Zuger Comedian mit neuem Programm

Michael Elsener über Kampfjets, Randen-Bowls und bange Blicke ins Portemonnaie

Er will, dass sich die Schweizer für die Themen interessieren, die sie selber betreffen. Deshalb verpackt er sie unterhaltsam in Video-Häppchen. (Bild: wia)

Wenn Michael Elsener demnächst wieder auf die Bühne tritt, dürfte das für ihn ein besonderes Erlebnis sein. Das Lachen wird von Masken verdeckt, weniger Menschen sitzen aufgrund der Sicherheitsrichtlinien in den Rängen. Bauchweh bereitet ihm jedoch ein anderes Thema, wie der Comedian im Interview erklärt.

Was ist das Schlimmste, das einem Comedian passieren kann? Dass er kein Publikum hat. Insbesondere, wenn man wie Michael Elsener schon längstens eine Tour angekündigt hat. Im September, also zu einem denkbar schwierigen Zeitpunkt, startet der Zuger mit seinem neuen Programm «Fake me happy». Auch wenn es dabei noch einige unbekannte Faktoren gibt.

Noch hat Michael Elsener etwas Zeit übrig. Zeit für ein Tonic Water am stürmischen Zugersee an einem der wohl letzten Sommertage.

zentralplus: Die Frage drängt sich auf. Michael Elsener, wie erging es Ihnen seit Corona?

Michael Elsener: Zum Anfang des Lockdowns war ich enorm energiegeladen. Ich habe mich spontan entschieden, mein neues Programm zu schreiben und konnte mich völlig ungestört in neue Themen und Parodiefiguren zu vertiefen. Ich machte es mir etwa zur Aufgabe, den Gesamtbundesrat zu parodieren. Das, obwohl ich überhaupt keinen Zugang zu Walliserdeutsch habe.

zentralplus: Wie entsteht bei Ihnen so ein Programm?

Elsener: Ich bin ja immer unterwegs wie ein Schwamm, sammle Informationen und lege diese  – auch physisch – für mich ab. Meine Ideen entstehen wie in einem Gewächshaus. Ich säe etwas aus und schaue dann, ob es gedeiht. Die Kehrseite davon: Dass ich in der letzten Zeit quasi für den Estrich produziert habe.  

«Die aktuelle Unsicherheit ist eine gute Möglichkeit, das Loslassen zu üben.»

zentralplus: Tatsächlich finden Veranstaltungen erst zögerlich wieder statt und nur unter strengen Sicherheitsmassnahmen. Diese ändern andauernd. Langfristig zu planen scheint unmöglich zu sein. Eine schwierige Situation für Sie?

Elsener: Ja, nicht zuletzt, da es üblich ist, Comedy-Tourneen mindestens ein Jahr im Voraus zu planen. Die aktuelle Unsicherheit ist eine gute Möglichkeit, das Loslassen zu üben.

zentralplus: Gelingt Ihnen das?

Elsener: Wenn es um Privates geht, ja. Beruflich ist das schwieriger, da viele Faktoren zusammenhängen. Werde ich meiner Technikcrew Arbeit geben können? Lohnt es sich, ein grosses Werbepaket zu buchen? Sind die Leute bereit, zwei Stunden mit einer Maske in einem Saal zu sitzen? Letzteres habe ich übrigens erfolgreich getestet.

zentralplus: Ja?

Elsener: Ich habe mich zu Hause aufs Sofa gesetzt, mir eine Maske angezogen und mir ein Stand-up-Special auf Netflix angeschaut. Nach zwanzig Minuten wollte ich ein Praliné essen und hab’s mir prompt in die Maske gedrückt. Man vergisst sie also tatsächlich.

zentralplus: Ihr neues Programm heisst «Fake me happy». Mögen Sie das erklären?

Elsener: Man sieht das gut in der aktuellen Lage. Wir leben zwar in turbulenten Zeiten, und diese würden eigentlich unsere volle Aufmerksamkeit abverlangen. Doch wir flüchten lieber in andere Welten. Wir schauen stundenlang Netflix, posten nach wie vor Randen- und Avocado-Bowls auf Instagram und knipsen trotz allem jedes Wochenende Selfies vor Wasserfällen. Wir wissen, wie mies die Lage ist, doch nutzen wir die Möglichkeiten, um die Realität happy zu faken.

Kurz vor Michael Elseners «Fake me happy»-Tournee trafen wir den Zuger Comedian zum Interview. (Bild: wia)

zentralplus: Ist es denn immer schlecht zu «faken», sprich, etwas vorzugeben? Auf Englisch sagt man «Fake it ‘till you make it», womit aus dem Wort wiederum etwas Positives gemacht wird.

Elsener: Überhaupt nicht. Das Wort «Fake» ist zwar negativ konnotiert mit Ausdrücken wie «Sie ist so fake» oder «Fake News», doch letztlich müssen wir alle manchmal «faken». Wir können nicht in jeder Situation die Wahrheit sagen. Wenn mir die SBB etwa erklären, dass mein Zug wegen einer Fahrleitungsstörung zu spät ankommt, bin ich zwar froh um eine Erklärung, doch ist es mir letztlich egal, ob das der wirkliche Grund ist. Genauso wenig will man von jeder Person immer hören, wie’s ihr wirklich geht und umgekehrt.

zentralplus: Der Philosoph Philipp Tingler hat letzthin in einem Gespräch über Authentizität gesagt, dass man ja immer dann am authentischsten ist, wenn man am schrecklichsten ist.

Elsener: Das hat was. Oder wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, beispielsweise jemandem ein Glas herunterfällt. Während dieses Überraschungsmoments ist es für die meisten Menschen sehr schwer, zu «faken». Eigentlich müsste man beim Daten extra solche Experimente einbauen. So lernt man sein Gegenüber schneller kennen.

zentralplus: In den USA geniessen politische Late-Night-Formate nicht nur grosse Aufmerksamkeit. Viele Menschen bilden sich primär mit diesen Sendungen ihre politische Meinung. Das verschafft den Comedians eine gewisse Macht. Sind Sie sich dieser bewusst?

Elsener: (überlegt kurz) Sie sprechen vermutlich meine «Funny Explanation Videos» an, die ich seit Jahren jeweils vor Abstimmungen auf Facebook und Youtube poste. Mir ist es schlicht ein sehr grosses Anliegen, dass sich Menschen für politische Abläufe und Geschehnisse interessieren. Häufig kommen diese Informationen sehr trocken daher. Selbst ich hänge bei langen und komplizierten Artikeln nach der Hälfte ab. Ich fand, es müsse doch möglich sein, Themen, die unser Zusammenleben betreffen, in spannende Geschichten zu packen. Eine Mischung zwischen Information, Einordnung und Pointe. So entstanden diese Videos.

zentralplus: Am 27. September kommt ein «Super Sunday» auf die Schweiz zu. Wir stimmen über fünf ziemlich wichtige nationale Themen ab, dazu kommen kantonale und kommunale Vorlagen. Bei welchem der Themen halten Sie gern den Finger drauf?

Elsener: Eine Vorlage, die danach schreit, dass man genauer hinschaut, ist der Bundesbeschluss zur Beschaffung neuer Kampfjets. Die Schweiz soll sechs Milliarden Franken aufwenden, um neue Kampfflugzeuge zu beschaffen. Blicken wir zurück auf den letzten Ernstfall: 2014 drang ein entführtes Flugzeug der Ethiopian Airlines in den Schweizer Luftraum ein. Das Flugzeug wurde von italienischen Jets abgefangen, dann von französischen Jets zur Landung begleitet. Dies, weil die Schweizer Kampfjets damals ausserhalb der Bürozeiten nicht flogen. Das Beispiel zeigt: Eine Kooperation mit anderen Nationen funktioniert einwandfrei. Es ist nicht nötig, dass die Schweiz solche äusserst seltenen Einsätze alleine stemmt.

«Ich bin ehrlich gesagt selber erstaunt, wie wenige Hater den Weg auf meine Kommentarspalte finden.»

zentralplus: Wer sich politisch exponiert, ob humoristisch oder nicht, macht sich angreifbar. Wie gehen Sie mit «Hatern» um?

Elsener: Ich bin ehrlich gesagt selber erstaunt, wie wenige davon den Weg auf meine Kommentarspalte finden. Die meisten Diskussionen, die ich auf Social Media führe, sind konstruktiv. Vielfach ist die Kritik auf gutem Niveau, ich erhalte dadurch wertvolle Inputs.

zentralplus: Sie waren 2019 dank eines Atelierstipendiums des Kantons Zug ein halbes Jahr in Berlin. Was haben Sie von dort mitgenommen?

Elsener: Ein besseres Verständnis für Dramaturgie. Berlin ist eine der grössten Theaterstädte Europas, ich habe mir deshalb viele Stücke angeschaut, stand selber häufig auf der Bühne. Für mich ist Theater sehr inspirierend. So sehr, dass ich sogar selber angefangen habe, an längeren Stücken zu arbeiten. Nachhaltig beeindruckt hat mich in Berlin ausserdem ein Besuch in einem ostdeutschen Gefängnis, in welchem während der DDR-Zeit Systemkritiker gefangen gehalten wurden. Das waren Menschen, die das Gleiche gemacht haben, wie ich es heute tue. Das ist mir sehr eingefahren. Wie frei ich heute lebe und wie schnell sich das auch wieder ändern kann.

Corona und Lustigsein: Geht das überhaupt zusammen? Elsener findet, na und ob. (Bild: wia)

zentralplus: Corona ist zwar nicht eine politische, menschgemachte Veränderung. Dennoch hat das Virus Ihnen gewissermassen die Freiheit genommen.

Elsener: Absolut. Ich dachte immer, ich sei beruflich sehr breit aufgestellt. Nun stellt sich jedoch heraus, dass das gar nicht stimmt. Alles, was ich mache, hat mit Publikum zu tun. Vielleicht wäre ich doch besser Politik-Lehrer geworden. Vielleicht ist das aber auch eine gute Erfahrung. Ich lebe ja als Comedian davon, Leute zu überraschen. Nun werde für einmal ich überrascht.

«Hmmpf höhömpf Hmmpf Hmpf Höhömpf.»

zentralplus: Passt Corona und Lustigsein überhaupt zusammen?

Elsener: Ja, so lange ich nicht in mein Portemonnaie schaue. Was ich als Komiker mache, ist zuspitzen. Durch Corona haben viele Situationen schier groteske Züge angenommen. Die Zuspitzung, die ich sonst mache, passiert von alleine.

zentralplus: Wo liegen für Sie in dieser Zeit die Grenzen des Humors?

Elsener: Bei der Krankheit an sich. Viele sind erkrankt, viele sind gestorben, darüber macht man keine Witze. Was man jedoch sehr wohl humoristisch beleuchten kann, ist unser Umgang mit Corona, beispielsweise mit den Masken. Wie lange es brauchte, bis wir sie uns endlich aufgesetzt haben. Die Vorteile, jetzt, wenn alle Masken tragen: Das sind tolle Zeiten für schlechte Bauchredner. Und an den 1.-August-Feiern mit Maskenpflicht konnten endlich alle den Text der Nationalhymne. «Hmmpf höhömpf Hmmpf Hmpf Höhömpf».

zentralplus: Sie haben vorhin Ihr Portemonnaie angesprochen. Werden Sie nervös, wenn Sie an Ihre Finanzen denken?

Elsener: Mein Optimismus variiert von Woche zu Woche, insbesondere, da wir ja alle nicht wissen, wie lange das alles noch dauert. Wenn ich auf meiner Tour den Saal nun wegen Corona nur zu 50 Prozent füllen kann, komme ich mit einem blauen Auge davon. Doch werden wir unter dem Break-even-Point bleiben. Vielmehr geht es mir mit der Tour darum, den Leuten, die wieder mal raus möchten, ein Angebot zu machen, ein positives Zeichen zu setzen. Zu zeigen, dass das Leben weitergeht und man mit einem sicheren Gefühl rausgehen kann, um zwei Stunden zu lachen und alles ringsherum zu vergessen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan Räber
    Stefan Räber, 31.08.2020, 09:21 Uhr

    Ich mag ihn und ich bedaure, dass SRF seiner Sendung nicht mehr Zeit – und Personal – zur Verfügung gestellt hat. Da hätte mehr draus werden können.

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