In anderen Städten gibt's das «Zicken»-Regal

«Jungs»- und «Mädchen»-Bücher? In Luzerner und Zuger Bibliotheken hält man nichts davon

Man sollte Mädchen und Jungs Freiheiten geben, was sie lesen wollen, sind sich hiesige Bibliotheken einig. (Symbolbild: Unsplash/Josh Applegate)

In anderen Schweizer Städten findet man in Bibliotheken Regale für «Starke Jungs» und eines mit der Beschriftung: «Prinzessinnen – Zicken – Freundin». In Luzern und Zug hingegen ist man sich einig: «Mädchen»- und «Jungs»-Bücher gibt es nicht.

Das Mädchen will Prinzessin oder Piratin sein. Der eine Junge träumt davon, Robin Hood zu sein – der andere lackiert sich lieber die Fingernägel und spielt mit Puppen.

So sieht die Realität aus. Doch nicht selten werden Kinder mit Stereotypen konfrontiert. Und der Meinung, es gebe Geschichten, die für Jungs geschrieben wurden. Etwa, wenn darin ein Drache vorkommt. Oder ein Astronaut. Und dann gibt es natürlich Geschichten, die für Mädchen sind. Mit Ponys, Glitzer und Einhörnern natürlich.

Die Zürcher Stadtbibliothek Uster jedenfalls teilte ihre Kinder- und Jugendbücher nach zwei Kategorien ein: «Mädchen» und «Jungen».

Diese sind jetzt jedoch passé. Grund ist eine Studie der Bibliotheks-Mitarbeiterin Milena Eberhard. Sie fand heraus, dass der Stempel auf den Büchern das Ausleihverhalten der Kinder massiv beeinflusst, berichtete der «Tagesanzeiger»: Gerade einmal zwei Prozent der Kinder haben ein Buch ausgeliehen, das im Regal fürs andere Geschlecht stand. Nachdem die «Jungs»- und «Mädchen»-Kategorien verbannt wurden, hat sich jedes fünfte Kind für ein Buch des anderen Geschlechts entschieden.

In Luzern und Zug gibt's solche Jungs-Mädchen-Kategorien nicht

In der Stadtbibliothek Luzern kennt man keine solche Kategorien, sagt der Bibliotheksleiter Josef Birrer. Ebenso in der Bibliothek Zug, wie Jasmin Leuze, stellvertretende Leiterin sagt. Birrer sagt klipp und klar: «Ich sehe nicht ein, warum wir bestimmen sollten, was Mädchen und Buben lesen sollten.»

«Wir wollen keine Rollen zementieren und Kinder in bestimmte Genderrollen drängen.»

Gabriela Mattmann, Bibliothek Zug

Gabriela Mattmann, Fachbereichsleiterin Bibliothekarische Dienste der Bibliothek Zug, vermutet, dass Bibliotheken, die Kinderbücher nach Geschlechtern trennen, vermutlich Jungs zum Lesen animieren wollen. Aus der PISA-Studie weiss man: Fast die Hälfte der Schweizer Jungs – mehr als 43 Prozent – finden Lesen eine Zeitverschwendung.

Dass man in Zug nie solche Kategorien einführte, bewahrheitet sich bei der aktuellen Gender-Debatte. «Wir wollen keine Rollen zementieren und Kinder in bestimmte Genderrollen drängen», sagt Mattmann. Und Jasmin Leuze doppelt nach: «Kinder sollen selbst entscheiden. Und wir sollten sie dabei unterstützen, indem wir ihnen eine neutrale Sicht auf die Dinge ermöglichen und so die Lust aufs Lesen vermitteln – neben Büchern auch mit anderen Medien.»

Mit Büchern abtauchen in andere Welten

Viele Verlage leisten jedoch eine grosse Vorarbeit, wenn es um Stereotype in Kinderbüchern geht. Deshalb sei es umso wichtiger, bei der Wahl der Bücher darauf bedacht zu sein, auch die «anderen» Geschichten zu haben, betonen Mattmann und Leuze. Diejenigen mit Jungs, die lieber Röcke tragen, und Mädchen, die davon träumen, Astronautin zu werden – oder Feuerwehrfrau, wie im Buch der Luzernerin Valery Volken (zentralplus berichtete).

Josef Birrer ist der Ansicht, dass eine Bibliothek gerade dazu da sei, dass Kinder und Jugendliche in verschiedene Bereiche schnuppern, in andere Welten eintauchen können. Und das in einem niederschwelligen Rahmen. Sodass der Junge, der sich vom Prinzessinnenbuch angesprochen fühlt, sich auch getraut, das Buch auszuleihen. «Mädchen»- und «Jungs»-Ecken würden den Jungen wohl daran hindern.

Und wenn einem die Geschichte nicht passt, legt man es beiseite und gibt das Buch einfach zurück. «Gerade Kinder soll man einfach lesen lassen», sagt Birrer.

In Basel gibt's ein «Zicken»-Regal

In hiesigen Stadtbibliotheken hält man also nichts von solchen Geschlechtertrennungen. Anders in der GGG Stadtbibliothek Basel. Hier werden Bücherregale wie folgt angepriesen: «Starke Jungs» und «Prinzessin – Zicke – Freundin». Das zeigt ein Facebook-Video des feministischen Kollektivs «aktivistin»:

Auf den entsprechenden Beitrag hat die Bibliothek bereits reagiert. Diese Anregungen leite man gerne weiter, die Bereiche würden «so oder so» neu organisiert werden. Und dazu ein Zwinker-Smiley.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Samuel Wespi
    Samuel Wespi, 01.08.2020, 10:25 Uhr

    @Billie Holiday: Denken sie denn es liegt in den Genen der Kinder, dass sie sich eher für Bücher ihres Geschlechts interessieren, wenn die Bücher in Geschlechter eingeteilt sind? :’D Oder noch besser: Dass sie Mädchen aus biologisch erklärbaren Gründen eher die Nägel lackieren?

    Super was die Bibliothekar*innen aus Zug und Luzern da machen! 🙂

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    • Profilfoto von Billie Holiday
      Billie Holiday, 01.08.2020, 21:47 Uhr

      Ja, Samuel Wespi, genau das denke ich, ja! Gene, Chromosomen, ja! X und Y und XX und XY. Genau! You got it. Woran denn wohl sonst?

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    • Profilfoto von Samuel Wespi
      Samuel Wespi, 02.08.2020, 15:32 Uhr

      Jetzt ohne Witz, ihre Denkweise, gerade zu diesen Beispielen, überrascht mich schon sehr. Wie kommen Sie denn darauf? Haben Sie wenigstens eine Quelle dafür? Mir scheints schon nicht logisch, weil Menschen sich ja manchmal die Nägel lackieren und manchmal nicht. Oder sie haben es Mal gemacht und machen es dann nicht mehr. Kommt dieser Impuls zum Nägel lackieren dann von den Genen? Überrascht bin ich zudem, weil auch die konservativ denkenden Menschen in meinem Umfeld zumindest von einem sozialen Geschlecht (Gender) ausgehen, auch wenn sie dies nicht so benennen. Bei den diskutierten Beispielen (ich gehe davon aus) wäre deren Meinung wohl klar. Ihre Denkweise scheint mir deshalb doch sehr extrem.

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  • Profilfoto von Billie Holiday
    Billie Holiday, 31.07.2020, 21:28 Uhr

    Galoppierender Schwachsinn. Es gibt keine „aktuelle Genderdebatte“, die irgendeinen sinnvollen Inhalt hätte. Die Damen Bibliotheksleiterinnen haben, sofern sie sich von Ideologien leiten lassen, möglicherweise den richtigen Beruf verpasst. Am Beginn einer Diskussion über Jugendbücher stand ja seinerzeit pikanterweise genau die Feststellung, dass sich Mädchen mit dem vorwiegend auf Jungs zugeschnittenen Angebot an Abenteuer- und Sagengeschichten eben nicht identifizieren können und wollen. Und mit Verlaub: Der Junge, der sich lieber die Fingernägel lackiert und mit Puppen spielt existiert ja wohl eher im Lehrbuch für Genderstudies als gehäuft in der realen Welt. Und wenn es ihn denn gibt, so ist er ja der Beweis dafür, dass seinesgleichen sich gerne an femininen „Stereotypen“ orientiert. Genau für ihn sollte man die Bücher ins Mädchen-Regal stellen.

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