Luzerner Schule profitiert von Mediengesetz

Martina Fehr: «Ohne Journalismus ist das MAZ tot»

Martina Fehr spürt am MAZ unmittelbar, wie es der Medienbranche geht. (Bild: Caroline Mohnke)

In der Kontroverse um die Medienförderung kommt kaum zur Sprache: Von einem Ja würde auch das Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern profitieren. Direktorin Martina Fehr erklärt im Gespräch, was das Paket finanziell für das MAZ bedeutet. Und wie es um die Branche steht.

Die einen warnen vor Staatsmedien, die anderen vor dem Risiko einer geschwächten Demokratie ohne Medien. Wird über die Medienförderung gesprochen, die am 13. Februar zur Abstimmung kommt, rühren Gegnerinnen und Befürworter verbal mit der grossen Kelle an. Im Windschatten der Polemik kaum zur Sprache kommt ein Teil des Pakets, der auch in Luzern von Bedeutung ist: die Massnahmen für alle Medien.

Insgesamt maximal 23 Millionen Franken sind vorgesehen für die Aus- und Weiterbildung von Journalisten, für die Nachrichtenagenturen und für digitale Infrastrukturen. Bislang fliessen nur gerade fünf Millionen jährlich in diesen Bereich.

Die Situation am MAZ als Abbild der Branche

Von der Medienförderung betroffen wäre insbesondere das Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern. Die Schule an der Murbacherstrasse, direkt am Puls der Branche, bekommt den Wandel in der Medienlandschaft unmittelbar zu spüren. Besonders die knappen Ressourcen auf vielen Redaktionen. Die Hauptkunden am MAZ sind nicht die grossen Medienhäuser, sondern Titel wie der «Willisauer Bote», das «Urner Wochenblatt» oder das «Bieler Tagblatt».

«Vor fünf Jahren hatten wir noch rund 60 Studierende in der Diplomausbildung», sagt Direktorin Martina Fehr. «Heute sind es noch 25.» Denn während grössere Medienhäuser ihren Nachwuchs tendenziell öfters im eigenen Haus ausbilden, schicken insbesondere kleine Verlage ihre Volontärinnen ans MAZ. Weil ihnen zunehmend das Geld fehlt – die zweijährige Diplomausbildung am MAZ kostet rund 28'000 Franken –, investieren sie weniger in die Ausbildung.

«Ein Burnout mit Anfang 20 gab es früher äusserst selten. Heute sind Überbelastung und Leistungsdruck ein allgegenwärtiges Thema.»

Martina Fehr, MAZ-Direktorin

Dass der Rückgang wesentlich damit zusammenhängt, dass weniger Junge in den Journalismus einsteigen wollen, glaubt Martina Fehr nicht. Zwar gebe es hie und da Redaktionen, die händeringend Nachwuchs suchen. Aber insbesondere die Corona- und die Klimakrise haben zu einem gestiegenen Interesse an politischen und damit auch journalistischen Fragen geführt. «Wollten früher viele ‹etwas mit Medien› machen, ist heute eine neue Ernsthaftigkeit zu spüren: Viele Junge wollen die Welt verstehen sowie die Zusammenhänge aktiv mitgestalten und einordnen.»

Im Alltag spüren sie, und damit auch das MAZ, wie viele Redaktionen mit knappen Ressourcen zu kämpfen haben. «Ein Burnout mit Anfang 20 gab es früher äusserst selten. Heute sind Überbelastung und der Leistungsdruck ein allgegenwärtiges Thema unter jungen Medienschaffenden», sagt Martina Fehr und erwähnt in diesem Kontext den Podcast der Jungen Journalisten Schweiz. Dieser hat letzten Sommer die mentale Gesundheit der Branche in den Fokus gerückt.

Journalismus ist das Herzstück des MAZ

Das MAZ engagiert sich im Pro-Komitee für die Medienförderung. Wie viel Geld bei einem Ja an die Schule in Luzern fliessen würde, steht allerdings noch nicht fest. Auch das will der Bund – genauso wie die geplanten Beiträge an die Onlinemedien – in der Verordnung regeln.

Die Grundausbildung für Journalisten am MAZ könnte mit maximal 80 Prozent unterstützt werden. Ein wesentlicher Beitrag, der laut Martina Fehr vor allem die kleinen und mittleren Verlage entlastet. Also die Hauptkunden der Schule im Journalismusbereich.

«Die Diplomausbildung Journalismus ist das absolute Herzstück des MAZ. Unsere ganze Reputation und unser Selbstverständnis basieren darauf»

Aktuell unterstützt das Bakom Aus- und Weiterbildungen schweizweit mit einer Million. Davon entfiel in den letzten Jahren rund 460'000 Franken auf das MAZ, sagt Fehr. «Wir gehen davon aus, dass der Beitrag für Aus- und Weiterbildungen von heute 1 auf 2 Millionen aufgestockt würde. Wie das unter den einzelnen Institutionen aufgeteilt würde, steht noch nicht fest.»

Dass auch dieses Stück des Kuchens umstritten ist, unterstreichen die erfolgten Lobbyaktivitäten. Das MAZ kämpfte dafür, dass nur unabhängige Schulen unterstützt werden und nicht konzern-interne Ausbildungsgänge. Dafür erntete sie prompt Kritik des langjährigen Ringier-Schule-Verantwortlichen. Jetzt ist die Vorlage so ausgestaltet, dass all jene Institutionen Geld erhalten, deren Abschlüsse von der Branche anerkannt werden.

Medienförderung fürs MAZ nicht substanziell, aber wichtig

Fest steht: Für das MAZ mit seinem Jahresbudget von rund 6 Millionen Franken ist die vorgesehene Aufstockung der Subvention von der Grössenordnung her nicht substanziell – anders als beim Presserat (siehe Box). Dazu muss man wissen: Nicht die Ausbildung der Journalisten, sondern jene der Mediensprecher und Kommunikationsfachleute rentiert für das MAZ. Die Kommunikation dient als Querfinanzierung für den Journalismus-Zweig. Oder wie Martina Fehr es sagt: «Die Kommunikation verdient das Geld, der Journalismus verbrennt es.» 

Besonders deutlich zeigte sich das 2020, als in der Coronakrise die Abteilung Kommunikation mit grosser Verzögerung auf den virtuellen Unterricht umstellte und das MAZ dadurch einen Verlust schrieb. Wenn dieses Geschäft nicht laufe, sei das fürs MAZ, rein betriebswirtschaftlich gesehen, schlimmer als der Kriechgang der Medienbranche, so Fehr.

Das Medienpaket im Abstimmungsvideo des Bundes kurz erklärt:

Diese Fahrt auf zwei Schienen bringt dem MAZ regelmässig Kritik ein. Wie kann eine Journalistenschule glaubwürdig sein, wenn sie der «Gegenseite» der Medien das Handwerk beibringt? «Wir sind überzeugt, dass es auch den Journalisten hilft, wenn Kommunikationsfachleute die Medien besser verstehen», sagt Martina Fehr dazu. Und betont, dass man strikte Grenzen ziehe: «Wir machen weder Beratung oder Consulting noch Kampagnen oder Konzepte.» 

Denkt man den eingeschlagenen Weg aber konsequent weiter, stellt sich die Frage, ob das MAZ dereinst – allenfalls auch nach einem Nein zur Medienförderung am 13. Februar – noch stärker auf die Kommunikation setzt und den Journalismus irgendwann fallen lässt. Martina Fehr schüttelt vehement den Kopf. «Die Diplomausbildung Journalismus ist das absolute Herzstück des MAZ. Unsere ganze Reputation und unser Selbstverständnis basieren darauf», sagt die Direktorin und versichert: «Ohne Journalismus ist das MAZ tot.»

Regierung würde Schwächung des Journalismus am MAZ bedauern

Zuspruch erhält das MAZ, notabene zehn Jahre nach dem drohenden Wegzug aufgrund finanzieller Zerwürfnisse, auch vom Luzerner Regierungsrat. «Der Kanton Luzern hat ein grosses Interesse daran, dass auf dem Platz Luzern Schweizer Medienleute praxisnah und kompetent ausgebildet werden», hielt der Regierungsrat kürzlich im Zusammenhang mit einer Anfrage zur Abstimmung fest (zentralplus berichtete). «Unser Rat würde eine Schwächung des journalistischen Standbeins des MAZ aus medienpolitischen Erwägungen bedauern, auch wenn das MAZ längst nicht mehr nur für den Journalismus ausbildet, sondern auch für andere Wirtschaftszweige Ausbildungen und Weiterbildungen im Bereich Kommunikation anbietet, also marktnah aufgestellt ist.»

Von einer kantonalen Medienförderung will die Regierung bislang aber nichts wissen. Für MAZ-Direktorin Martina Fehr ist das ohnehin keine gute Alternative. «Die Kantone sind näher an den regionalen Medien als der Bund – wenn man Angst vor Beisshemmungen hat, dann wohl eher bei einer kantonalen Medienförderung. Man müsste also schon sehr genau schauen, was die Kantone wie subventionieren.» 

Dass die kaum bestrittenen Subventionen für Agenturen und Ausbildung bei einem Nein trotzdem rasch ausgelöst würden, bezweifelt Martina Fehr. «Von Seiten des Bakom wurde uns klar signalisiert, dass man diese zusätzliche Unterstützung fallen liesse und keinen neuen Anlauf unternehmen würde. Und wenn man schaut, wie viele Jahre es brauchte, bis der jetzige Kompromiss auf dem Tisch liegt, dürfte ein neuer Vorschlag nicht so schnell vorliegen.»

Prekäre Lage beim Presserat

Martina Fehr ist seit 2021 auch Stiftungsratspräsidentin des Schweizer Presserates (zentralplus berichtete). Die Stiftung ist unter anderem für die Finanzierung des Presserats zuständig. Der operative Presserat entscheidet über Beschwerden, die Leserinnen und Betroffene von Artikeln und Medienberichten einreichen. Und dürfte bei einem Ja zum Mediengesetz ebenfalls auf finanzielle Unterstützung hoffen. Laut Martina Fehr rechnet auch der Presserat mit einer Verdoppelung des aktuellen Betrages von 50’000 Franken pro Jahr.

Und das sei bitter nötig. «Die finanzielle Situation beim Presserat ist wirklich prekär», sagt Fehr. Denn die Arbeitslast nimmt zu und bis auf die Geschäftsstelle werden keine Löhne bezahlt. Bis auf die Sitzungsgelder arbeiten alle ehrenamtlich. Im ersten Coronajahr registrierte der Presserat 181 Fälle, letztes Jahr 159 Fälle. Zum Vergleich: Über lange Zeit pendelte sich die Zahl der Beschwerden auf 80 Fälle pro Jahr ein. «Die Arbeitslast ist enorm und wir können nirgends sparen», sagt Fehr.

Um den finanziellen Druck zu lindern, prüft man derzeit  andere Finanzierungsmöglichkeiten, sei es über einen Gönnerverein oder ein Crowdfunding, sagt Fehr. Als letzte Möglichkeit steht zur Debatte, finanzielle Hürden einzubauen, sodass gewisse Beschwerden nicht mehr kostenlos wären. Doch das hält Martina Fehr für den falschen Weg, denn die Selbstregulierung der Branche sei wichtig. «Alle sollen sich niederschwellig wehren können, wenn sie sich von den Medien ungerecht behandelt fühlen.» Die hohe Zahl der Beschwerden zeige, dass die Nachfrage nach diesem «Service Public» vorhanden sei, argumentiert Martina Fehr.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Martina Fehr, Direktorin des MAZ
  • Botschaft des Bundesrates zur Abstimmung über das Massnahmenpaket zugunsten der Medien
  • Stellungnahme der Luzerner Regierung zur Anfrage von SP-Kantonsrätin Anja Meier
  • Podiumsgespräche von Syndicom und Kosmos Zürich zur Medienförderung

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 03.02.2022, 07:25 Uhr

    Die hohe Zahl der Beschwerden zeigt vorallem, dass die Nachfrage nach Qualität vorhanden ist. Ein Schwanzbeisser…

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