Zuger Rechtsanwälte im DDR-Sumpf

Zug und die Stasi-Connection

Hat mit Hilfe einer Reihe von prominenten Zuger Anwälten Technik in die DDR verkauft: Michael Grossauer. In in der Tageszeitung, drei Jahre nach dem die Deals aufflogen. (Bild: Ricardo Tarli / Luzerner Neusten Nachrichten, 28.07.90)

Die Schweiz war während des Kalten Krieges Drehscheibe illegaler Technologietransfers. Die Stasi bezog von einem Zuger Schwarzhändler Überwachungstechnik für ihren Repressionsapparat. Bekannte Zuger Anwälte und Politiker waren in dubiose Umgehungsgeschäfte mit der DDR verstrickt und unterstützten so das kommunistische Regime.

Es ist ein dunkles Kapitel in der Zuger Wirtschaftsgeschichte – Ricardo Tarli, der Autor des Buchs «Operationsgebiet Schweiz», arbeitet für zentral+ die geheimen Verstrickungen des Zuger Establishments mit der Stasi auf. Wir präsentieren Ihnen hier seinen Artikel zur Zuger Stasi-Connection.

Im September 1987 lag brisante Post aus Pullach auf dem Tisch des Chefs der schweizerischen Bundespolizei (Bupo). Absender war der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hans-Georg Wieck. Der umfangreiche Geheimbericht, der persönlich an Bupo-Chef Peter Huber gerichtet war, beschreibt im Detail das konspirative Beschaffungsnetz der DDR in der Schweiz. Das Papier erwähnt die Namen von Firmen und Händlern, die unter Umgehung des Embargos der Westmächte Hochtechnologie in die Deutsche Demokratische Republik verschoben.

Aus dem BND-Papier geht zweifelsfrei hervor, dass die in der Steueroase Zug domizilierte Allimex AG Dreh- und Angelpunkt geheimer Schiebereien war. Kopf des für die Stasi wichtigen Beschaffungsnetzes von Embargogütern war der Österreicher Michael Grossauer. Von Zug aus betrieb der 1946 in Wien geborene Grossauer in den Achtzigerjahren seine dubiosen Umgehungsgeschäfte mit dem ostdeutschen Geheimdienst.

Hightech für den Osten

Grossauer, der ab den Sechzigerjahren geschäftliche Beziehungen mit der DDR aufzubauen begann, lieferte über Jahre hinweg und in grossen Mengen Spitzentechnologie nach Ostdeutschland, vorrangig Bauteile wie Mikrochips und Mikroprozessoren. Wie Stasi-Akten belegen, stand er dabei in langjährigem und engem Kontakt mit hauptamtlichen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit, kurz Stasi genannt, die Embargowaren für das kommunistische Regime beschafften.

Im Laufe der Jahre stieg der Technologieschieber Grossauer, der in der Schweiz über gute Kontakte verfügte, in der DDR zu einem der wichtigsten Lieferanten von Embargowaren auf. Er schuf ein internationales Geflecht von Tarn- und Briefkastenfirmen, über die er die brisanten Geschäfte abwickelte. So sollten die Hersteller der elektronischen Geräte über die wahren Abnehmer im Osten getäuscht, die Lieferwege verschleiert und die Endnutzer in der DDR abgedeckt werden.

Der korpulente Gourmet, der gerne auffälligen Goldschmuck trug und BMW fuhr, verdiente gut an den geheimen Ost-West-Geschäften. Das Ehepaar Grossauer konnte gegen Ende der Achtzigerjahre in Zug das dreihundert Jahre alte «Schönbrunnerhaus» und eine fünfhundertjährige Geschäftsliegenschaft erwerben.

Internationales Netz von Tarnfirmen

Das Grossauersche Firmengeflecht dürfte in seiner Hochphase schätzungsweise ein Dutzend Firmen im In- und Ausland umfasst haben, so in der Schweiz, Liechtenstein, Dänemark und Frankreich, und sehr wahrscheinlich auch in weiteren Ländern. Der überwiegende Teil bestand aus reinen Briefkastenfirmen ohne eigene Geschäftsaktivitäten, die Grossauer unter das Dach der 1981 in Zug gegründeten Allimex stellte. Die Allimex-Gruppe war in den Achtzigerjahren in einem Geschäftshaus an der Poststrasse 30 in der Zuger City untergebracht, wo Grossauer mehrere Mitarbeiter beschäftigte.

Wie aus Stasi-Akten hervorgeht, lieferte Grossauer, so macht es den Eindruck, alles, was die sogenannten bewaffneten Organe der DDR – dazu gehörten die Stasi, die Volkpolizei und das Militär – für die technische Aus- und Aufrüstung ihres Überwachungs- und Unterdrückungsapparates auf der Wunschliste hatten: Neben Computertechnik waren dies Überwachungskameras, Videomaterial, Alarm- und Sicherungssysteme, Funksprechanlagen, Datenverarbeitungstechnik und Abhöranlagen. Sogar für die Beschaffung von Rüstungsgütern an die DDR oder an einen Bruderstaat stand die Zuger Gesellschaft Allimex im Gespräch. Da solche und andere Umgehungsgeschäfte das internationale Embargo unterliefen, war Grossauer stets darauf bedacht, nach aussen den Anschein der Seriosität und Legalität zu wahren, um nicht gegen schweizerische Gesetze zu verstossen. Die Schweiz trug den Handelsboykott gegen den Ostblock aus neutralitätspolitischen Gründen offiziell nicht mit.

Profiteure der Stasi

Der Schwarzhändler konnte beim Aufbau und Führen der Tarnfirmen auf die Unterstützung einflussreicher Helfershelfer aus dem Zuger Establishment zählen. Ohne die Unterstützung von Schweizer Stroh- und Hintermännern wäre das Grossauersche Firmengeflecht nicht funktionsfähig und die Schiebereien in diesem Umfang nicht möglich gewesen.

Drei Zuger Persönlichkeiten standen im Dienste Grossauers: Treuhänder D. aus Oberägeri, Rechtsanwalt Ernst A. Brandenberg, Gründer der gleichnamigen renommierten Zuger Kanzlei, sowie der damalige Zuger CVP-Politiker Urs Hausheer. Treuhänder D. als Verwaltungsrat und Brandenberg als Urkundsperson waren an fast allen Firmengründungen Grossauers mitbeteiligt.

Ernst A. Brandenberg stand seit Ende der Siebzigerjahre im Dienste Grossauers. Als Urkundsperson beglaubigte er mehrere Firmengründungen und war alleiniger Verwaltungsrat der Asada. Die 1985 gegründete Zuger Gesellschaft war ein wichtiges Standbein für Grossauers Umgehungsgeschäfte. Pikant: Brandenberg war in den späten Siebzigerjahren als Richter der CVP am Zuger Verwaltungsgericht tätig gewesen und bekleidete in den Achtzigerjahren hohe Ämter in der Militärjustiz.

«Stalinistischer Wein»

Nach der Wende warfen linke Kreise Brandenberg vor, «antikommunistisches Wasser» gepredigt und als Wirtschaftsanwalt «stalinistischen Wein» getrunken zu haben: Als Militärrichter im Range eines Oberstleutnant soll er Dienstverweigerer zu hohen Haftstrafen verurteilt haben und sei gleichzeitig im Dienste eines Technologieschiebers, der mit Umgehungsgeschäften mit der DDR viel Geld verdient habe, gestanden.

Rechtsanwalt Brandenberg weist die Vorwürfe, er sei in Grossauers DDR-Geschäfte verwickelt gewesen, entschieden zurück und erinnert daran, dass sich eine Zuger Tageszeitung in der Folge eines Prozesses wegen ebendiesen Vorwürfen entschuldigen musste.

Urs Hausheer wirkte als Verwaltungsrat der undurchsichtigen Grossauer-Firma Asada mit Sitz an der Zuger Grabenstrasse. Hausheer, der von 1979 bis 1986 für die CVP im Zuger Stadtparlament sass, will von Grossauers Umgehungsgeschäften nichts gewusst haben: Bei den Geschäften, in denen er involviert gewesen war, sei es um «normale Handelsgeschäfte» gegangen und «in keiner Art und Weise um die Umgehung von Embargo-Bestimmungen», rechtfertigte sich der Zuger Rechtsanwalt 1992 gegenüber den Zuger Nachrichten. Eine Anfrage von zentral+ liess Hausheer unbeantwortet.

Zu den indirekten Zuger Wasserträgern der Stasi gehörte auch Rolf Schweiger. Seine Anwaltskanzlei diente als Domizil einer Tarnfirma, über die hochwertige elektronische Geräte in den Osten geschleust wurden. Schweiger war wegen Ferienabwesenheit für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Gegenüber der «Schweiz am Sonntag» erklärte der ehemalige Zuger Ständerat, von diesen  Geschäften keine Kenntnis gehabt zu haben. Der prominente Rechtsanwalt und ehemalige FDP-Parteipräsident legte gegenüber der Zeitung Wert auf die Feststellung, dass seine Domizilhalteraufgabe, die mit monatlich 40 Franken entschädigt worden sei, lediglich darin bestanden habe, die ungeöffnete Post dem Präsidenten der Firma weiterzuleiten. Er habe, wie der Hauptmann a. D. versichert, mit den Geschäften dieser Firma «nichts zu tun gehabt».

Schweiz: Ein Paradies für Schieber

Nach der Wende versuchte Grossauer die Vorwürfe zu entkräften und seine Rolle als Technologieschieber kleinzureden. Heute schweigt Grossauer dazu. Nur wenige Jahre nach der Wende setzte er sich ins Ausland, vermutlich nach Spanien, ab. In den vergangenen Jahren hielt sich der Österreicher, der im Kanton Schwyz über eine amtlich gemeldete Adresse verfügt, auf Mallorca auf.

Grossauer war indes nicht der einzige Technologieschieber, der sich in der Schweiz niedergelassen hatte, wie im Buch «Operationsgebiet Schweiz» dargelegt wird. Weil die Schweiz das internationale Embargo der Westmächte gegen den Ostblock offiziell nicht mittrug, waren die eidgenössischen Exportbestimmungen deutlich weniger streng als in anderen Ländern. Damit schuf die Schweiz die Voraussetzungen dafür, dass sie während des Kalten Krieges zu einer Drehscheibe für Umgehungsgeschäfte und zu einem Schlupfloch im Eisernen Vorhang für Ost-West-Schiebereien werden konnte.

Die Schweizer Behörden unternahmen indes keine ernsthaften Schritte, um die von der Stasi gesteuerten Geheimdeals hierzulande konsequent zu unterbinden, wie bislang gesperrte Staatsschutzakten aus dem schweizerischen Bundesarchiv nahelegen. Wegen dieser Laissez-faire-Politik muss sich die Schweiz den Vorwurf gefallen lassen, zur Stabilisierung des DDR-Unrechtsstaats beigetragen und sein Überleben verlängert zu haben. Dies zum Nachteil der Menschen, die unter der ostdeutschen Diktatur zu leiden hatten.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von daniel.wehner
    daniel.wehner, 17.08.2015, 22:28 Uhr

    Im Internet findet man ein aktuelles Foto von Grossauer in einer dänischen Zeitung, aufgedunsen.

    http://www.bt.dk/danmark/afsloering-dansker-tjente-fedt-paa-forbudt-handel-med-ddr

    Der Anfang des Artikels auf Dänisch, durch Google Übersetzer gelassen:

    Dänische Firma brach durch mehr als 15 Jahren die Regeln für den Handel in der DDR. Die verantwortliche Unternehmen hat noch nie verfolgt worden. Das dänische Unternehmen Allimex während des Kalten Krieges spielte, eine immens wichtige Rolle in einer spektakulären, illegale und subversive Operation, die zur Stärkung der dänischen und Hauptfeind der Sowjetunion den Westen ausgerichtet.

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