Kommentar zum Umgang mit dem Öffentlichkeitsgesetz

Zuger SVP will die Arbeit der Medien weiter erschweren

Die SVP um Fraktionschef Philip C. Brunner fragt, wie viel Aufwand das Öffentlichkeitsgesetz den Zuger Behörden beschert. (Bild: Andreas Busslinger/zvg)

Die SVP-Fraktion im Zuger Kantonsrat will wissen, wer mit dem Öffentlichkeitsgesetz Dokumente aus der Verwaltung geholt hat. Plant sie den nächsten Angriff auf die Medien? Das wäre Unsinn. Ein Kommentar.

Jetzt also die SVP. Im Nachgang zur Causa Eurochem (zentralplus berichtete) will die Fraktion im Zuger Kantonsrat in einem neuen Vorstoss wissen, wie viele Gesuche um Einsicht in amtliche Dokumente der Kanton erhalten hat. Und sie fragt: «Gibt es (…) Tendenzen und Muster, die Aussagen über die Art der Gesuchsteller zulassen?»

Die SVP interessiert sich also dafür, wer das Öffentlichkeitsgesetz nutzt. Denn die SVP glaubt, das sind vor allem die Medien. Und das will die SVP aller Voraussicht nach unterbinden.

Aber von Anfang.

Das Öffentlichkeitsgesetz ermöglicht Kontrolle über den Staat

Auslöser für die Kleine Anfrage, eingereicht am letzten Freitag und kommuniziert am Dienstag, ist zentralplus: In der Eurochem-Affäre beriefen wir uns mehrmals auf das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, das Anspruch auf grundsätzlich jedes amtliche Dokument gewährt – vom Sitzungsprotokoll der Regierung bis zum Putzplan in der Verwaltung (zentralplus berichtete). Dem Gesetz unterstehen fast alle kantonalen Stellen, ausgenommen sind etwa das Zuger Kantonsspital oder die Kantonalbank. Das Gesetz ist wichtig, weil es einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht und zeigt, wie der Staat mit der Macht umgeht, die er über seine Bürgerinnen und Bürger hat.

Wenig überraschend arbeiten auch die Medien damit. Und das passt der SVP nicht. Wie sie im Vorstoss schreibt, habe man das Gesetz geschaffen, um dem «einfachen Bürger, dem Normalo, einen niederschwelligen Zugang» zu Informationen zu ermöglichen, die ihn direkt beträfen. Die aktuelle Berichterstattung zeige nun aber, das vor allem die Medien das Gesetz nutzten, die ihre Informationen bei den Kommunikationsstellen des Kantons einholen könnten.

Zudem liege der Verdacht nahe, dass die Medien durch Sammelanfragen eine Vielzahl von Dokumenten durchforsteten und so «ein mögliches Haar in der Suppe suchen, dass dann später (...) aufgebauscht werden kann.» Das sei kürzlich in der Causa Eurochem geschehen. Oder in den Worten der SVP «anlässlich eines harmlosen regierungsrätlichen Telefonanrufs.» (zentralplus berichtete).

SVP fürchtet «unverhältnismässigen Aufwand» – und Kontrolle

Die Partei will von der Regierung nun wissen, wie viel Arbeit sie mit Gesuchen nach Öffentlichkeitsgesetz hat und ob Sammelanfragen sie vor Probleme stellen. Denn die SVP vermutet einen «unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand».

Dass die SVP für eine schlanke Verwaltung weibelt, mag ja noch angehen, liegt dieser Ruf doch in der DNA der Bürgerlichen. Gleichzeitig macht die Partei im Vorstoss unverhohlen klar, dass sie es nicht schätzt, wie die Medien in der Causa Eurochem arbeiteten. Dass sie Nachforschungen anstellten und versuchten, den Staat zu durchleuchten.

Zudem stellt die SVP auf Nachfrage in Aussicht, je nach Antwort der Regierung einen weiteren Vorstoss einzureichen. Diese Ansage und der Inhalt der Fragen zeigen, dass die SVP immerhin mit dem Gedanken spielen dürfte, den Medien den Zugang zu amtlichen Dokumenten zu erschweren. Damit würde sie Regierung und Verwaltung Ruhe verschaffen und sie davor bewahren, kontrolliert zu werden. Nur: Diese Idee wäre peinlich und würde nicht aufgehen. Aus drei Gründen.

Die SVP verkennt Gesetz und Verfassung

Erstens: Indem die Fraktion zwischen dem «dem Normalo» und den «Medien» unterscheidet, verkennt sie den Sinn des Öffentlichkeitsgesetzes. Dieses sagt im Wortlaut: «Jede Person hat das Recht, amtliche Dokumente einzusehen.»

Das Öffentlichkeitsgesetz des Kantons Zug hilft den Medien, Nebel zu lichten. (Bild: Andreas Busslinger) (Bild: Andreas Busslinger)

Zudem könnte eine Unterscheidung zwischen Privatpersonen und Journalisten das Gleichbehandlungsgebot verletzten. Dieses ist als Grundrecht in der Verfassung verankert und garantiert, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind – die Privatperson gleich wie der Journalist.

Karl Lüönd: «Fassadenreiniger und Leichenschminker»

Zweitens: Die SVP sagt, die Medien bekämen ihre Antworten von den Medienstellen des Kantons. Sollte die Partei tatsächlich glauben, diese Antworten seien gleich viel wert wie die Informationen aus amtlichen Dokumenten, zeugt das entweder von einem schlechten Verständnis davon, wie Medien und Pressestellen arbeiten. Oder es ist ein Beweis dafür, dass die SVP so viel Interesse an einer starken Presse hat wie der Grüsel-Wirt an der Lebensmittelkontrolle.

Zur Erinnerung: Medien sollen die Demokratie am Laufen halten. Sie tun das, indem sie Aussagen und Handlungen von Regierung und Politik hinterfragen, mit der Realität abgleichen und Missstände ans Licht bringen. Die Realität – also das, was ist. Und nicht das, von dem der Staat sagt, es sei die Realität.

«Die Medien sind unentbehrlich für das Funktionieren der direkten Demokratie, vor allem auf Gemeinde- und Kantonsebene», sagte Journalistenlegende Karl Lüönd unlängst dem «Beobachter». Im gleichen Interview sagte der Publizist, jede Dienstabteilung habe heute eine Medienabteilung, «ein Heer von Fassadenreinigern und Leichenschminkern», die den Entscheidungsträgern hartnäckige Journalistinnen vom Hals hielten und sie «mit geschliffenen Sätzen» abspeisten.

Schon vor Jahren haben Firmen und Staat erkannt, dass sie ihre Botschaften besser unter die Leute bringen, wenn sie die Kommunikation Fachleuten überlassen. Und diese wiederum beantworten konkrete Fragen zur Not auch mit behördensprachlichen Worthülsen, die bei maximal sperrigen Sätzen minimalen Inhalt liefern. Demgegenüber stehen amtliche Dokumente, welche die Behörden dank des Öffentlichkeitsgesetzes herauszugeben haben. Diese zeigen die Realität und nicht eine behördliche Interpretation davon – etwa, wie heimlich die Zuger Regierung die Geschäfte von Alt-Sicherheitsdirektor Beat Villiger untersuchen liess, was eine Kommunikationsstelle niemals so konkret gesagt hätte (zentralplus berichtete).

Der Erfolg gibt den Medien recht

Was zu drittens führt: dem Erfolg der Medien. Der Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch zählte vergangenes Jahr 81 Beiträge, die Journalistinnen aus 37 Schweizer Redaktionen realisiert hatten. Seit Jahren werden es mehr. Allein 2022 konnten Medienschaffende aus drei Redaktionen über relevante Tatsachen aus dem Kanton Zug berichten: Der «Sonntagsblick» machte publik, dass die Zuger Regierung beim Bund im Zusammenhang mit den Russlandsanktionen interveniert hatte.

Die «Zuger Zeitung» zeigte anhand des Leistungsauftrags an die Triaplus AG, dass der Kanton Zug und die Betreiberin der psychiatrischen Klinik Zugersee keine Massnahmen definiert hatten, um auf Qualitätsmängel zu reagieren (der Autor dieses Texts war an dem Artikel beteiligt).

Und schliesslich machte zentralplus wie erwähnt transparent, wie die Zuger Regierung mit Beat Villigers gesundheitlicher Auszeit umgegangen ist – wofür wir für den Prix Transparence Regio nominiert wurden (zentralplus berichtete). Solange die Medien Missstände aufdecken, auf die sie dank des Öffentlichkeitsgesetzes gekommen sind, ist der Beweis erbracht, dass sie einen Anspruch darauf haben.

Das Öffentlichkeitsgesetz hat sich in den letzten Jahren zum unabdingbaren Instrument entwickelt, damit Medien ihre Aufgabe erfüllen können. Das ist angesichts von Medienkrise und -Konzentration wichtiger denn je (erst gestern kündigte der Grossverlag CH Media, der auch die «Zuger Zeitung» und die «Luzerner Zeitung» herausgibt, Einsparungen über 20 Millionen Franken an) – gerade für kleine, unabhängige Medien wie zentralplus.

Damit also die Demokratie funktioniert, müssen Medien ihre Arbeit machen können: Handlungen und Aussagen hinterfragen, Fakten abgleichen, Bullshit ansprechen. Bullshit, wie ihn die Mächtigen immer wieder produzieren – und wie ihn gerade die Zuger SVP abgeliefert hat.  

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4 Kommentare
  • Profilfoto von tore
    tore, 08.02.2023, 16:14 Uhr

    Dankle für den wichtigen Artikel (Kommetar)!

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  • Profilfoto von Armando
    Armando, 08.02.2023, 12:39 Uhr

    Klar, dass die SVP gegen das Öffentlichkeitsgesetz ist. Sie fürchtet Transparenz mehr als der Teufel das Weihwasser. Siehe Causa Tännler.

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  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 08.02.2023, 09:16 Uhr

    Aber, aber! Die Sowjetische Volkspartei begrüsst doch jede Verschärfung der Geheimdienst-Schnüffelgesetze oder des Sozialrechts mit dem Motto «Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten». Woher dieses plötzliche Zaudern? Wurden etwa nicht alle Couverts sauber zugeklebt, oder ging die 90-Grad-Wäsche der Tausendernoten in die Hose?

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    • Profilfoto von Mirjam
      Mirjam, 08.02.2023, 12:24 Uhr

      Lieber Kasimir
      Da muss ich dir zustimmen. In den Zuger Regierungskreisen stinkt es eben bis zum Himmel; Kritik ist unerwünscht und die Kommunikation ist grottenschlecht. Dafür feiern wir jetzt die 5. Jahreszeit und unser Mundwerk darf mal zusätzlich lose sein. Die Schnitzelbänkler haben dieses Jahr besonders viel Material und ich bin gespannt, wie die Verwertung erfolgt. Ich hoffe nun, dass die Bevölkerung die resultierenden Nachwehen für die RR nicht weiter auf einem Kanzleiweg berappen müssen…

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