik?

Züsli: Diese Frage müsste Martin Merki beantworten. Er will ja eine andere Haltung einbringen.

zentralplus: Er sagt in erster Linie, er wolle als Brückenbauer gegenüber dem Kanton agieren. Als Bürgerlicher habe er einen guten Draht zur bürgerlichen Regierung und könnte politische Blockaden lösen.

Züsli: Das sehe ich natürlich anders. Die Parteipolitik spielt in dieser Beziehung keine wesentliche Rolle – und darf sie auch nicht spielen. Denn der Stadtpräsident hat die Haltung des Gesamtstadtrates zu vertreten. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass wir mit dem Kanton in sehr vielen Bereichen sehr gut zusammenarbeiten. Beispielsweise in der Bildung, wo ich die Federführung habe.

«Ich will vermeiden, dass man ein für die Stadtbevölkerung schlechtes Projekt akzeptiert, nur um ein gutes Verhältnis zum Kanton zu haben.»

zentralplus: Bei wichtigen Projekten wie etwa der Spange Nord hat man das Heu aber bekanntlich nicht auf derselben Bühne.

Züsli: Ich identifiziere zwei Bereiche, in denen die Zusammenarbeit schwierig ist: bei den Finanzen und der Mobilität. Nur weil jemand parteipolitisch anders ausgerichtet ist, wird sich daran aber nichts ändern. Denn die Schwierigkeiten rühren daher, dass sich die Haltungen und Prioritäten von Stadt und Kanton unterschieden – das hat nichts mit meiner Person oder jener von Martin Merki zu tun.

zentralplus: Nehmen wir die Spange Nord: Manche bezeichnen das Auftreten der Stadt als arrogant und werfen dem Stadtrat Diskussionsverweigerung vor.

Züsli: Ich will vermeiden, dass man ein für die Stadtbevölkerung schlechtes Projekt akzeptiert, nur um ein gutes Verhältnis zum Kanton zu haben. Das kann keine Lösung sein. Ich habe mich bei der Spange für eine klare Haltung der Stadt eingesetzt und auf dieser Basis versucht, Kompromisse zu erarbeiten. Dass ich das kann, habe ich beim neuen Theater bewiesen, wo wir in – nicht ganz einfachen – Verhandlungen mit dem Kanton eine Einigung erzielten. Und man sieht ja, dass nicht zuletzt die klare Haltung der Stadt bei der Spange Nord zu einer ersten Weiterentwicklung geführt hat.

Regierungsrat Marcel Schwerzmann (links) und Luzerns Stadtpräsident Beat Züsli vor dem Luzerner Theater. (Bild: Franca Pedrazzetti / Stadt Luzern)

zentralplus: Beim Theater oder der Spange Nord geht es langsam vorwärts, bei der Bahnhofstrasse oder in der Carfrage noch langsamer. Was würden Sie gerne anders machen?

Züsli: Das ist für mich nicht befriedigend und macht mich auch ungeduldig. Aber oft handelt es sich um komplexe Projekte, die ein sorgfältiges Vorgehen verlangen. In Zukunft möchte ich aber öfters einen ersten Schritt umsetzen, bevor wir die endgültige und definitive Lösung haben.

zentralplus: Hie und da wirft man der Stadtregierung vor, es fehle am Mut, etwas Grosses zu wagen.

Züsli: Grundsätzlich finde ich es problematisch, dass Visionen häufig an Bauprojekten aufgehängt werden. Gerade im Bildungsbereich gibt es Visionen inhaltlicher Art, die sich nicht unmittelbar in Gebäuden manifestieren, zum Beispiel der umfassende Ausbau der Kinderbetreuung beziehungsweise die Tagesschulen. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit dem neuen Theater einen wichtigen Meilenstein in der Kulturpolitik setzen können. Ich verspreche mir ein offenes Gebäude, das viele Kooperationen ermöglicht und die freie Szene miteinbezieht und so Aufbruchstimmung signalisiert.

«Ich weiss nicht, ob Stadtvater oder Stadtmutter heute noch der richtige Ausdruck ist.»

zentralplus: Vor vier Jahren haben Sie gesagt, Sie hätten in vielen Gesprächen gespürt, dass sich die Leute einen Wechsel wünschen. Was spüren Sie jetzt?

Züsli: Seit dem Bekanntwerden einer ernsthaften Gegenkandidatur bekomme ich sehr regen Zuspruch. Viele würden es bedauern, wenn der Weg zu einer offenen, ökologischeren und sozialeren Stadt nicht weiterginge. Und ich würde gerne weitermachen.

zentralplus: Sehen Sie sich als Luzerner Stadtvater?

Züsli: Ich weiss nicht, ob Stadtvater oder Stadtmutter heute noch der richtige Ausdruck ist. Man ist Ansprechperson für ganz viele Menschen und Organisationen, was nicht immer einfach, aber interessant und sehr bereichernd ist. Ich betrachte mich mehr als modernere Version eines Stadtpräsidenten, der Stadtentwicklung in einem breiten Sinne versteht und versucht, die urbane Lebensqualität weiterzuentwickeln.

zentralplus: 2016 haben Sie den amtierenden Stadtpräsidenten angegriffen, der ebenfalls keine grossen Fehler gemacht hatte, aber dennoch abgewählt wurde (zentralplus berichtete). Jetzt sind Sie in derselben Situation.    

Züsli: Ja, das ist speziell. Aber ich bin sehr zuversichtlich in Bezug auf meine Wiederwahl und freue mich auf einen interessanten Wahlkampf.

zentralplus: Der damals abgewählte Stadtpräsident Stefan Roth ist wenige Monate nach den Wahlen auch als Stadtrat zurückgetreten – beschäftigen Sie sich auch schon mit solchen Szenarien?

Züsli: Nein, überhaupt nicht. Mich interessiert und fasziniert die politische Arbeit als Stadtrat. Gerade in der tollen Stadt Luzern, in der man etwas bewirken und bewegen kann. Ich mache meine Arbeit extrem gerne und würde – das kann ich jetzt schon sagen – in jedem Fall weitermachen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Silvio Bonzanigo
    Silvio Bonzanigo, 21.01.2020, 23:11 Uhr

    Wie so oft, so irrt Beat Züsli auch hier! Die SP ist weit davon entfernt, einen Anspruch auf 2 Stadtratssitze aufgrund des Wähleranteils geltend machen zu könnnen!

    Als Grundlage dafür kann der Referenzwert der letzten Grossstatadtratwahlen 2016 dienen.
    Die Resultate:

    SP, ein Sitz, Quotient 1,230
    FDP, ein Sitz, Quotient 0,8654

    –> SVP, ein Sitz, Quotient 0,7532 <–

    CVP, ein Sitz, Quotient 0,719
    Grüne, ein Sitz, Quotient 0,6383
    GLP, kein Sitz, Quotient 0,337

    Klar wird 1.: Die SVP hat gemäss Wähleranteil einen Anspruch auf einen Stadtratssitz! Die GLP hat unter jeglichen Konkordanzüberlegungen keinen Anspruch auf einen Stadtratssitz!

    Klar wird 2.: Die einzige echte Alternative zur links-grün dominierten, ungenügenden Politik des Stadtrates ist die Kandidatur der SVP.

    Zudem: Während die SP bei den Regierungsratswahlen stets auf Konkordanz insistiert, ist es ihr völig egal, dass die dritt- oder vierstärkste Partei in der Stadt – die SVP – vom Stadtrat ausgesperrt bleibt. Das ist weder sozialdemokratisch noch sonstwie demokratisch!

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