Stromversorger will Windenergie verdreifachen

Auf dem Nufenenpass bläst der Wind für Luzern

Der höchstgelegene Windpark: Auf dem Nufenenpass produzieren seit kurzem vier Windräder Strom – auch für Luzern.

(Bild: zvg)

Luzern ist an einem Europarekord beteiligt: Auf dem Nufenenpass steht der europaweit höchste Windpark. Die vier Windräder im Wallis gehören zu 20 Prozent Energie Wasser Luzern. Der lokale Stromversorger setzt vermehrt auf erneuerbare Energien. In die Luzerner Haushalte fliesst der Windstrom allerdings noch nicht vollumfänglich.

Auf über 2500 Metern über Meer ist kürzlich der höchste Windpark Europas eingeweiht worden. Was die Windräder auf dem Nufenenpass produzieren, kommt auch den Luzernern zugute. Energie Wasser Luzern (EWL) ist mit 20 Prozent am Windpark Gries beteiligt.

In den letzten fünf Jahren hat EWL zunehmend auf Windprojekte gesetzt. Gab es vor 2010 noch keine Windräder im Besitz des Luzerner Stromproduzenten, ist er inzwischen bereits an neun Windparks beteiligt.

Damit kommt EWL dem Willen der Stadtbevölkerung nach. 2011 haben die Luzerner entschieden, bis 2045 aus der Atomenergie auszusteigen (siehe Box).

Ziel: Über 5000 Haushalte mit Windenergie versorgen

Die vier Windräder auf dem Nufenenpass – zwischen dem Oberwallis und dem Tessin – produzieren jährlich 10,3 Gigawattstunden – das reicht für rund 2850 Haushalte. EWL gehört ein Fünftel davon. Weiter bezieht EWL vom Windpark Juvent im Jura jährlich 4,4 Gigawattstunden – insgesamt rund 6,5 Gigawattstunden, wie Stephan Marty, Vorsitzender der EWL-Geschäftsleitung, sagt.

Luzern steigt bis 2045 aus Atomenergie aus

Die Stadtluzerner haben 2011 – ein halbes Jahr nach der Katastrophe von Fukushima – beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen. Sie nahmen damals an der Urne einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Strom ohne Atom» der Jungen Grünen deutlich an. Der Ausstieg aus der Atomenergie soll demnach 2045 erfolgen.

Dazu kommen Beteiligungen an sieben Windparks in Deutschland und Frankreich (siehe Grafik). Der gesamte Strom dieser Windräder könnte zwölf Prozent des Strombedarfs in Luzern abdecken, schreibt EWL in einer Mitteilung. Doch das sind nur Rechenspiele auf dem Papier. «Im Moment ist das eine theoretische Zahl», räumt Stephan Marty ein. «Dieser Strom kommt noch nicht physisch in die Schweiz.»

Denn dazu müssten noch mehrere Hürden übersprungen werden. Laut Marty braucht es einerseits ein Stromabkommen mit der EU, andererseits Verträge für die Transportrechte. Zudem ist es eine wirtschaftliche Frage. «Aktuell ist es zu teuer, diesen Strom in die Schweiz zu bringen.»

«Gegen jedes Windrad gibt es grosse Opposition.»

Stephan Marty, Vorsitzender Geschäftsleitung EWL

Bei den Windprojekten in der Schweiz – etwa auf dem Nufenenpass – hingegen wird die Energie ins Stromnetz eingespeist. Wo diese tatsächlich hinfliesst, ist physikalisch nicht nachverfolgbar. Allerdings wird mit virtuellen Herkunftsnachweisen in Form von Zertifikaten Transparenz über den Strommix gewährleistet.

 

Die Beteiligungen von EWL an Windpark-Projekten.

Die Beteiligungen von EWL an Windpark-Projekten.

(Bild: zvg)

Trotzdem ist Stephan Marty überzeugt, dass es dereinst möglich sein wird, auch den ausländischen Strom in Luzern zu beziehen. «Das ist unser oberstes Ziel.» Und EWL setzt im Hinblick auf die Zukunft vermehrt auf Windenergie. «Wir bereiten damit den Atomausstieg vor. Die Beteiligungen sind ein wichtiger Baustein dafür.»

Auf’s Ausland angewiesen

Dass es nicht schneller vorwärts geht, hat praktische Gründe. «In der Schweiz einen Windpark zu realisieren, ist extrem schwierig», sagt Marty. «Gegen jedes Windrad gibt es grosse Opposition.» Die Herausforderungen insbesondere im Bereich Landschaftsschutz seien in der dicht besiedelten Schweiz gross. Auf dem Nufenenpass sei der Windpark möglich gewesen, weil er abgelegen von der Agglomeration liege.

Trotzdem will EWL bis 2045 im Vergleich zu heute jährlich das Dreifache an Schweizer Windenergie ins Stromnetz einspeisen, nämlich 20 Gigawattstunden. Damit könnten rund 5500 Haushalte versorgt werden.

 

 

Macht sich EWL mit den Beteiligungen an ausländischen Windparks abhängig? Angesprochen auf die Versorgungssicherheit, sagt Marty: «Wenn man im Inland Produktionskapazitäten bei der Kernenergie zurückfährt, wird die Abhängigkeit vom Ausland automatisch höher. Der Strom muss ja von irgendwoher kommen.» Investitionen in der Schweiz seien schwierig oder zumindest nicht im nötigen Ausmass möglich, sagt Marty.

Um den beschlossenen Atomausstieg 2045 zu schaffen, setzt EWL nebst Wind- auf Wasserkraft und Solarenergie. Während Wasser- und Solaranlagen vor allem im Sommer Strom produzieren, sind Windräder im Winter effizienter.

Zurzeit kommt rund die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien – EWL hat den Anteil seit 2011 von 34 auf knapp 50 Prozent erhöht. Marty ist deshalb überzeugt: «Wir sind auf einem guten Weg, um bis 2045 den Atomausstieg umzusetzen.»

Ja zur Initiative könnte Druck erhöhen

Aktuell ist die Energiewende auch auf Bundesebene ein Thema. Die SVP hat das Referendum gegen die Energiestrategie angekündigt. Der Ausgang einer allfälligen Abstimmung darüber beeinflusse die Strategie von EWL nicht, sagt Marty. Denn die Stadtluzerner Bevölkerung hätte 2011 den Auftrag zum Atomausstieg gegeben – und das gelte unabhängig von Entscheiden in Bern.

 

 

Für mehr Tempo sorgen könnte laut Stephan Marty aber die Atomausstiegsinitiative der Grünen, über welche die Schweiz Ende November abstimmen wird. Sie verlangt ein fixes Abschaltdatum für die Schweizer Atomkraftwerke. Falls die Initiative angenommen wird, müssten die Atomkraftwerke Beznau I und II sowie Mühleberg im kommenden Jahr vom Netz. Das AKW Gösgen müsste 2024 abgeschaltet werden, Leibstadt 2029.

Der Bundesrat empfiehlt das Anliegen zur Ablehnung und befürchtet eine Versorgungslücke. Bereits 2017 würde rund ein Drittel des heute mit Kernkraft produzierten Stroms fehlen, warnte Bundesrätin Doris Leuthard diese Woche. Da die Initiative einen rascheren Atomausstieg fordert, müsste laut Marty der Bau von neuen Produktionsanlagen massiv beschleunigt werden. Ansonsten steige die Auslandabhängigkeit von fossilem Strom erheblich an.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Karl Hoppler
    Karl Hoppler, 15.10.2016, 13:38 Uhr

    Die Lösung ist das Prinzip der Tesla-Batterien (USA 3000 $), macht jeden Haushalt autark, dann brauchst die EWL nicht mehr……

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