Geniesst das Kantonsspital zu viele Freiheiten?

Luzerner Politik verliert zunehmend die Kontrolle über Steuergelder

Das Luzerner Regierungsgebäude

(Bild: zvg)

Es herrscht Ohnmachtstimmung in Luzern: Der Kanton Luzern hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Betriebe und Leistungen aus der Kernverwaltung ausgelagert und dadurch viel an Einfluss verloren. Im Parlament besteht von links bis rechts Unmut gegen den Kontrollverlust.

Der Staat gibt die Zügel zunehmend aus den Händen: Prominente Beispiele sind das Luzerner Kantonsspital (LUKS), die Psychiatrie (LUPS), soziale Einrichtungen oder Schulmensen. Mehr und mehr Leistungen werden durch ausgelagerte Betriebe übernommen. Das zeigt sich besonders bei den Zahlen. Im Jahr 2000 lagen Zahlungen für externe Leistungen bei rund 750 Millionen Franken. 2016 lag dieser Wert bereits bei 1,8 Milliarden Franken. Gleichzeitig sanken die Personalkosten in der Verwaltung aufgrund der geringeren Anzahl Mitarbeiter von gegen 750 Millionen auf rund 614 Millionen Franken.

Auslagerung in stetigen Schritten

«Wir spüren eine gewisse Ohnmacht, wie mit Leistungsaufträgen umgegangen werden soll», sagte die Luzerner CVP-Kantonsrätin Yvonne Hunkeler im Rahmen der Oktober-Session des Kantonsrates. Sie ist Präsidentin der Aufsichts- und Kontrollkommission des Parlaments.

«Wir sind zu weit entfernt.»

Michael Töngi, Kantonsrat Grüne

Die Gründe für das starke Wachstum der ausserhalb der Kernverwaltung erbrachten Leistungen sind vielschichtig. Im Gesundheitsbereich steigen die Kosten stetig und damit die Transferzahlungen an Spital und Psychiatrie. Die Luzerner Hochschulen sind ebenfalls nicht direkt unter kantonaler Leitung. Sie verzeichnen mehr Studierende, was ebenfalls zu einem Kostenwachstum führt, sagt Hunkeler. Gleiches gilt auch für die ausgelagerten sozialen Einrichtungen.

Die Entwicklung der Transferzahlungen im Vergleich zum Personalaufwand des Kantons.

Die Entwicklung der Transferzahlungen im Vergleich zum Personalaufwand des Kantons.

(Bild: Screenshot Kanton Luzern)

Auslagerungen sind politisch gewollt: Das Parlament erhofft sich eine schlankere Organisation, schnellere Entscheidungen und tiefere Kosten. Das klassische Beispiel ist der Gesundheitsbereich: Im Jahr 2007 wurden das Kantonsspital und die Psychiatrie (LUPS) in eine öffentlich-rechtliche Anstalt überführt, 2011 übernahmen die Kantonsspitäler die 85 Klinikgebäude im Baurecht und bewirtschaften die Immobilien seither selbst.

CVP-Frau Yvonne Hunkeler sagt: «Eine Auslagerung beinhaltet immer auch einen Demokratieverlust.» Dennoch wertet sie die vorgenommenen Auslagerungen als einen erfolgreichen Schritt. «Der Kanton selbst könnte das Spital nie so effizient und schlank führen.»

«Spitalauslagerung richtiger Entscheid»

Für den Grünen Kantonsrat Michael Töngi ist die Entwicklung hin zu mehr ausgelagerten Leistungen sehr unbefriedigend. «Das Parlament und die Kommissionen sind nicht beteiligt an den Entwicklungen in den ausgelagerten Betrieben. Wir sind zu weit entfernt.» Töngi erachtet diese fehlende Steuerung als problematisch. «Wenn es nicht gerade einen Skandal gibt, erfahren wir nichts.» Bei den Grünen besteht ein Bedürfnis, eine Mitsprache bei der Ausrichtung und dem Leistungsangebot der Spitäler zu haben.

«Das Parlament muss nicht überall dreinreden.»

Armin Hartmann, SVP-Kantonsrat

SVP-Kantonsrat Armin Hartmann bestätigt, dass mit Auslagerungen ein demokratiepolitisches Defizit einhergeht. Dennoch blieben Möglichkeiten zur Einflussnahme: beispielsweise über die Budgetvergabe, die Steuerung der Planungsberichte oder Gesetze. Hartmann sagt: «Grundsätzlich ist eine Entpolitisierung der Führung nicht schlecht.» Insbesondere die Auslagerung des Spitals sei rückblickend der richtige Entscheid gewesen.

Denn der Kantonsrat kann aus Sicht von Hartmann heute gar nicht mehr einen Grossbetrieb wie das LUKS führen, dafür brauche es ein professionelles Management. «Das Parlament muss nicht überall dreinreden, wie, wann und wo gebaut wird.»

Arroganz gegenüber Politik?

Töngi sagt, dass die Weiterentwicklung des Spitals nicht rein betriebswirtschaftliche Fragen beinhaltet. «Ob in Luzern zuerst eine Augenklinik oder ein Kinderspital saniert wird, ist eine hochpolitische Frage.» Ausserdem bezweifelt der Grüne, dass tatsächlich schnellere Entscheidungswege geschaffen wurden.

Der Kantonsrat habe vor der Auslagerung geplant, das Kinderspital und den Standort Wolhusen bis 2015 zu sanieren, das neue Parkhaus hätte 2014 fertiggestellt werden sollen und das Zentrumsspital sollte bis 2021 erneuert werden. Inzwischen rechne das LUKS mit einer Fertigstellung aller Investitionen bis 2032. «Zwar hätten sich die Projekte auch unter Leitung des Kantons verzögert, doch ich bezweifle, dass mit der Auslagerung an Schnelligkeit gewonnen wurde», sagt Töngi.

Der Vorwurf, die Politik würde durch eine direkte Aufsicht die Prozesse verlangsamen, kann Töngi deshalb nicht nachvollziehen: «Diese Haltung zeugt von einer gewissen Arroganz gegenüber der Politik.»

Von Links: Michael Töngi (Grüne), Yvonne Hunkeler (CVP), Armin Hartmann (SVP).

Von links: Michael Töngi (Grüne), Yvonne Hunkeler (CVP), Armin Hartmann (SVP).

(Bild: Montage / giw)

SVP warnt vor zu starker Kontrolle

Eine Wiedereingliederung von Kantonsspital oder Kantonalbank ist aus Sicht von Töngi zwar «politisch illusorisch». Er erhofft sich jedoch, dass das Parlament das Beteiligungsgesetz verschärft, um eine bessere strategische Kontrolle auf ausgelagerte Betriebe ausüben zu können. Die Steuerung sollte insbesondere durch die jeweils zuständige Kommission stattfinden.

SVP-Parlamentarier Armin Hartmann kann sich durchaus vorstellen, dass der Kantonsrat in Zukunft verbindliche Spielregeln zur Mitsprache bei ausgelagerten Betrieben formuliert. «Das Parlament darf aber keine übertriebenen Forderungen stellen, sonst hätte man die Auslagerungen auch gleich lassen können.

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