Regierung informierte über Spange-Nord-Alternative

Luzerner Reussport-Gegner können auch zuhören

Vor dem Verkehrshaus sammeln die Reussport-Gegner Unterschriften. (Bild: uus)

Auch mit dem redimensionierten Projekt für den Autobahnzubringer bläst der Luzerner Regierung ein eisiger Wind entgegen. Eine Infoveranstaltung am Dienstag fand regen Anklang. Die Bitte des Baudirektors nach gegenseitigem Respekt wurde aber erhört – trotz im Vorfeld lautstark angekündigten Protesten.

Noch sind es mehr Polizisten als Demonstranten, die beim Verkehrshaus stehen. Es ist 19.30 Uhr. Mit Transparenten bewaffnet fordern die Reussportbrücke-Gegner Besucher dazu auf, ihre Unterschrift gegen das Projekt abzugeben. Einige winken ab, andere unterschreiben. Wieder andere haben den Antrag schon unterzeichnet. 200 gültige Signaturen braucht es, um den Stadtrat aufzufordern, klar Position gegen die Spange zu beziehen, die nun eine Brücke ist.

Die Ausgangslage: Statt der Spange Nord will der Kanton nun einzig mit der Reussportbrücke der Zugang zum künftigen Bypass Luzern sicherstellen. Das verkündete der Regierungsrat Ende Oktober (zentralplus berichtete). Nach einer externen Überprüfung sei man zum Schluss gekommen, dass der Autobahnanschluss Luzern-Lochhof nur westseitig mit einer Brücke über die Reuss in Betrieb genommen werden soll.

Auf eine Verkehrsachse durch das Maihofquartier soll hingegen verzichtet werden. Die Kosten fallen so wesentlich tiefer aus: Statt 200 Millionen Franken sind 40 Millionen Franken für die Brücke budgetiert plus noch einmal rund 45 Millionen für ein unabhängiges Projekt, das den Schlossberg für alle Verkehrsteilnehmer sicherer machen und das über den Strassenbaufonds finanziert werden soll.

Vom Marianischen Saal ins Verkehrshaus

Am Dienstagabend nun informierten die Verantwortlichen zum Beginn der Vernehmlassung, die bis Ende März 2020 dauert. Allen voran sprachen Regierungsrat Fabian Peter (FDP), Kantonsingenieur Rolf Bättig sowie Michel Simon als externer Bauherrenberater und Koordinator der externen Überprüfung über das Projekt. Wegen der grossen Resonanz wurde die Veranstaltung vom Marianischen Saal an der Bahnhofstrasse ins Verkehrshaus verlegt.

«Ich erwarte, dass andere Meinungen respektiert werden.»

Fabian Peter, Regierungsrat

Auf der Befürworterseite präsent sind dort am Dienstagabend nebst der Regierung auch wirtschaftsfreundliche Verbände wie die City-Vereinigung. Quartiervereine hingegen und politische Kräfte, die nun in der IG Reussport-Nein vereint sind, haben im Vorfeld des Anlasses lautstarken Protest angekündigt. Vorneweg: Laut wurde es nicht, aber die Protesthaltung blieb am Ende dennoch spürbar.

Es ist 20.15 Uhr, als Baudirektor Fabian Peter die zahlreichen Interessierten begrüsst. «Es ist ein Thema, das bewegt», hält der FDP-Mann gleich zu Beginn fest. Zuvor habe man mit Interessenvertretern und Quartierbewohnern die Infoveranstaltung bereits durchgeführt. «Es war ein guter, konstruktiver Austausch – auf einer anständigen Ebene.» Für den zweiten Teil seiner Aussage erntet Peter vereinzelte Lacher. Er fügt gleich an: «Wo man baut, gibt es Betroffene.» Und gibt sich betont sportlich: «Ich erwarte, dass andere Meinungen respektiert werden.»

Das Publikum hört aufmerksam zu

Ziel des Kantons sei die Sicherstellung der Erreichbarkeit der Stadt Luzern als Wirtschaftsmotor des Kantons. «Wir planen die Mobilität der Zukunft», sagt Peter, bevor er zu einer Vorgeschichte des Projekts ausholt. Das Publikum hört ruhig und aufmerksam zu.

Auch wenn einige Stühle leer blieben: Der Saal im Verkehrshaus war gut gefüllt. (Bild: uus)

Das gilt auch für die Ausführungen von Bauherrenberater Michel Simon. Er stellt die Entstehung des Syntheseberichts vor, der schliesslich den Ausschlag gegeben hat, dass aus einer Spange nun eine Brücke geworden ist – «als die aus fachlicher Sicht zweckmässige Lösung». Insgesamt 43 Varianten habe man zuvor geprüft, so Simon. Im Schnelldurchlauf ging er die wichtigsten Varianten durch, ohne mit Details zu geizen. Kurz: Pro Franken hat die Reussport-Variante den grössten Nutzen auszuweisen unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und Umweltaspekten. Auffällig: Unter dem Fokus Umwelt fällt die Lösung allerdings im Vergleich ab.

Nach der Geduldsprobe kommen die Fragen

Es ist 21.05 Uhr. Der erste Zuhörer hat genug gehört. Er verlässt den Saal wortlos. Er bleibt der einzige. Einige weitere Zuhörer wackeln aber inzwischen etwas ungeduldig auf den Stühlen, kleinere Seitengespräche tun sich auf. Es geht nun um die Verkehrsströme auf der Reussportbrücke.

Bis Fabian Peter schliesslich zusammenfasst: «Wir sind nun eher eine Ebene zurück als vorwärts gegangen. Nun gibt es wieder Luft und Möglichkeiten zur Mitwirkung.»

«Jede Strasse, die wir bauen, ist falsch.»

Besucher der Infoveranstaltung

Von dieser machten die Zuhörer Gebrauch, vor allem die mit kritischen Stimmen. Ein klarer Tenor: Die Verkehrsplanung der Regierung geht zu stark – auch zukünftig – vom motorisierten Individualverkehr aus. Alternative Mobilitätskonzepte würden zu wenig thematisiert. Von einem «Denkfehler» etwa war die Rede. Es kam auch die Frage auf, ob es nicht Möglichkeiten gebe, auf dem bestehenden Netz den öffentlichen Verkehr auszubauen, ohne weitere Strassen zu konstruieren. Ein Votum machte diese Haltung besonders deutlich: «Jede Strasse, die wir bauen, ist falsch.»

Zwischen konkretem Auftrag und der Zukunft der Mobilität

Baudirektor Peter kontert, dass es sich um einen Auftrag des Parlaments an die Regierung handle, von dem man heute spreche. Dieser Auftrag laute, den Verkehrsanschluss und somit die Erreichbarkeit der Stadt Luzern zu gewährleisten. Das sei ein Anliegen der Wirtschaft, aber auch der Kantonsbevölkerung. Es sei nicht der Auftrag, ein neues, übergeordnetes Konzept zu entwickeln.

So geht es weiter

Bis Ende März können alle Interessengruppen zum Bericht und dem Variantenentscheid Stellung nehmen. Danach werden die Antworten ausgewertet. Die Regierung wird anschliessend einen Planungsbericht dem Parlament zur Empfehlung abgeben. Im Herbst 2020 soll der Beschluss des Kantonsrates folgen. Da es sich um ein Projekt handelt, das über 25 Millionen Franken schwer ist, wird es sowieso eine Volksabstimmung geben.

Als schliesslich das Beispiel Kopenhagen ins Spiel gebracht wird, das als Paradebeispiel etwa für Velofahrer gilt, sagt er: «Wir konnten in diesem Fall nicht an solche Modelle denken. Das tun wir andernorts.» Mit dem Durchgangsbahnhof gebe es zudem auch ein grosses ÖV-Projekt.

Die Veranstaltung macht deutlich, dass es für viele an diesem Dienstagabend nicht nur um einen Variantenentscheid geht – also die Frage, ob eine Spange, eine Brücke oder ein Tunnel gebaut werden sollte. Sondern um die Zukunft der Mobilität. Kurz: Das wird keine einfache Aufgabe für die Regierung. Sie muss das eine tun, darf aber das andere nicht lassen.

Es ist weit nach 22 Uhr. Das Mitwirkungsverfahren ist definitiv lanciert.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Thomas Kunzt
    Thomas Kunzt, 20.11.2019, 14:12 Uhr

    Mobilität der Zukunft hiesse: endlich sichere Velowege in die Stadt! Wer vom Rontal in die Stadt radelt braucht zwischen Schlossberg und Seebrücke sehr gute Nerven. Es gibt zahlreiche gefährliche Stellen – etwas die Bushaltestelle Weggismatt, bei der jeder zweite Autofahrer der Richtung Sedel abbiegt es nicht für nötig befindet, rechts zu blinken. Oder die Zürichstrasse, wo der Velostreifen stadteinwärts schlicht fehlt. Oder die Alpenstrasse, wo besonders in der Stosszeit gerne mal Lieferwagen den Velostreifen versperren….

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  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 20.11.2019, 10:05 Uhr

    RR Fabian Peter macht das, wofür er gewählt wurde: Infrastrukturprojekte (ob sinnvoll oder nicht, spielt dabei nicht die geringste Rolle) vorantreiben und damit die Bauindustrie mit lukrativen Aufträgen versorgen. That’s all. Es liegt nun an der mündigen, betroffenen und widerstandserprobten Stadtluzerner Bevölkerung hier den Riegel zu schieben! Ist der Widerstand nur genügend gross, wird die Regierung das Projekt früher oder später nolens volens fallen lassen!

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  • Profilfoto von Walter Albrecht
    Walter Albrecht, 20.11.2019, 09:58 Uhr

    Mobilität der Zukunft für die Agglomeration Luzern bedeutet ÖV, wo möglich als automatisierte Metro, als Tram oder als Stadtbahn.
    Eine Forderung nach sorgfältiger Überprüfung des zukunftsorientierten Metroprojekts Schwanenplatz,
    Kantonsspital zum Autobahnanschluss Ibach steht im kommenden Februar zur Abstimmung an. Eine solche Metro könnte gebaut sein, wenn die gewaltigen Herausforderung beim Bau des Durchgangsbahnhofs die Stadt massiv beeinträchtigen werden, sofern dieser wirklich kommt.

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