Holzskis als Kampfansage an die Weltmarken

Ein Entlebucher auf der Suche nach dem perfekten Ski

René Unternährer mit seinen Skis im Verkaufsladen in Doppleschwand. (Bild: zvg)

Feuz, Holdener, Erni und Co bescheren den Fans an der Ski-WM in St. Moritz einen Medaillensegen. Eine Entlebucher Innovation könnte den Skizirkus dereinst revolutionieren. René Unternährer stellt Skis her, die aussehen wie zu Urgrossvaters Zeiten – trotzdem saust man damit seelenruhig schwarze Pisten runter.

Die Schleifmaschine heult und Staub fliegt durch die Luft. An der Wand steht ein Regal gefüllt mit Holzbrettern, die nur wenig dicker sind als ein Blatt Papier. In der Mitte des Raumes gibt René Unternährer seinem Praktikanten Severin Anweisungen für die nächsten Arbeitsschrittte: Holzbretter schleifen und Fiberglas zuschneiden. Einzig eine im Tisch eingelassene Skiform weist darauf hin, was gerade in Entstehung ist: Skis edelster Sorte.

Rohmaterialien für die Skis von «swiss massiv». (Bild: zentralplus/bas)

Rohmaterialien für die Skis von «swiss massiv». (Bild: zentralplus/bas)

Mit Holzskis in die Zukunft

René Unternährer ist Skibauer. Seit über 30 Jahren legt und klebt der Doppleschwander Schichten und Materialien aufeinander, schneidet und biegt sie, sodass der Käufer am Schluss den perfekten Ski an den Füssen hat. Nach mehreren Jahrzehnten bei einer etablierten Skifirma, hat sich Unternährer vor knapp vier Jahren selbstständig gemacht und seine Firma «swiss massiv» aufgebaut.

Ausschlaggebend war eine Idee, die den passionierten Skibauer nicht mehr losliess: Er wollte einen Ski aus Holz und Bambus bauen. Und zwar nicht nur mit Holz im Kern, sondern einen, dessen Funktionalität durch das Holz und den Bambus geprägt ist – und der auch so aussieht (siehe Box). «Ich hatte bereits als Angestellter begonnen, die Idee von selbst gebauten Skis umzusetzen», sagt der 54-Jährige. 

Einen Ski aus Holz wollte René Unternährer – der Weg dahin war lang. (Bild: zvg)

Einen Ski aus Holz wollte René Unternährer – der Weg dahin war lang. (Bild: zvg)

Doch Unternährers Machart ist aufwendig und teuer: Er braucht hochwertiges Material und die einzelnen Schritte erfordern viel Handarbeit. Maschinelle Serienproduktionen sind da undenkbar. «Darum wollte mein damaliger Arbeitgeber meinen Vorschlag vom Aufbau des Skis nicht weiterverfolgen», erzählt Unternährer. Doch ihm liess die Sache keine Ruhe.

«Die Überzeugung, dass meine Idee eine ganz grosse ist, liess mich optimistisch bleiben.»
René Unternährer 

Das Geheimnis der «swiss massiv»-Skis

Der Kern der «swiss massiv»-Skis besteht aus Eichenholz und dem asiatischen Paulowina-Holz. Darauf verklebt sind Fiberglas-, Gummi- und sogenannte Titanalschichten. In einer Pressmaschine werden die insgesamt 18 Bauteile miteinander verpresst. Anders als bei den meisten Skis ist das Deckblatt aus echtem Holz gefertigt. Ebenfalls zum Einsatz kommt Faserbambus. Die Elastizität dieses Materials gibt dem Ski eine grosse Laufruhe – es rattert und rumpelt also nicht, wenn man in der Falllinie die Pisten runtersaust. Der Ski fährt vergleichsweise ruhig. «Und genau das könnte für den Rennsport sehr interessant sein», sagt René Unternährer.  

Sollte er «darauf warten, dass es ein anderer macht» oder die Dinge selbst anpacken? Wenn er von diesem Ringen erzählt, wirkt er nachdenklich, denn letztlich fiel der Entscheid nur mehr oder weniger freiwillig: Bei seinem ehemaligen Arbeitgeber hatte es keinen Platz mehr für ihn und seine Idee, wie er sagt. Und so stand er 2012 plötzlich ohne Job vor einem Haufen Arbeit.

Die Suche nach dem perfekten Ski

Dass die Selbstständigkeit eine Herausforderung ist, wusste er. «Aber die Überzeugung, dass meine Idee eine ganz grosse ist, liess mich optimistisch bleiben.» So tüftelte Unternährer lange, veränderte hie und da wieder ein Detail, bis ein perfekter Ski vor ihm lag.

«Wenn man mit natürlichen Materialien wie Holz arbeitet, muss alles andere umso mehr stimmen: die Lackierung, der Leim, die Pressphasen», erklärt er. Jetzt, nach vier Saisons, sei er so weit, dass er Skis baue, die mit den gängigen Modellen der grossen Marken mithalten können, ja sie sogar übertreffen, sagt Unternährer nicht ohne Stolz.

Zwei Holzbretter warten auf einen Durchgang in der Schleifmaschine. Im Hintergrund arbeiten René Unternährer und sein Praktikant. (Bild: zentralplus/bas)

Zwei Holzbretter warten auf einen Durchgang in der Schleifmaschine. Im Hintergrund arbeiten René Unternährer und sein Praktikant. (Bild: zentralplus/bas)

Obwohl Unternährer selber kein angefressener Skifahrer ist, bestätigen ihm unzählige Probefahrten, das Feedback der Testfahrer und Rückmeldungen von erfahrenen Skifahrern die Qualität seiner Arbeit. Auch deshalb träumt er von einem echten Skitest, in dem seine Skis gegen die grossen Namen antreten: Stöckli, Head, Salomon, Atomic und wie sie alle heissen. «Ich könnte mithalten, das weiss ich», sagt der Skibauer und es klingt mehr wie eine Kampfansage als eine Feststellung.

Einfach war der Start in die Selbstständigkeit für Unternährer nicht: Von den grossen Firmen wurde er als Bastler abgetan. Die Kunden waren skeptisch, ob ein Ski, der aussieht wie jener des Urgrossvaters, den heutigen Ansprüchen überhaupt gerecht werden könne. «Dies und der schlechte Winter die letzten beiden Jahre führten dazu, dass der Start denkbar schwierig war», sagt er.

In der Pressmaschine werden die Skis gebogen. (Bild: zentralplus/bas)

In der Pressmaschine werden die Skis gebogen. (Bild: zentralplus/bas)

Er musste einen Job annehmen, um über die Runden zu kommen. Arbeitete sieben Tage die Woche, um Zeit für seine Skientwicklung zu haben. Doch es zahlte sich aus: Unternährer konnte das Vertrauen des Marktes und der Kunden gewinnen. Diese Saison ist seine erste ohne auswärtige Anstellung. «Von meinen Skis leben zu können, das ist ein schönes Gefühl.»

Wartet die Revolution im Skisport?

200 bis 300 Paar Skis produziert der Entlebucher heute. Einige massgeschneidert, andere nach standardisierten Vorlagen in verschiedenen Härten und Längen. Acht bis zehn Stunden arbeitet er an einem Stück, bis er es in seinen Laden stellen kann. Bei jedem Arbeitsschritt ist Handarbeit gefordert. Dementsprechend teuer sind die Bretter auch: zwischen 1400 und 1900 Franken kostet ein Paar Ski mit Bindung von Unternährers Skis. «Es ist ganz klar ein Nischenprodukt. Aber im sonst so wettbewerbsintensiven Skimarkt muss man sich eine Nische suchen, wenn man überleben will», sagt er.

Einblick in den Produktionsprozess bei «swiss massiv»:

Heute fahren berühmte Persönlichkeiten wie der Investor Samih Sawiris oder der Moderator Kurt Zurfluh seine Skis. Zu Unternährers Kunden zählen Sportgeschäfte in den Wintersportorten der Zentralschweiz, aber auch in Zermatt, Saas Fee – oder St. Moritz. Und dort, im Engadin, tummelt sich gerade die Elite des Skisports.

Ob er davon träumt, dass Beat Feuz einmal auf seinen Skis den Hang runterbrettert? Unternährer lacht. «Schön wäre es natürlich schon.» Aber für einen Skiproduzenten seiner Grösse sei ein Athletenvertrag undenkbar. Dennoch ist er überzeugt, dass – wenn nicht seine Skis – zumindest seine Idee vom perfekten Ski im internationalen Skisport Einzug halten wird.

Einige der Materialien, die zusammen einen Ski ergeben. (Bild: zentralplus/bas)

Einige der Materialien, die zusammen einen Ski ergeben. (Bild: zentralplus/bas)

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