Zuger Industrie-Gespräche

«Wir sind kleinkrämerisch geworden»

Zuger Technology Cluster als «Sillicon Valley» – mit Verdichtung und mehr Flexibilität. (Bild: zvg)

Es hätte ein Gespräch über die Chancen der zweiten Industriellen Revolution werden sollen. Und über die Industrie in der Stadt Zug. Aber dann kam der Entscheid der Nationalbank. Deshalb sprachen am Dienstagabend eine Bundesbeamte, zwei CEOs und ein Stadtrat über die Rettung der Schweizer und der Zuger Industrie.

Es ist ein Versuchsballon, ein «Prototyp, den wir hier bauen wollen», sagt CEO der V-Zug AG, Dirk Hoffmann. Er steht schon neben der Bühne, das Publikum ist beim Apéro, gerade sind zwei Stunden voller Diskussion zur Industrie in der Schweiz vorbeigezogen. Und damit auch über die Industrie in Zug. «Eigentlich geht das ja gar nicht, was wir machen», hatte Hoffmann gerade vorher noch gesagt, «wir sind eine Hummel im internationalen Markt, wir können eigentlich gar nicht funktionieren. Es funktioniert nur, weil wir andere Produkte machen als unsere Konkurrenz.»

Weil mehr Innovation dahinterstecke, in den Produkten der V-Zug. Das ist die grosse Hoffnung an diesem Abend, nichts geringeres als die Hoffnung auf die Rettung der Schweizer Industrie: Ein Sillicon Valley soll das Land werden, ein Technologie- und Knowhow-Zentrum. «Das ist das, was wir im Kleinen hier in Zug beginnen», sagt Hoffmann. «Sehen Sie, es ist alles da, was es braucht: Finanzststarke Investoren, gute Bildung, eine Kultur der Innovation.»

Wiedergeburt der Industrie

Die Bühne und Hoffman stehen im Zugorama, dem Brückenkopf der V-Zug AG an der Baarerstrasse, dem urbanen Verbindungsdraht zwischen den Zuger Büro-Ausläufern und den Anfängen der Baarer Gewerbe-Peripherie. Das Zugorama ist gleichzeitig einer der Eckpunkte des geplanten Grossprojekts: Die V-Zug möchte ihren Standort mitten in der Stadt verdichten und auf dem Areal einen  «Technology Cluster» bilden (zentral+ berichtete).

Anlass für die Podiumsdiskussion war denn auch der geplante Technology-Cluster der V-Zug. In einer Serie von solchen Podiumsdiskussionen will deren Mutterkonzern, die Metall Zug AG, zusammen mit dem Technologie Forum Zug und der Zuger Wirtschaftskammer eine öffentliche Debatte über den Industriestandort Zug führen. Über die Wiedergeburt der Industrie in der Schweiz, als Gegenpol zum Dienstleistungssektor.

Beruhigende bundesrätliche Präsenz

Aber die Aktualität überholte die Planung. Thema Nummer eins an diesem Abend war der Entscheid der Nationalbank vom 15. Januar und dessen Auswirkung auf die Schweizer und die Zuger Industrie. Kein Wunder mussten die Veranstalter die Stühle vom Foyer ins Obergeschoss zügeln, der Parkplatz vor dem Haus war schnell voll, die Sitzplätze ebenso. Von Wirtschaftsvertretern über Kantons- und Gemeinderäte und dem Energiequerulanten Pius Lischer waren alle da. Und sie wollten, mit Ausnahme von Lischer, vor allem eines wissen: Wie weiter mit der Zuger und der Schweizer Industrie, wenn der Franken so stark bleibt.

«Hoffentlich ist der politische Widerstand im Moment geringer»

Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch

Und blickten deshalb gebannt auf die Sprechenden: Scheinbar extra eingeflogen war Hans Hess, Präsident der Swissmem. Er stand noch am selben Nachmittag in einer Besprechung mit Bundesrat Schneider-Amman, und versuchte ihm die Lage der Industrie nahezulegen. Diese bundesrätliche Präsenz, wenn auch aus zweiter  Hand, sorgte für aufgeregte Stimmung. Direkt am Puls der Zeit sei man heute, so formulierte es Moderator Marco Meier, und so fühlte sich das Gespräch auch an.

Das Einstiegsreferat der Direktorin des SECO, Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, tat sein übriges. Die nationalen politischen Player flösste dem Saal Vertrauen ein. Keine bahnbrechenden Änderungen seien zu erwarten, sagte Ineichen-Fleisch, es sei nicht der Moment für Konjunkturprogramme. Stattdessen gelte es, eine ganze Reihe von kleineren Massnahmen schneller durchzusetzen, um die Rahmenbedingungen für die Industrie zu verbessern. «Hoffentlich ist der politische Widerstand im Moment geringer.»

Startup-Kultur, ein zartes Pflänzchen

Durch eine ganze Reihe unterschiedlicher Perspektiven manövrierte Meier mit seinen Podiums-Gästen. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH aus Berlin, lieferte die Aussensicht auf die Schweizer Industrie. Er mache sich keine Sorgen um sie, «eher habe ich Bedenken, was die deutsche Wirtschaft angeht. Sie jubelt jetzt, und der lange fällige Strukturwandel wird sich noch langsamer vollziehen.»

Wenn die Schweiz es schaffe, die Hochtechnologie zu fördern, dann sehe er grosse Chancen für die Schweizer Industrie. «Wichtig ist auch die Start-Up Kultur, die ist noch ein zartes Pflänzchen hier.» Man müsse sie ernster nehmen. Angesprochen auf die Verhandlungen der Schweiz mit der EU und auf die Masseneinwanderungsinitiative sagt Bouteiller: «Man kann kein Sillicon Valley machen nur mit Schweizern. Sillicon Valley ist einer der multikulturellsten Orte der Welt, deshalb ist das auch ein Zentrum der Innovation.»

Daraufhin erwiderte der Zuger Finanzchef Karl Kobelt: «Es gibt noch einen zweiten Ort auf der Welt, der eine so hohe Multikulturalität hat, das ist die Stadt Zug.» Auch deshalb könne Zug so innovativ sein. Kobelt bemängelte allerdings die fehlende Initiative und den mangelnden Zukunftsgeist der Zuger. «Wir sind kleinkrämerisch geworden. Die Stadt hat den ganzen Januar nur über ein Thema gesprochen», sagt Kobelt und im Saal geht das Grinsen um – «Soll die Zeughausgasse jetzt gepflästert werden oder nicht?» Und Moderator Meier ergänzt, «das war aber nur das zweite Thema oder?» Beide seien ähnlich lapidar, sagt Kobelt und geht damit im allgemeinen Gelächter unter. Er erhoffe sich, dass mehr zusammengearbeitet würde in der Stadt, «damit man zusammen zu neuen Ufern aufbrechen kann.» 

Fabriken aus dem Boden stampfen wie in China

Und Hoffmann nimmt den Ball auf. «Wir dürfen jetzt den Transformationsprozess nicht stoppen. Aber wir müssen schneller werden. Wenn man sieht, wie in China Fabriken aus dem Boden gestampft werden, wie schnell neue Produkte auf den Markt kommen, natürlich auch mit einer grösseren Risikobereitschaft. Um da mitzuhalten, müssen wir flexibler werden.»

Im Klartext heisst das wohl, auch die Stadt müsse flexibler werden, was den Bebauungsplan betrifft. Wird man jetzt mit der Frankenstärke mehr Druck auf die Politik ausüben? «Wir erwarten natürlich auch von der Stadt, dass sie einen Bebauungsplan für unser Areal entwirft, der flexibel genug ist, damit das Areal längerfristig attraktiv ist. Aber wir stossen damit auf offene Ohren. Die Stadt ist mit im Boot.»

Keine Sorgen um die V-Zug

Aber wie steht es nun um die Zuger Industrie? «Über die ganze Zuger Industrie kann ich nicht sprechen», sagt Hoffmann. «Aber um die V-Zug muss man sich keine Sorgen machen. Natürlich wirft uns die Frankenstärke zurück. Aber der Franken war schon immer stark.» So stark allerdings noch nie. Der Anstieg sei für die V-Zug direkt spürbar. «Diese zwanzig Prozent Unterschied, die sind für uns nicht irgendwo weit weg. Wir sind der einzige Schweizer Anbieter in der Schweiz. Wir spüren den Unterschied gleich da draussen auf der Strasse.» Er sehe nur einen Weg: «Wir müssen jetzt schneller werden, die Transformation muss schneller gehen.»

Karl Kobelt schätzt die Lage ähnlich ein: «Ich denke, so weit ich das beurteilen kann, den grossen Unternehmen in Zug geht es gut. Ich mache mir aber Sorgen um die kleinen und mittleren Unternehmen.» Sie könnten nicht so einfach Ausgaben abbauen wie grosse Unternehmen, oder Leute entlassen. «Deshalb habe ich grossen Respekt vor allen, die ihre KMUs durch diese Krise bringen.»

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