Reaktionen zur Abstimmung

Nach Nein: Luzerner fordern abgespecktes Medienpaket

Der Luzerner Nationalrat und Medienpolitiker Michael Töngi fordert eine Grundsatzdebatte. (Bild: zvg)

Knapp 55 Prozent der Stimmberechtigten lehnen das Medienpaket ab. Die unumstrittenen Teile daraus müssten jetzt aber rasch umgesetzt werden, fordern Politiker und Verlage.

Am Ende fiel das Resultat deutlicher aus als erwartet: 54,6 Prozent der Schweizerinnen lehnen das Medienpaket ab. Damit wollte der Bund die Branche im digitalen Umbruch während der nächsten sieben Jahre finanziell unterstützen. Maximal 150 Millionen Franken wären an Zeitungen, Zeitschriften und erstmals auch Onlinemedien – wie zentralplus –geflossen. Zudem umfasste das Paket auch Unterstützung der Nachrichtenagentur, des Presserates sowie der Aus- und Weiterbildung (zentralplus berichtete).

Doch daraus wird nichts. Zu überladen sei das Medienpaket gewesen, bilanzierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am frühen Sonntagabend. Wie landesweit lehnten auch die Stimmbürger im Kanton Luzern und im Kanton Zug die Vorlage deutlich ab (siehe Grafik).

Luzerner Komitee ist enttäuscht

Das überparteiliche Luzerner Komitee Medienvielfalt zeigt sich enttäuscht. «Es droht ein weiteres Zeitungssterben und damit der Verlust medialer Vielfalt im Kanton Luzern», sagt Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger. Das schwäche letztlich die direkte Demokratie.

«Wenn jetzt doch etwas passieren soll, sind die Gegner in der Pflicht.»

Andrea Gmür-Schönenberger, Ständerätin (Mitte)

Ihre Partei, die Mitte Schweiz, fordert in einer Mitteilung nun schnelle Schritte zur Stärkung der Medienvielfalt. Es gelte, die unbestrittenen Punkte des Mediengesetzes rasch wieder aufzunehmen. Konkret genannt werden die stärkere Unterstützung der Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten, von Nachrichtenagenturen sowie der privaten Radio- und Fernsehstationen.

Für Gmür selber ist jedoch klar: «Ich akzeptiere das Nein. Wenn jetzt doch etwas passieren soll, sind die Gegner in der Pflicht.» Diese müssten nun aktiv darlegen, für welche Teile oder welche Variante der Medienförderung sie Hand böten.

Unterstützung der kleinen Medien scheint unbestritten

Mehr Druck macht Michael Töngi. «Das relativ knappe Nein der Stimmbevölkerung ist ein Auftrag an die Politik, ein Paket zu schnüren, das gezielt dort fördert, wo der Bedarf am grössten ist», sagt der Luzerner Nationalrat, der dort in der zuständigen Kommission sitzt. Auch er fordert, wie die Mitte, dass die unbestrittenen Teile des Pakets rasch eingeführt werden. Denn die Notwendigkeit der Medienförderung, insbesondere für die kleinen Verlage, sei unbestritten. «Da nehmen wir die Gegner beim Wort.»

So haben die Luzernerinnen abgestimmt:

Töngi befürchtet allerdings, dass ein «Mini-Medienpaket» für die kleineren Zeitungen die Onlinemedien ausschliesst und so lediglich zur Strukturerhaltung beitrage. «Gerade der Abstimmungskampf in Luzern zeigte, dass viele Landzeitungen im Digitalen nachrüsten wollen.»

Deshalb fordert der grüne Politiker darüber hinaus eine Grundsatzdiskussion. «Wir müssen uns fragen: Wie finanzieren wir unabhängige journalistische Stellen, die gewährleisten, dass aus allen Regionen kritisch berichtet und recherchiert wird?»

«Für uns hat das Nein kurzfristig keine Konsequenzen. Aber es bietet keine Hilfe, um einen richtigen Schritt in die Zukunft zu gehen.»

Patrick Wicki, Anzeiger Michelsamt

Noch am Abstimmungssonntag kursierten diverse Vorschläge. Manche sehen eine Anschubfinanzierung für neue Projekte als mögliche Lösung, andere würden den Bürgern gerne Gutscheine zusprechen, mit denen sie ihr favorisiertes Medium unterstützen könnten.

Töngi selber bringt das nordische Modell ins Gespräch: Über eine Stiftung soll direkt kritischer und qualitativ hochstehender Journalismus gefördert werden. Dass eine solche Variante angesichts der Kritik an der direkten Medienförderung mehrheitsfähig ist, dürfte aber bezweifelt werden.

Wie sieht Medienvielfalt in fünf Jahren aus?

Was das Nein für die Luzerner Regionalmedien bedeutet, müssen viele Verlage und Medienhäuser erst analysieren – auch zentralplus.

Klar scheint: Von heute auf morgen wird keine Redaktion eingestampft oder merklich abgebaut. Vielmehr gehe der schleichende Abbau weiter, sagt Nationalrat Michael Töngi. «Die Frage ist, wie sieht die Situation in zwei oder fünf Jahren aus? Denn irgendwann ist der Talboden erreicht.»

Das zeigen auch Einschätzungen von Betroffenen. «Für uns hat das Nein kurzfristig keine Konsequenzen», sagt Patrick Wicki, Geschäftsführer der Wallimann Druck und Verlag AG, die den «Anzeiger für das Michelsamt» herausgibt. «Aber es bietet keine Hilfe, um einen richtigen Schritt in die Zukunft zu gehen.»

«Kurz- und mittelfristig kommt der «Entlebucher Anzeiger» selbst über die Runden, da bin ich zuversichtlich», sagt deren Geschäftsführer Rony Bieri. Denn das Medienhaus stehe heute auf sehr gesunden Beinen. «Aber viele andere kleine Medienhäuser werden die digitale Transformation nicht aus eigener Kraft schaffen.» Das auf sieben Jahre befristete Medienpaket hätte die notwendige Überbrückungsfinanzierung geboten. Alternativ droht laut Bieri ein Abbau bei der journalistischen Leistung oder ein Zeitungsabo, das längerfristig kaum mehr bezahlbar werde.

Auch Patrick Wicki vom «Michelsämter» verweist darauf, dass viele Gegner im Abstimmungskampf die Subventionen für die Grossverlage kritisierten. «Deshalb sollte die Politik den Ball möglichst schnell aufgreifen und dafür sorgen, dass die kleineren und mittleren Medien, auch online, unterstützt werden.»

So haben die Zuger abgestimmt:

Verwendete Quellen
  • Abstimmungsergebnisse zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien
  • Stellungnahme Luzerner Komitee Medienvielfalt
  • Stellungnahme Die Mitte Schweiz
  • Gespräche mit Andrea Gmür-Schönenberger und Michael Töngi
  • Austausch mit Patrick Wicki und Rony Bieri
  • Beitrag auf der Website von Michael Töngi

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11 Kommentare
  • Profilfoto von Remo
    Remo, 14.02.2022, 20:27 Uhr

    Frühzustellung und anderer Mumpitz muss nicht subventioniert werden. Hört endlich auf mit den Papierzeitungen. Wir leben nicht mehr im 20. Jahrhundert. Und Medien «im digitalen Umbruch» haben einfach den Schuss nicht gehört und sind viel zu spät dran. Ich würde es begrüssen, wenn elektronische Medien wie Zentralplus oder andere unterstützt würden. Die grossen Verlage brauchen jedoch keine Unterstützung und die «Frühzustellung» von Altpapier schon gar nicht.

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  • Profilfoto von Rocco
    Rocco, 14.02.2022, 13:28 Uhr

    Es gilt immer und überall die gleichen Gesetzmässigkeiten:

    Nur die Guten überleben.

    Wieso braucht es da für die weniger Guten noch Unterstützung.

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    • Profilfoto von Redaktion zentralplus
      Redaktion zentralplus, 14.02.2022, 14:25 Uhr

      Wir sind der Meinung, dass Medien in gewisser Hinsicht einen öffentlichen Auftrag erfüllen, gerade in einem Direktdemokratischen System wie der Schweiz. Und in diesen Bereichen sind gewisse Unterstützungsleistungen üblich, da der Markt alleine es eben nicht richten kann. Einige Beispiele: Nagra 160 Millionen, Schweiz Tourismus 56 Millionen, Filmförderung 30 Millionen, EnergieSchweiz 22,5 Millionen, Hochseeschifffahrt 32 Millionen, Gebäudeprogramm 325 Millionen, Autoverlad 6,8 Millionen, Landwirtschaft rund 20 Milliarden. Oder sind Sie hier auch der Meinung, dass hier einfach die weniger Guten unterstützt werden?

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      • Profilfoto von Silvan Studer
        Silvan Studer, 15.02.2022, 10:44 Uhr

        «Wir sind der Meinung, dass Medien in gewisser Hinsicht einen öffentlichen Auftrag erfüllen»
        Das könnte so sein, wenn die Medienlandschaft nicht so einseitig links wäre.
        So geht es aber zu oft nur um die Umerziehung des Volkes und vertuschen linker Gewalt (Siehe «Antifa» Zürich) etc. (zentralplus meine ich hiermit weniger).
        Das ist ein Missbrauch des «öffentlichen Auftrags» und das wollen viele nicht mehr mitfinanzieren, auch im Zusammenhang mit der SRG. Es ist deshalb auch logisch, dass sich vornehmlich linke Politiker für diese Art von staatlicher Förderung einsetzen. Gratis Propaganda für die eigene Sache findet man natürlich toll.

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    Thomas Aeberhard, 14.02.2022, 08:16 Uhr

    Die Aussagen hier und auf SRF laufen genau in die Richtung, die ich nicht will: Die Zustellvergünstigung für Zeitungen soll ausgebaut werden. Damit belohnt man wiederum die Grossen mit mehr Geld, während die Kleinen und vor allem Online-Medien nichts erhalten. Damit hat man mit dem Nein zum Medienpaket genau das Gegenteil erreicht: Millionäre erhalten Geld und kaufen andere Medien auf, Kleine wie zentralplus verschwinden. Herzlichen Dank auch!!!

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    JR, 13.02.2022, 22:29 Uhr

    Wenn Journalismus gut gemacht ist, bezahlt man auch dafür. So tue ich es für Zentralplus, aber auch für die Weltwoche und den Nebelspalter. Agenturmeldungskatalysatoren und Mainstream Schleudern gibt es genug, die zerfleischen sich mit Klickbaits und vergraulen jeden mit einem IQ über 50. Der Markt regelt es, und es braucht keine staatliche Unterstützung. Meine Firma muss auch für den Markt und die Kunden produzieren, und zwar besser als die Konkurrenz. Warum sollte das nicht für ein Medienprodukt gelten?

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    • Profilfoto von Adaff
      Adaff, 14.02.2022, 07:51 Uhr

      Ja, gut, unter diesen Gesichtspunkten könnten wir also auch die Direktzahlungen an die Landwirtinnen abschaffen? Ich meine, sind das jetzt auch nur Staatsbäuerinnen, die gleichgeschaltetes Staatsfleisch und Staatsgemüse produzieren? Können die Landwirtinnen, die Direktzahlungen zugeschossen bekommen, alle einfach nur schlecht wirtschaften und nicht auf eigenen Beinen Gewinn erwirtschaften? Ich bin für die Abschaffung der Direktzahlungen für Landwirtinnen, die nur Nährstoff-verarmten Boden produzieren, der bald nichts mehr hergibt. Sollen sie doch Gemüse und Fleisch für den Markt und die Kunden produzieren, das besser ist als das der Konkurrenz. Wenn Gemüse und Fleisch gut gemacht sind, bezahlt man auch dafür.

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    • Profilfoto von Alois Iten
      Alois Iten, 14.02.2022, 08:45 Uhr

      Der Markt hat es in den letzten zwei Jahrzehnten geregelt und unzähliche Lokalmedien sind verschwunden.

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      • Profilfoto von Silvan Studer
        Silvan Studer, 14.02.2022, 11:14 Uhr

        @Alois Iten:
        Ich weiss z.B. nicht von welchen «verschwundenen Lokalmedien» sie sprechen.
        Es kann schon sein, dass es diese gab, aber wenn sie kaum jemand kannte und niemand vermisst, sehe ich in deren Verschwinden kein Problem.
        Man muss aufpassen, dass man hier nicht idealisiert.

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    • Profilfoto von Kusi
      Kusi, 14.02.2022, 09:37 Uhr

      Leider funktioniert das so nicht. Dass reisserische Boulevard-Berichterstattung besser auf dem Markt überleben kann, und qualitativ hochwertiger Journalismus fast keine Chance hat, ist schon lange klar. Man nennt das «Marktversagen», das ist in der Medienbranche nichts neues.
      Durch Social Media wird der Effekt noch verstärkt.

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 13.02.2022, 19:34 Uhr

    Mal ein grosses Dankeschön an die Macher:innen von zentralplus: Ihr arbeitet das wirklich toll, auch die Azubis, seid engagiert und sehr aktuell. Nach dem Nein zum Massnahmenpaket möchte ich als Möglichmacher auch andere Leser:innen ermuntern: Gebt euch einen Kick, bezahlt euren Unterstützungsbeitrag und helft, dass uns Zentralplus als mittlerweile wertvolle Informationsplattform in der ansonsten verarmten Medienlandschaft (LZ, Tele1 und Pipi) erhalten bleibt. Die Region hat so ein gut gemachtes, unahängiges Medium dringend nötig!

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