Mehr Anfragen wegen der Corona-Krise

Im Luzerner Frauenhaus laufen die Drähte heiss

Die Zahl der Telefonberatungen im Frauenhaus Luzern hat stark zugenommen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, arbeiten jetzt viele Menschen von zu Hause aus oder wurden auf Kurzarbeit gesetzt. Familiäre Konflikte können sich dadurch verschärfen und in häusliche Gewalt ausarten. Viele Betroffene suchen Rat beim Frauenhaus Luzern.

Die Botschaft von Annelies Eichenberger ist glasklar und sie ist wichtig: «Wenn jemand Opfer von häuslicher Gewalt wird und weg muss, finden wir einen Platz», sagt die Leiterin des Frauenhauses Luzern.

Bereits seit zwei Wochen rufen vermehrt Frauen an, die Hilfe suchen, weil sie von ihrem Partner geschlagen wurden. Während des Telefonats mit zentralplus hört man es im Hintergrund mehrfach klingeln.

Eichenberger selber bewahrt einen kühlen Kopf. Sie geht ein Problem nach dem anderen an, organisiert Aufnahmen, kümmert sich um die Mitarbeiterinnen, macht Pläne, wie Erkrankte von den übrigen Bewohnerinnen isoliert werden könnten.

«Jetzt, wo der Mann immer zu Hause ist, halten es gewaltbetroffene Frauen nicht mehr aus.»

Frauenhaus-Leiterin Annelies Eichenberger

«Bis jetzt sind glücklicherweise alle gesund», erzählt sie. Die Massnahmen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) werden eingehalten. Auch wenn es in einem Haus mit mehreren Frauen und Kindern alles andere als einfach ist. «Die Frauen leben in einer Wohngemeinschaft, aber selbst an der Kaffeemaschine halten sie jetzt einen Abstand von zwei Metern ein. Man tänzelt umeinander herum», so Eichenberger.

Im Frauenhaus sind die Familien in einzelnen Zimmern untergebracht, was es einfacher macht, sich aus dem Weg zu gehen. «Wir haben zudem noch ein grosses Spielzimmer, das wir als Isolationswohnung nutzen können. Um die traumatisierten und krisengeschüttelten Familien weiterhin zu betreuen, werden kreative Lösungen gesucht und gefunden», verspricht Eichenberger.

Es wird eng in den Wohnungen

In China wurde nach dem Ausbruch des Coronavirus ein drastischer Anstieg der häuslichen Gewalt festgestellt. Und auch die Erfahrungen in Italien zeigen gemäss dem «Komitée Frauenstreik Luzern», dass es im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Bekämpfung des Virus vermehrt zu Fällen der häuslichen Gewalt kommt.

Dass dies auch in Luzern der Fall ist, merkt Eichenberger einerseits an der Zunahme der Anrufe, aber auch an der Länge der telefonisch durchgeführten Beratungen. Sie macht ein Beispiel: «Es melden sich Frauen, die vielleicht schon länger misshandelt worden sind. Und jetzt, wo der Mann immer zu Hause ist, halten sie es nicht mehr aus.»

«Wenn in einer guten Beziehung jemand den Job verliert, dann schlägt er deswegen nicht seine Frau.»

Frauenhaus-Leiterin Annelies Eichenberger

Es gibt auch Fälle, in denen der Mann vielleicht seinen Job verloren hat und seinen Frust darüber jetzt erstmals mit einem Gewaltausbruch an seiner Familie auslässt. Kann man da sagen, es war ein Ausrutscher aufgrund der schwierigen Situation? «Dass die Opfer den Täter mit solchen Überlegungen in Schutz zu nehmen, passiert oft in Fällen von häuslichen Gewalt», sagt Annelies Eichenberger aus Erfahrung.

«Sie melden sich erst, wenn sie ganz sicher sind, dass es nicht besser wird. Aber für mich ist klar: Wenn in einer guten Beziehung jemand den Job verliert, dann schlägt er deswegen nicht seine Frau.» Wenn er es doch tue, schwele wahrscheinlich schon länger ein Konflikt, der durchbricht, wenn es finanziell und räumlich eng wird. «Mir wäre es nicht wohl, eine Frau in so einer Situation zu vertrösten. Wenn sie Hilfe braucht, werden wir sie unterstützen.»

Finanzielle Abhängigkeit spitzt sich zu

Die Themen seien in den telefonischen Beratungen die gleichen geblieben, wie vor dem Ausbruch der Corona-Krise. Aber die Situation der betroffenen Frauen hat sich teilweise deutlich verschärft. «Frauen, die beispielsweise in der Reinigungsbranche gearbeitet haben, stehen jetzt zum Teil ohne Job da. Dadurch verstärkt sich die finanzielle Abhängigkeit vom Partner.»

Ämter sind teilweise schwer erreichbar, was zusätzliche Verunsicherung schürt. «All dies führt dazu, dass unsere Mitarbeiterinnen teilweise den ganzen Tag eine Beratung an der anderen durchführen», so Eichenberger. Verstärkt werden musste das Team aber bislang nicht. «Wir haben drei Leitungen und können so sicherstellen, dass alle durchkommen, die unsere Hilfe benötigen. Aber es ist eine grosse Leistung von unseren 20 Mitarbeiterinnen, auf die ich sehr stolz bin.»

Hinweis: Gewaltbetroffene Frauen können sich unter der Telefonnummer 041 360 70 00 an das Frauenhaus wenden.

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