Luzerner warten länger auf gemeinnützige Wohnungen

Ohrfeige für Stadtrat: Eichwald-Ausschreibung fällt durch

Hier entsteht für 25 Millionen Franken ein neues Wohn- und Arbeitsquartier. Im Hintergrund das Salzmagazin.

(Bild: jwy)

Der Stadtrat wollte keine Verzögerung beim gemeinnützigen Wohnungsbau – und versuchte das Projekt Eichwald trotz massiver Kritik im Parlament durchzuboxen. Doch die Bedenken überwogen: Die Parlamentsmehrheit will einen Neustart. Zeitverlust: rund ein Jahr.

Luzern will und muss vorwärtsmachen mit dem gemeinnützigen Wohnungsbau auf Stadtboden. Das ist inzwischen politisch unbestritten, schliesslich handelt es sich um einen Volksauftrag. Eine der Parzellen, auf der bald nicht gewinnorientiert gebaut wird, ist das Eichwaldareal gleich bei der Allmend. Bis Anfang 2021 sollen dort 54 gemeinnützige Wohnungen entstehen, den Zuschlag dafür erhielt die SBL Wohnbaugenossenschaft.

Doch dieser Fahrplan wird jetzt über den Haufen geworfen: Die Ausschreibung muss wiederholt werden, das hat das Stadtparlament am Donnerstag beschlossen. Grund: Es gibt gewichtige Bedenken und zu viele offene Fragen über die Art und Weise, wie der Stadtrat den Zuschlag für das Baurecht vergab.

Hier soll günstiger Wohnraum enstehen: die Parzelle zwischen Eichwaldstrasse und Horwerstrasse (rechts) bei der Luzerner Allmend.

Hier soll günstiger Wohnraum enstehen: die Parzelle zwischen Eichwaldstrasse und Horwerstrasse (rechts) bei der Luzerner Allmend.

(Bild: Google Maps)

Zu wenig transparent

Bereits Ende November trat die Geschäftsprüfungskommission (GPK) unter dem Vorsitz von SP-Stadtparlamentarierin Luzia Vetterli auf die Bremse. Die GPK schickte den Bericht und Antrag zur Eichwaldstrasse Ende November zur Überarbeitung zurück an den Stadtrat (zentralplus berichtete).

Die GPK kritisierte, dass der Stadtrat zu wenig transparent machte, nach welchen Kriterien der Zuschlag an die SBL Wohnbaugenossenschaft erfolgt ist. Notwendige Dokumente fehlten und grundlegende Fragen blieben offen – unter anderem zum Landpreis.

«Wir haben das Verfahren im besten Wissen und Gewissen durchgeführt und die Kritik ist angekommen.»

Baudirektorin Manuela Jost

Die GPK forderte vom Stadtrat unmissverständlich, dass er die Landpreisschätzung überprüft und die Ausschreibung wiederholt werde. Die eingegangenen Projekte müssten zudem mit externen Beratern neu beurteilt werden. Kommissionspräsidentin Luzia Vetterli (SP) wiederholte die Kritik am Donnerstag noch einmal.

Neue Landpreisschätzung

Der Stadtrat hat den Bericht und Antrag inzwischen ergänzt und hoffte so, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er liefert Antworten zu offenen Punkten – aber eine Neuausschreibung wollte er nicht.

So wurde der Landwert von einer zweiten Firma nochmals geschätzt, und der Stadtrat hat die Berechnung des Baurechtzinses detailliert erläutert. Zudem hat der Stadtrat auf Frühling 2017 einen Bericht in Aussicht gestellt, der das Vorgehen und das Verfahren bei städtischen Grundstücken an gemeinnützige Genossenschaften grundsätzlich regelt.

Hier hat’s Platz für gemeinnützigen Wohnungsbau: das Areal Eichwald ist im Besitz der Stadt Luzern.

Hier hat’s Platz für gemeinnützigen Wohnungsbau: das Areal Eichwald ist im Besitz der Stadt Luzern.

Trotz Kritik: «Der Stadtrat ist nach wie vor überzeugt, dass das Konzept der SBL Wohnbaugenossenschaft Luzern insgesamt das bessere Angebot ist», teilt er mit. Die SBL setzte sich in der Ausschreibung gegen die Mitbewerberin, die Wohngenossenschaft Geissenstein EBG, durch.

«Es geht nicht nur um das Eichwald-Projekt, wir brauchen eine verlässliche und transparente Vergabepraxis.»

Simon Roth (SP)

Baudirektorin Manuela Jost sagte vor dem Parlament: «Wir haben das Verfahren im besten Wissen und Gewissen durchgeführt und die Kritik ist angekommen.» Auch bei den anderen gemeinnützigen Projekten – obere Bernstrasse und Industriestrasse – habe es Ungereimtheiten gegeben. «Wir sind froh, haben wir daraus gelernt», so Jost.

Inhaltliche Kritik am Projekt lässt Jost nicht gelten: «Wir bedauern, dass am Beispiel Eichwald ein Exempel statuiert wird.» Bei einer Neuausschreibung würde man wertvolle Zeit verlieren. Bis ein neues Projekt vorliege, würde rund ein Jahr vergehen. «Ich würde es sehr bedauern, wenn wir in diesem sehr guten Projekt nicht die nächsten Schritte einleiten könnten», sagte Jost.

Bedenken nicht ausgeräumt

Doch nur Josts GLP sowie die CVP und SVP folgten ihren Argumenten. Eine Mehrheit aus SP, Grünen und FDP forderte am Donnerstag einen Neustart – zu gross waren die Bedenken am Verfahren. Einig war man sich darin: Die Kritik gilt nicht dem Projekt, sondern dem Verfahren – also dem Stadtrat.

«Wir sind Ingenieure, ihr seid Theoretiker.»

Jules Gut (GLP)

Simon Roth (SP) sagte: «Die eine oder andere Frage wurde inzwischen zwar geklärt, trotzdem sind grundlegende Bedenken nicht aus dem Weg geräumt.» Der Entscheid sei nicht nachvollziehbar, man müsse das der Bevölkerung erklären können. «Es geht nicht nur um das Eichwald-Projekt, wir brauchen eine verlässliche und transparente Vergabepraxis», so Roth.

Bleibt die Stadt verlässlich?

Mirjam Fries (CVP) entgegnete: «Der Auftrag ist klar, wir müssen rund 2300 gemeinnützige Wohnungen schaffen.» Sie wies darauf hin, dass die Ausschreibung freiwillig war und es zum ersten Mal zu einer Konkurrenzsituation gekommen sei. «Aus Sicht der CVP hat man sich für ein gutes Projekt entschieden», so Fries, das sei entscheidend. «Wir wollen nicht unnötige Zeit verlieren, die Stadt muss ein verlässlicher Partner bleiben für Genossenschaften.»

Das Salzmagazin steht unter Schutz und soll umgebaut und genutzt werden. Rechts im Hintergrund das Areal, das bebaut wird.

Das Salzmagazin steht unter Schutz und soll umgebaut und genutzt werden. Rechts im Hintergrund das Areal, das bebaut wird.

(Bild: jwy)

Auch Christian Hochstrasser (Grüne) attestierte den Genossenschaften, gute Arbeit geleistet zu haben. Adressat seiner Kritik ist der Stadtrat. «Der Bericht und Antrag lässt mehr Fragen offen als er beantwortet.» Er vermisst die nötige Sorgfalt und sagte unverblümt: «So geht es einfach nicht. Es ist ärgerlich, dass wir die Reissleine ziehen müssen, aber es bleibt nichts anderes übrig.»

Für alle Neuland

Zwar ist auch Laura Kopp (GLP) nicht zufrieden mit dem bisherigen Vorgehen und fordert Verbesserungen – warnte aber davor, «am Eichwald ein Exempel zu statuieren». Es sei für alle ein neues Gebiet, auch für die Legislative.

Fabian Reinhard (FDP) schliesslich sagte: «Es ist bitter für die viele Arbeit, aber die Genossenschaften verdienen es, dass es einen nachvollziehbaren Entscheid gibt.» Der Stadtrat habe es versäumt, und die Baudirektion das Geschäft nicht im Griff. Peter With (SVP) wollte vor allem, dass es endlich vorwärts geht und plädierte deshalb gegen eine Rückweisung.

CVPler Roger Sonderegger ist selber Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft Matt und warnte, dass man vor einem Scherbenhaufen stehen werde bei einer Neuausschreibung. «Mit der Rückweisung bestrafen wir nicht die Baudirektion, sondern die Genossenschaften.» Und Jules Gut (GLP) sorgte schliesslich für Gelächter als er zu seinen Ratskollegen sagte: «Wir sind Ingenieure, ihr seid Theoretiker. Es ist zwar nicht alles lupenrein, aber es liegt ein super Projekt auf dem Tisch.»

Baudirektorin Manuela Jost fand schliesslich kein Gehör: Die Mehrheit des Stadtparlaments wies das Geschäft zur Überarbeitung zurück an den Stadtrat.

Eichwald: Was bisher geschah

Die Stadt hatte das Areal an der Eichwaldstrasse Anfang 2016 ausgeschrieben. Es gab nur zwei Bewerbungen: von der Wohngenossenschaft Geissenstein EBG und der SBL Wohnbaugenossenschaft Luzern.

Die Stadt legte bei der Ausschreibung einen Mindestpreis fest, die Genossenschaften konnten ein höheres Angebot abgeben, was die Mitbewerberin, die Wohngenossenschaft Geissenstein (EBG) auch tat. Trotzdem entschied sich die Jury unter dem Vorsitz von Baudirektorin Manuela Jost im Mai 2016 einstimmig für die SBL Wohnbaugenossenschaft Luzern. Das sorgte für Unverständnis und Kritik.

Ziel ist: Bis 2021 sollte ein lebendiges und autoarmes Wohn- und Arbeitsquartier mit mindestens 54 Wohnungen entstehen (zentralplus berichtete). Die SBL Wohnbaugenossenschaft Luzern wollte auf dem Areal an der Eichwaldstrasse für 25,1 Millionen Franken ein Wohn- und Arbeitsquartier errichten. Das Salzmagazin auf dem Gelände steht unter Schutz und soll umgenutzt werden.

2012 hatte der Stadtrat vom Stimmvolk den Auftrag erhalten, den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen innerhalb von 25 Jahren auf 16 Prozent zu erhöhen. Um das zu erreichen, setzt der Stadtrat in seiner Wohnraumpolitik darauf, städtisches Areal im sogenannten Baurecht abzutreten – etwa in der Industriestrasse oder an der Eichwaldstrasse.

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