Der grosse Ausverkauf der Luzerner Schuhläden

Aufgeben oder kämpfen? Die Schuhbranche leidet

Seit 1945 existiert die Imgrüth-Filiale an der Pilatusstrasse auf zwei Stockwerken – nun ist Schluss.  (Bild: jwy)

Die Zeiten sind vorbei, als man in Luzern über zu viele Schuhgeschäfte klagte. Die Branche ist arg unter Druck, mehrere angesehene Filialen mitten im Zentrum schliessen. Trotz rauem Wind gibt sich die Branche aber kämpferisch.

Eine Branche ist im Umbruch: Filialen gehen zu oder werden zusammengelegt. Traditionelle Namen wie Bata, Vögele oder Imgrüth schliessen Geschäfte an besten Lagen. Ob Frankenstärke, Internethandel oder Mall of Switzerland: Der Druck auf die alteingesessenen Schuhgeschäfte in der Altstadt nimmt zu. Die einstige Sorge über zu viele Kleider- und Schuhläden ist der Angst gewichen. Schmuck- und Uhrenläden sind die neuen Platzhirsche und treiben die Mieten in die Höhe.

Vom Hirschenplatz an die Hertensteinstrasse

Beispiel Hirschenplatz, im Volksmund auch «Schuhplatz» genannt: Die drei Schuhläden Bata, Vögele und Pasito-Fricker gaben hier lange den Ton an. Doch nun verschwinden die Schuhe Schritt für Schritt vom Platz.

Die Filiale von Pasito-Fricker wich schon vor einigen Monaten einer Victorinox-Filiale – schweizweit mussten 14 Filialen dran glauben. Ähnlich bei Bata: Das Unternehmen schliesst im ganzen Land 29 Filialen, Ende August ist am Hirschenplatz Schluss, ebenso im Emmen-Center. Das weltweit tätige Schuhunternehmen passt seine Geschäftsstrategie an: Es baut den Internetversand aus, schliesst dafür seine Läden, zumindest jene in der Schweiz.

Vögele Shoes verlässt diese Toplage am Hirschenplatz – es bleibt das Geschäft an der Hertensteinstrasse.  (Bild: jwy)

Vögele Shoes verlässt diese Toplage am Hirschenplatz – es bleibt das Geschäft an der Hertensteinstrasse.  (Bild: jwy)

Auch das Schuhgeschäft Vögele schliesst am 16. Juli seine Filiale am Hirschenplatz, bleibt aber in Luzern präsent: Das Schweizer Familienunternehmen konzentriert sich in Luzern auf den grösseren Standort Hertensteinstrasse. «Wir legen den Fokus auf die Filiale an der Hertensteinstrasse, deshalb schliessen wir am Hirschenplatz. Von den acht Angestellten arbeiten sechs weiterhin bei der Karl Vögele AG», sagte kürzlich Dilek Sahin, Leiterin Marketing-Kommunikation, gegenüber der «Neuen Luzerner Zeitung» (NLZ). Auch Pasito bleibt mit einer Filiale an der Hertensteinstrasse in Luzern vertreten.

Verwalter sind zugeknöpft

Und was passiert mit den Lokalen, wenn Bata und Vögele ausgezogen sind? Die Lage ist attraktiv und begehrt – aber die Hausbesitzer respektive deren Verwalter geben sich noch zugeknöpft über die Nachfolge in ihren Geschäften. Immerhin so viel ist klar: Auf den heutigen Bata folgt weder ein neuer Schuhladen noch ein Schmuck- oder Uhrengeschäft, sondern ein Kosmetikgeschäft.

Und im Haus des heutigen Vögele-Lokalsschuh folgt gerüchteweise wieder ein Schuhgeschäft, auch wenn die Hausverwaltung das nicht bestätigen will.

Ausverkauf auch für Bata am Hirschenplatz: Ende August schliesst die Kette diesen Laden.  (Bild: jwy)

Ausverkauf auch für Bata am Hirschenplatz: Ende August schliesst die Kette diesen Laden.  (Bild: jwy)

Imgrüth: Lokal genügt nicht mehr

Beispiel Imgrüth: Das Traditionshaus existiert seit 1830 – und schliesst jetzt an der Pilatusstrasse auf Ende Juni eine seiner Filialen. Der Laden wurde 1945 eröffnet, nun genügt das Lokal den heutigen Ansprüchen aber nicht mehr, Imgrüth konzentriert sein Geschäft auf seine Hauptfiliale an der Weggisgasse in der Altstadt.

«Das Geschäft ist auch schon besser gelaufen.»

Mark Huser, Einkäufer bei Imgrüth

Das Standbein an der Pilatusstrasse sei nicht mehr «State of the Art», Grund: Die Parterrefläche, die die Laufkundschaft in den Laden locken sollte, ist relativ klein. Das grosse, an sich attraktive Obergeschoss hingegen ist ziemlich versteckt und nur per Lift erreichbar. Viele wissen wohl nicht einmal, dass sich der Imgrüth dort über zwei Stockwerke erstreckt.

Geschäft ist schon besser gelaufen

Auch Imgrüth leidet unter dem Einkaufsverhalten, das sich rapide verändert. Einkäufer Mark Huser sagte letzten Herbst gegenüber zentralplus: «Das Geschäft ist auch schon besser gelaufen.» Das mittelgrosse Geschäft an bester Lage in der Weggisgasse kann Imgrüth nur halten, weil die Firma das Haus selbst besitzt. Eine Reserve, die andere nicht haben.

Das Schuhaus Imgrüth verkauft seit über 100 Jahren Schuhe.

Das Schuhaus Imgrüth verkauft seit über 100 Jahren Schuhe.

(Bild: lru)

Imgrüth betreibt noch weitere Filialen in Luzern, und die bleiben bis auf Weiteres: im Emmen-Center, Junior-Kinderschuhe in der Grabenstrasse sowie die Nina Bequem-Schuhmode in der Buobenmatt. Auch die Filialen in Zürich, Bern, Basel und Vevey bleiben bestehen. Und Imgrüth schliesst auch nicht aus, irgendwann wieder ein neues Lokal zu eröffnen, wenn es die Lage zulässt. Und der Franken vielleicht wieder einmal schwächer ist.

Noch bis Ende Juni findet an der Pilatusstrasse der Ausverkauf statt, was danach mit dem Lokal geschieht, ist noch offen. Es gebe verschiedene Interessenten – aus verschiedensten Branchen –, verraten Felber+Weber Immobilien, die das Lokal bewirtschaften, aber spruchreif sei noch nichts. Je nach Mieter werden Parterre und Obergeschoss separat vermietet.

Tschümperlin: grosse Herausforderungen

Zu den Traditions-Schuhgeschäften gehört auch Tschümperlin, das in Luzern zwei Filialen betreibt und rund 20 Leute beschäftigt: in der Hertensteinstrasse und im Bahnhof. In der ganzen Schweiz sind es 21 Filialen von Altdorf bis Zürich. Das Familien-Unternehmen mit Sitz in Schwyz wirbt in seinem Leitbild mit Werten wie «Menschlichkeit», «Vertrauen» und «Tradition». Sind das die Rezepte, um im umkämpften Luzerner Schuhwettbewerb zu bestehen? Georg Tschümperlin – Co-Geschäftsleiter der fünften Generation und zuständig für den Einkauf – spricht von einer grossen Herausforderung für die ganze Branche.

Das Familienunternehmen Tschümperlin an der Hertensteinstrasse: Will sich mit Beratung gegen internationale Anbieter behaupten.  (Bild: jwy)

Das Familienunternehmen Tschümperlin an der Hertensteinstrasse: Will sich mit Beratung gegen internationale Anbieter behaupten.  (Bild: jwy)

Ja, es finde momentan eine Flurbereinigung statt, nicht nur in Luzern. «Der Druck auf die Detailhändler nimmt seit einigen Jahren immer mehr zu. Durch stetige Schulungen und Betreuung des Personals können wir uns mit Fachbedienung und Dienstleistung von den Mitbewerbern abheben», sagt Tschümperlin. Es brauche eine Fokussierung und Spezialisierung, um sich gegen die internationalen Anbieter zu behaupten.

Der Branchenmix leidet

Zum Geschäftsleben gehört auch, dass man Standorte von Zeit zu Zeit neu prüft. Auf Luzern und seine zwei Filialen bezogen sagt Tschümperlin: «Diese Lagen gehören in Luzern sicher zu den meistfrequentierten, aber in der jetzigen Wirtschaftslage ist es für lokale Anbieter eine rechte Herausforderung, weil die Mietpreise von internationalen Unternehmen in die Höhe getrieben werden.» Dies habe leider dazu geführt, dass einige lokale Anbieter und Restaurants verdrängt wurden, so Tschümperlin.

«Die Mall of Switzerland hängt wie ein Damoklesschwert über den Luzerner Geschäften.»

Georg Tschümperlin

Der Branchenmix sei nicht mehr so abwechslungsreich wie früher. «Die Strassen und Gassen haben nach Ladenschluss sehr stark an Attraktivität eingebüsst und das Leben am Abend spielt sich viel weniger da ab», sagt er. «Es bleibt zu hoffen, dass der Trend der Bevölkerung, in die Städte zu ziehen, wieder mehr Leben bringt und der Ladenmix dem Rechnung trägt.»

Bedrohung Mall of Switzerland

So gut die Standorte in Luzern sind, einige Dinge beschäftigen Tschümperlin: etwa die kommende Mall of Switzerland, die «wie ein Damoklesschwert über den Luzerner Geschäften hängt». Abwarten, auf seine Stärken fokussieren und zuversichtlich bleiben, lautet seine Devise. Denn: «Eine Mall bringt niemals die gleiche Atmosphäre hin wie die Altstadt.»

Eine andere Sorge ist politischer Natur: «Das Verkehrsregime macht es extrem schwierig», sagt Tschümperlin. Wenn man täglich Staumeldungen höre und kaum mehr Parkplätze finde, sei das nicht sehr förderlich für die mobilen Kunden, um nach Luzern zum Shoppen zu gehen.

Übersättigung im Markt

Es findet eine Flurbereinigung statt im Luzerner Schuhangebot, das beobachtet man auch bei der City-Vereinigung Luzern. Präsident Franz Stalder wiederholt den Satz, den man schon früher von ihm hörte: «Früher klagte man, dass es in der Altstadt zu viele Kleider- und Schuhläden gibt, jetzt sind es die Uhren- und Schmuckgeschäfte.» Will heissen: Lange Zeit gab es zu viele Schuhgeschäfte, jetzt reguliert sich der Markt in der Altstadt. Dazu komme, dass inzwischen viele Modegeschäfte auch Schuhe verkaufen, so Stalder. «Das führt zu einer Übersättigung.»

«Solange es keine leeren Ladenlokale gibt, lebt die Altstadt, das ist ein gutes Zeichen.»

Franz Stalder, Präsident City-Vereinigung

Stalder sieht die Herausforderungen für die Luzerner Altstadt durchaus: starker Schweizer Franken, Konkurrenz der Online-Händler, steigende Ladenmieten und ungleiche Spiesse bei den Ladenöffnungszeiten. Das alles macht der Schuhbranche mit rückläufigem Umsatz das Leben schwer.

Solange keine Lokale leer stehen …

Trotz allem, Stalder bleibt zuversichtlich: «Es wird immer Änderungen geben, aber solange es keine leeren Ladenlokale gibt, lebt die Altstadt, das ist ein gutes Zeichen.» Auch dass die Altstadt gesamthaft an Attraktivität verlöre, würde Stalder so nicht unterschreiben. «Die Stadt tut viel zur Belebung, etwa im Grendel, Löwengraben oder in der Kleinstadt.»

Bedenken hat Stalder bezüglich Parkplätzen – dass die Stadt ihre Erreichbarkeit einbüsse. Als Beispiel nennt er die Bahnhofstrasse, die bald autofrei wird, wie vom Stimmvolk beschlossen. Damit verschwinden einige zentrale Parkplätze. Und Franz Stalder findet, dass «die Ladenmieten an der obersten Grenze» seien – und hätte gern samstags bis 17 Uhr geöffnet. Aber als City-Vereinigung könne man da nichts machen – da seien ihnen die Hände gebunden.

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