Verloren im Spardschungel? Wir schaffen Durchblick

Der grosse Faktencheck zum Zuger Entlastungsprogramm

Wer hat da noch den Durchblick? Bei rund 50 Gesetzesänderungen wird es für Abstimmende schwierig, sich eine Meinung zu bilden.

(Bild: Fotolia / Nadine Haase)

Es ist ein Wust von einer Vorlage: Rund 50 Gesetzesänderungen sind in ein einziges Paket gestopft, jede einzelne ist kontrovers diskutierbar. Kein Wunder, überquellen die Leserbriefspalten. Wir schlagen uns durchs Dickicht und versuchen, den Behauptungen auf den Grund zu gehen.

Die Vorlage ist so dick, dass sie mühelos politunerfahrene Gehirne in Rauch auflöst: Das zweite Zuger Entlastungspaket  (EP2) umfasst rund 50 Gesetzesänderungen in einer Fülle von Bereichen (zentralplus berichtete). Kein Wunder, lässt sich darüber gut streiten. In den Leserbriefspalten wird zwar heiss diskutiert, aber Gegner und Befürworter schreien sich oft völlig ohne Zusammenhang ihre Argumente vom Leib.

Denn es ist ein 50-Fronten-Kampf – und bei jeder einzelnen Sparmassnahme lassen sich zig Argumente pro und contra finden. Es wird also dringend Zeit, etwas Ordnung in die Sache zu bringen. Deshalb stürzen wir uns mit der Rebschere bewaffnet in den Dschungel und unterziehen das leserbriefliche Dickicht einem garstigen Faktencheck.

Dabei lesen Sie auf eigene Verantwortung mit. Denn ganz so einfach wie normalerweise wird das nicht. Da fliegen die Fetzen. Und so richtige, harte Fakten gibt es gar nicht. Es gibt nur moosartiges, stachliges, vertracktes Flechtwerk. Wir wissen nicht mal, ob wir es rechtzeitig zu Sonnenuntergang wieder aus der Sache heraus schaffen. Und wenn’s dunkel ist, wollen Sie nicht da sein. Im Entlastungsprogramm. Denn dann werden die richtig fiesen Sparmassnahmen ausgepackt. Dazu später mehr. Wenn Sie sich trauen.

Zuerst aber zu den klaren Ansagen. Wir starten auf einer Lichtung.

«Es herrscht Opfersymmetrie.»

Die Regierung

Richtig, das haben Sie schon Hunderte Male gelesen. Das Wort «Opfersymmetrie» ist offenbar eine Schweizer Erfindung, das glaubt zumindest der TAZ-Wortistik-Blogger Detlef Guertler. Es befriedigt ein damit einhergehendes, dringendes schweizerisches Bedürfnis: «Wenn Opfer gebracht werden müssen, dann soll es dabei gerecht zugehen.»

Wie gerecht geht es nun beim Entlastungsprogramm zu? Das Pro-Komitee wirbt mit «Gemeinsam haushalten!», die Gegnerschaft verortet die Opfer vor allem bei Familien, IV-Bezügern, der Bildung, dem Personal und älteren Menschen.

Dieser Streit ist einer Vermischung der Perspektiven geschuldet. Denn die Frage ist: Symmetrisch in Bezug auf die betroffenen Ämter oder symmetrisch in Bezug auf die betroffenen Bevölkerungsschichten? In Bezug auf die Ämter haben die Spar-Befürworter Recht – und das ist auch der Rahmen, in dem der Regierungsrat von «Opfersymmetrie» gesprochen hat. Es wird bei allen Direktionen gespart.

Im Bezug auf die Bevölkerungsschichten allerdings haben die Gegner Recht: Das Paket trifft nicht alle Teile der Bevölkerung, und schon gar nicht in gleichem Ausmass. Für den Bezüger von Ergänzungsleistungen geht es ans Lebendige, wenn er seine persönlichen Auslagen um einen Viertel kürzen muss – und das bei einem sowieso knappen Budget von heute 536 Franken pro Monat. Es gibt keine vergleichbar drastischen Kürzungen beim Mittelstand oder bei Menschen mit hohen Einkommen.

Opfersymmetrie: Stimmt’s oder nicht? Fakt ist: Bei den betroffenen Ämtern ging die Regierung offenbar mit dem kommunizierten Willen zur Symmetrie ans Werk. Bei den direkt betroffenen Teilen der Bevölkerung trifft es gewisse Gruppen aber offensichtlich stärker als andere. Und in der Bevölkerung wird der Begriff zu Recht nicht nur im Bezug auf die Ämter verstanden. Deshalb: halbrichtig.

 

 

Da werden natürlich sofort Stimmen der Befürworter laut:

Die Kürzungen treffen auch Gutverdienende!

«Ich habe jedoch Mühe damit, wenn Gegner des Entlastungsprogrammes verschweigen, dass gekürzte Abzüge im Bereich des Pendlerabzuges und der Eigen- und Fremdbetreuung für Steuerzahler in höheren Progressionsstufen wesentliche Auswirkungen haben.»

Das schreibt Beat Unternährer in einem Leserbrief. Das Argument verdient Beachtung: Der gekürzte Pendlerabzug ist tatsächlich auch bei hohem Einkommen eine Belastung. Da der Pendlerabzug allerdings auf den Preis eines 1.-Klasse-GAs gekürzt wurde, hält sich die Belastung in Grenzen. Die von 6000 auf 3000 Franken gekürzten Steuerabzüge bei Familien, die ihre Kinder betreuen lassen, treffen Gutverdienende schon eher. Nur: Die Abzüge sind fixiert und steigen nicht progressiv an. Sie sind für Familien mit kleinerem Einkommen deshalb gewichtiger als für solche mit grösseren.

Aber, und das bringt die Befürworterseite zu Recht ein: Die neu eingeführte Schiffssteuer trifft vor allem Menschen, die sich ein Boot leisten können. Ein etwas grösseres Boot mit viel Leistung wird in Sachen Steuern rund 1200 Franken jährlich kosten, so die Prognose der Regierung. Das sind rund 300 Franken weniger, als das Sparprogramm den Bezüger von Ergänzungsleistungen im Jahr kostet. Nur: Der kann sich kein Boot leisten.

Also. Stimmt’s oder nicht? Stimmt so halb: Auch Wohlhabende sind betroffen. Aber stimmt auch nicht: Sie sind deutlich weniger stark betroffen als der Mittelstand und noch weniger als die Bezüger von Ergänzungsleistungen.

 

Die Wirtschaft wird nichts beitragen müssen!

Leserbriefschreiber Patrick Kron

Sie ahnen es – das Argument gehört zur selben Kategorie wie das erste. Die Befürchtung dabei: Die Wirtschaft müsse nichts dazu beitragen, dass es dem Kanton finanziell wieder besser gehen soll, obwohl sie in den Jahren stets von den tiefen Steuern profitiert hat.

Wer kämpft gegen wen?

Im Kampf um das Entlastungsprogramm haben sich klare Fronten gebildet.

Auf der Pro-Seite kämpfen die Zuger Regierung und das Komitee «Zugkunft». Letzteres besteht aus den bürgerlichen Parteien CVP, SVP, FDP und GLP plus Zuger Writschaftskammer, dem Hauseigentümerverband Zugerland, dem «Bund der Steuerzahler» und dem Gewerbeverband des Kantons Zug.

Die Gegnerseite bildet ein Verbund von rund 30 Organisationen. Darunter der Dachverband Berufsbildung Schweiz, Pro Infirmis, S&E Schule und Elternhaus, Staatspersonalverband des Kantons Zug, Verband Zuger Polizei, Literarische Gesellschaft Zug, VCS Zug, avenir social, insieme, Cerebral, LVZ – LehrerInnenverband, SBK – Berufsverband Pflegefachleute, VSAO – Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, OFRA Zug – Organisation für die Sache der Frau, LKBZ – LehrerInnen KBZ, Konvent der Kantonsschule, SEV, VPT Zug, VPOD Zug, Unia, Gewerkschaftsbund Zug, SP, Alternative – die Grünen, Juso, Junge Alternative, Christlich-Soziale Partei CSP, Piratenpartei.

Das ist zwar eine gute Geschichte, stimmt aber auch nur so weit, wie das Gegenteil wahr ist: Die Wirtschaft trägt zu den Kantonsfinanzen natürlich einen grossen Teil in konkretem Steuersubstrat bei. Bürgerliche Kantonsräte werden nicht müde, zu betonen, dass ein kleiner Teil der ansässigen Unternehmen einen grossen Teil der finanziellen Last übernimmt.

Wie viel die Wirtschaft an den finanziellen Haushalt eines Kantons beitragen soll, könnte eine gesellschaftspolitische Frage sein. Sie ist aber in der Realität eine rein finanzpolitische: Ob der Kanton Zug mit seinen im interkantonalen Vergleich tiefen Unternehmenssteuern von 14,6 Prozent die Wirtschaft «genügend» in die Pflicht nimmt oder nicht, lässt sich nicht abschliessend beantworten. Dazu kann man nur eine Meinung haben.

Fakt ist: Am Entlastungsprogramm selber beteiligt sich «die Wirtschaft» in drei von 50 Punkten nur ansatzweise: Erstens darf das Staatsarchiv neu Gebühren erhöhen, wenn darin recherchiert werden soll. Damit spart der Kanton 2000 Franken (laut seiner Abstimmungsbroschüre). Zweitens: Energetische Gebäudesanierungen werden nicht mehr gefördert. Einsparung: 1,5 Millionen Franken. Dritter Punkt: Hagelversicherung. Der Kanton bezahlt Landwirten momentan 25 Prozent ihrer Versicherungsprämien gegen Hagelschaden. Das wird nun gestrichen.

Stimmt’s also, dass die Wirtschaft zum Sparpaket nichts beiträgt? Auf konkrete Massnahmen bezogen: stimmt. Die drei Punkte bleiben – zumindest für die allermeisten Betriebe im Kanton – offensichtlich ohne Auswirkungen.

 

 

Die Reserven werden schmelzen wie Schnee an der Sonne bis 2019.

Gabriela Ingold, Kantonsrätin FDP

Geht der Kanton bei einem «Nein» bankrott? Davon sind einige Leserbriefschreiber überzeugt. Aber stimmt’s auch? Zumindest wenn man die Prognosen des Finanzdirektors Heinz Tännler und seines Vorgängers Peter Hegglin betrachtet: klarer Fall. Sofern die Steuererträge auch wirklich weiterhin so tief bleiben. Tännler rechnet mit ausgebrannten Reserven bis 2020, wenn nichts unternommen wird. Ist das ein Fakt? Nein – das ist eine Prognose. Und die stimmen nicht immer (zentralplus berichtete). Aber sie sind alles, was in der Debatte an Fakten zur Verfügung steht. Deshalb: stimmt.

 

Da stellt sich auch gleich die nächste Frage:

Warum nicht einfach die Steuern anheben?

Diese Frage stellen besonders linke Politiker gerne – und schon seit Jahrzehnten. Damit einher geht die implizite Hoffnung, dass es für das vertrackte Sparproblem eine einfache Lösung gibt. Und dass gleichzeitig der Druck auf den Kanton, und damit auf die Mieten, nachlassen würde. Dass eine Steuererhöhung auf den Kanton zukommen wird, davor mahnt auch der Finanzdirektor seit diesem Jahr – und langsam wird der Gedanke salonfähig. Der Widerstand der Bürgerlichen wird schwächer, man argumentiert schon mit zeitlichen Überlegungen: «Der Ruf nach Steuererhöhungen ist hörbar, doch lassen sich diese so rasch nicht umsetzen, wie gewisse Kreise uns weismachen wollen», schreibt Kantonsrätin Laura Dittli vom Komitee «Zugkunft» in einem Leserbrief.

Das ist zumindest nicht mehr die blanke Ablehnung, die dem Gedanken noch vor zwei Jahren zuteil wurde. Die Steuererhöhung ist allerdings im momentanen Gefecht zum Zückerchen für Links mutiert, das dann nach den Sparpaketen kommen könnte: Erst wenn die «Hausaufgaben gemacht sind», so die Regierung, werde man darüber sprechen können.

Kann man also oder kann man nicht? Fakt ist: Ein Kanton kann, wenn er will, seine Steuern erhöhen. Das geht. Wirklich.

Ob’s das Richtige ist, ist wiederum Ansichtssache. Da kommen wir schon zum nächsten Punkt, der der Klärung bedarf:

 Man müsste die Steuern um 20 Prozent erhöhen, um 130 Millionen Franken zu sparen.

Beat Unternährer, Kantonsrat FDP

Wie weit müssten die Steuern rauf, falls das EP2 nicht durchkommt? Wir haben’s ausgerechnet (was das für eine Familie bedeutet: hier geht’s zum Artikel). Kurz und bündig: Um das ganze EP2 im Umfang von rund 40 Millionen Franken zu ersetzen, müsste der kantonale Steuerfuss um sechs Prozentpunkte angehoben werden: Von heute 82 auf 88 Prozentpunkte.

Die im Leserbrief beschriebenen 130 Millionen Franken sind eine Fantasiezahl – sie wären nötig, wenn weder das erste Entlastungspaket noch das zweite noch das Programm «Finanzen 19» angepackt würde – dann würden sogar 140 Millionen Franken fehlen. Nur: Das erste Entlastungspaket im Umfang von 60 Millionen hat die Regierung schon in Eigenregie umgesetzt. Und «Finanzen 19» steht momentan noch nicht zur Debatte. Es müssten diese 40 Millionen Franken über Steuern hereingeholt werden, falls das EP2 abstürzt. Deshalb: 20 Prozent rauf mit den Steuern? Stimmt nicht.

 

Dem Zuger Stimmvolk [wurde] vor der Abstimmung über den Stadttunnel von der Zuger Regierung gesagt, es sei kein Problem, den milliardenteuren Stadttunnel zu finanzieren. Wo sind diese Milliarden geblieben?

Susanne Köhler, Leserbriefschreiberin

Mit den grossen Kellen anrühren können nicht nur die Befürworter des Sparpakets – auch die Gegner schlagen zu. Wo ist die Milliarde geblieben, die man für den Stadttunnel noch auf der Kante hatte? So oder ähnlich geht das beliebte Argument. Nur: Es zieht nicht. Die Regierung hat nie behauptet, sie würde die 890 Millionen Franken eigenhändig bezahlen, mit denen sich der Tunnel in die Bücher gefressen hätte.

Der Kanton hätte sich direkt mit 235 Millionen Franken beteiligt. Den Rest hätte die Spezialfinanzierung Strassenbau (255 Millionen), die Stadt Zug (100 Millionen) und eine – Achtung – Erhöhung der Motorfahrzeugsteuern um sage und schreibe 25 Prozent decken sollen (300 Millionen). Stimmt’s also, dass der Kanton der Bevölkerung bei der Stadttunneldebatte ein falsches Bild der Finanzlage vermittelte? Nein. Die 235 Millionen sind noch da. Auch wenn sie, wie in Punkt 3 erwähnt, offenbar schmelzen wie Schnee an der Sonne.

Möglicherweise wären sie im Stadttunnel weniger volatil gelagert gewesen. Felsenfest zementiert, sozusagen. Schmelzsicher verbuddelt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zeit für neue checkbare Fakten! Hart umstritten sind auch die Kürzungen in der Bildung. Dazu ein Beispiel:

«Wegen eines Kindes mehr in der Kantonsschulklasse sinkt das Bildungsniveau nicht.»

Kantonsrat Pirmin Frei (CVP)

Da hätten wir endlich was, bei dem sich wissenschaftlich argumentieren lässt. Bei der Bildung wird gespart, und zwar unter anderem wie folgt: Die durchschnittliche Klassengrösse am Gymnasium wird in Zukunft 19 Schüler betragen. Das ist tendenziell ein Schüler pro Klasse mehr als zuvor.

Der Einfluss von Klassengrössen auf den Lernerfolg ist in der Forschung immer wieder debattiert worden. Grosse Wellen schlug zuletzt die gross angelegte Studie des Neuseeländer Forschers John Hattie (2009), der unter einer ganzen Reihe von Befunden zum Schluss kommt, dass zwischen Klassengrösse und Lernleistung ein marginaler Zusammenhang besteht. An der Studie gibt es naturgemäss viel Kritik: Der Erziehungsexperte Remo Largo, dessen Bücher bei praktisch jeder frischgebackenen Schweizer Familie auf dem Nachttisch liegen, schreibt etwa: «Manche Faktoren, wie etwa die Klassengrösse, wiesen eine zu geringe Streuung auf (zum Beispiel bestanden die meisten Klassen aus 15 bis 25 Kindern), um statistisch relevante Unterschiede hervorzubringen. Ein solcher Befund schliesst daher nicht aus, dass sich eine erhebliche Abweichung der Klassengrösse (z.B. mehr als 25 Kinder in einer Klasse) negativ auf den Lernerfolg auswirken kann.»

Nun ja. Was lernen wir daraus? Frei hat offenbar Recht, wenn er sagt, dass es auf ein Kind mehr pro Kantonsschulklasse nicht ankommt – zumindest was die Lernleistung betrifft. Wir sagen angesichts der – zugegebenermassen unverschämt verkürzt dargestellten – wissenschaftlichen Debatte: stimmt.

 

 

Und zum Schuss die direkte Konfrontation:

Die Gegner handeln egoistisch.

Der Vorwurf wurde schon laut, bevor sich überhaupt der erste Widerstand gebildet hatte: Gegen das Entlastungsprogramm kann man nur sein, weil man direkt davon betroffen ist. Und der weitere Gärungsprozess dieser Vorlage bestätigte die Befürchtung: Es meldeten sich, natürlich, tatsächlich diejenigen Verbände und Gruppierungen zu Wort, deren Mitglieder vom Entlastungsprogramm betroffen wären.

Die «Allianz für ein lebenswertes Zug» ist eine Gruppierung von völlig unterschiedlichen Organisationen, die sich für ihre jeweilige Klientel oder Wählerschaft stark machen: Berufsverbände von Lehrern über Polizei bis Pfleger, linke Parteien und NGOs wie Pro Infirmis oder Insieme Cerebral (siehe Box). Sie alle vertreten legitime Eigeninteressen. Das Einende all dieser Interessen? Gemeinsam ist der Kampf gegen die Vorlage – ob die Allianz einen Konsens über eine eigene Sparvision finden könnte, sei dahingestellt. Klarer Fall: Der Vorwurf stimmt.

Nur: Das ist auf der anderen Seite nicht anders. Deshalb kommt blitzschnell der Gegenvorwurf.

Die Befürworter handeln egoistisch.

«Es fällt auf, dass es vor allem gut bis sehr gut Gestellte sind, welche ‹Wünschbares vom Nötigen› trennen wollen, vor dem Finanzkollaps warnen und die angebliche Opfersymmetrie im Sparpaket loben. Kein Wunder – denn sie werden ja weitgehend verschont. Und sie waren die Hauptprofiteure der Steuersenkungen.» Das schreibt alt Kantonsrat Martin Stuber (ALG). Fakt ist: Das Komitee «Zugkunft» ist ebenfalls ein Verbund von Gruppierungen, die ebenfalls legitime eigene Interessen haben und sich für ihre Klientel stark machen: Bürgerliche Parteien, Gewerbeverband, Wirtschaftskammer, Hauseigentümerverband. Das einende Partikularinteresse dieser Gruppierung? Weiterhin tiefe Steuern für Unternehmer, Gewerbler, Hauseigentümer.

Klarer Fall: stimmt auch.

 

Wie soll man nun abstimmen, wenn der Abstimmungskampf von lauter Gruppierungen mit Partikularinteressen beherrscht wird – auf Befürworter und auf Gegnerseite? Die etwas enttäuschende Antwort muss wohl lauten: So etwas wie objektives «Allgemeinwohl» gibt’s offenbar nicht.

Diese Abstimmung fordert von den Stimmbürgern ein mühseliges Auseinanderzerren von Abwägungen. In jedem einzelnen Fall muss vom Stimmbürger entschieden werden, ob das öffentliche Interesse am Sparziel oder das private Interesse der Betroffenen überwiegt. Nur dass dann nicht über die einzelnen Dinge abgestimmt werden kann – sondern nur eine Beurteilung darüber abgegeben werden darf, ob das Ganze in sich stimmig ist. Und das ist eine fast unmögliche Aufgabe. Deshalb zuallerletzt diese Behauptung:

Wir stimmen in einem Aufwasch über rund 30 Gesetzes- und Kantonsratsbeschluss-Änderungen ab – da fühle ich mich krass überfordert.

Hermann Kiener, Leserbriefschreiber

Und das völlig zu Recht.

 

 

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7 Kommentare
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    Beat Unternaehrer, 20.11.2016, 19:51 Uhr

    Sehr geehrter Herr Roth, ich habe das ganze Wochende auf Ihren Anruf gewartet, sodass ich Ihnen die Mechanik des NFA hätte erklären können. Mein Engagement rührt daher, dass ich eine sehr tiefe Abneigung gegenüber der Verbreitung falscher Informationen habe. Beste Grüsse Beat Unternährer

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  • Profilfoto von Beat Unternaehrer
    Beat Unternaehrer, 18.11.2016, 22:30 Uhr

    Sehr geehrter Herr Roth
    Sie verstehen offenbar die NFA Mechanik nicht. Für die Höhe des NFA ist ausschliesslich das Ressourcenpotenzial und nicht die Höhe der effektiven Steuereinnahmen verantwortlich. Auf der Homepage des Bundes können sie die Grundlagen zur Berechnung des NFA runterladen – falls Sie die Zeit für eine seriöse Recherche aufbringen möchten. — Man kann den Konstrukteuren des NFA vielleicht den Vorwurf machen, das dieser sehr kompliziert ist.. Intelligenterweise hätte man damals auch eine Obergrenze definieren sollen. Kontaktieren Sie mich, falls Sie den NFA erklärt haben wollen. Beste Grüsse Beat Unternährer

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  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 18.11.2016, 17:47 Uhr

    Herr Unternährer, wenn Ihr Argumentarium stimmen würde, müsste der Kanton Zug im nächsten Jahr zum NFA-Empfängerkanton mutieren. Tatsächlich muss er 2017 über 341 Mio. in den NFA einzahlen. Warum wohl nur? Weil der Kanton Zug sich weigert, sein Steuerpotential auszuschöpfen (zuviele Steuergeschenke an Reiche und an die Wirtschaft). Eine bescheidene Erhöhung des Steuerfusses führt gleichzeitig zur Senkung der exorbitanten Beiträge an den NFA. Damit wäre das 130 Mio-Loch mit einfachsten Mitteln gefüllt. Und die Hühner, welche angeblich die (trompeten-) goldenen Eier im Kanton legen, würden schön im Stall bleiben, weil die genau wissen, dass die Hühnergrippe (Steuerharmonisierung) international im Vormarsch ist.

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  • Profilfoto von Beat Unternaehrer
    Beat Unternaehrer, 18.11.2016, 12:57 Uhr

    Sehr geehrter Herr Meyer
    Immerhin geben Sie nun zu, dass meine Aussage stimmt. Ich war auch mal für eine Zeitung tätig und halte viel von einem faktenorientierten Journalismus. Halten Sie es für seriös, eine richtige Aussage in einer Graphik (Balken) als «falsch» darzustellen? Zweifellos befasst sich Ihr Artikel mit dem Entlastungsprogramm. Wenn Sie meinen Leserbrief genau betrachten, werden Sie feststellen, dass ich mich eher einer Gesamtbetrachtung der Zuger Finanzen widme. Sie werden eruieren können, dass sich die Verluste des Kantons auch nach ersten Massnahmen in der von mir erwähnten Grössenordnung befinden. Ich sage nichts anderes, alsdass sich diese Verluste nicht durch Steuererhöhungen decken liessen, ohne die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Das Entlastungsprogramm 2015 bis 2018 bezeichne ich als ersten Schritt Richtung Verlustreduktion. Anm: Ich habe mich in meiner beruflichen Karriere oft als Spezialist bei der Sanierung von Unternehmen betätigt. Ich halte gar nichts von «Hau Ruck» Übungen. Ich finde es verantwortungsvoll, Verluste mit verschiedenen Massnahmen schrittweise zu verringern. Darum stehe ich für das Entlastungsprogramm ein. Beste Grüsse Beat Unternährer

    N.B: übrigens ist auch die Aussage, dass verminderte Abzüge in den Bereichen Eigen-, Frembetreuung, Pendlerabzüge Leute in höheren Progressionsstufen wesentlich treffen richtig. Exkurs: wenn ich betrachte, wieviel gute Steuerzahler netto zum Staatshaushalt beitragen, so brauchen diese Leute auch eine Lobby (sie sind ja extrem in der Minderzahl). Als Unternehmer weiss ich allzu gut, dass Erfolg hart erkämpft werden muss.

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    • Profilfoto von Falco Meyer
      Falco Meyer, 18.11.2016, 13:30 Uhr

      Sehr geehrter Herr Unternährer

      Danke der Nachfrage. Das halte ich aus den im Artikel aufgeführten Gründen tatsächlich für seriös.

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  • Profilfoto von Beat Unternaehrer
    Beat Unternaehrer, 18.11.2016, 11:59 Uhr

    Sehr geehrter Herr Meyer
    Sie bestätigen ja meine Aussage, dass für die Schliessung einer Lücke von CHF 130 Mio. die Steuern um rund 20% erhöht werden müsste (6% für CHF 40 Mio., wie Sie schreiben). Ich habe in meinem Leserbrief gesagt, dass das Entlastungsprogramm ein erster Schritt Richtung Verlustreduktion ist. Mehr nicht. Der Kanton Zug budgetiert weiterhin grosse Verluste, auch wenn erste Massnahmen zu greifen beginnen. Die Verluste bewegen sich in der Grössenordnung von CHF 130 Mio. Ihre Aussage verdreht meine Aussagen im Leserbrief in der Neuen Zuger Zeitung. Ich hänge diesen hier gleich an:

    Wir haben in diesem Monat bekanntlich über das Entlastungsprogramm 2015 bis 2018 abzustimmen. Dieses soll die Staatsrechnung des Kantons Zug um Schweizer Franken 40 Millionen entlasten.
    Ich rufe in Erinnerung, dass der Kanton Zug gegenwärtig mit einem Jahresverlust von rund Schweizer Franken 130 Millionen konfrontiert ist. Der Kanton Zug hat heute den grössten Pro Kopf Verlust aller Kantone in der Schweiz.
    Die direkten Steuereinnahmen des Kantons Zug betrugen im Jahr 2015 Schweizer Franken 632 Millionen. Um einen Verlust von Schweizer Franken 130 Millionen zu beseitigen, bräuchten wir theoretisch eine Steuererhöhung von mehr als 20%. Das ist selbstverständlich nicht realisierbar, da wir unsere steuerliche Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden und mit Abwanderungen konfrontiert wären. Die „ceteris paribus“ Betrachtung ist also obsolet.
    Wäre der Kanton Zug ein Unternehmen, würden die Sozialpartner zusammensitzen um eine raschestmögliche Sanierung einzuleiten und so den guten Kern zu erhalten. Verantwortungsvolle Akteure sind sich bei solchen Sanierungsübungen jeweils bewusst, dass nur ein gesundes Unternehmen nachhaltig sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten kann. Jede zeitliche Verzögerung wäre mit dem Verlust von wertvoller Substanz verbunden.
    Im Kanton Zug konnten wir dank guter Steuerzahler staatliche Leistungen aufbauen, die weit überdurchschnittlich sind. Zudem hat der Kanton seit 2011 rund 200 zusätzliche kantonale Stellen geschaffen. Dieses Stellenwachstum übersteigt das Wirtschaftswachstum. Der Ernst der Lage wird von den Gegnern des Entlastungsprogrammes offenbar nicht erkannt. Ich stimme dem ausgewogenen Entlastungspaket zu, weil wir nun einen massgeblichen Schritt in Richtung Verlustreduktion tun müssen. Gelingt dies, sollte die verbleibende Lücke mittels einer fairen Diskussion zwischen den Anspruchsgruppen gelöst werden können. Ansonsten werden wir wohl zu einer einschneidenden Restrukturierung gezwungen werden.

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    • Profilfoto von Falco Meyer
      Falco Meyer, 18.11.2016, 12:17 Uhr

      Sehr geehrter Herr Unternährer

      Besten Dank für Ihren Beitrag. Sie haben insofern recht, als Ihre Aussage in sich stimmt. Nur sind diese 130 Millionen Franken nicht Teil dieser Diskussion – Ihr Argument suggeriert, dass man, falls das EP 2 abgelehnt würde, die Steuern um 20 Prozent erhöhen müsste. Das ist nicht der Fall. Der Steuerfuss müsste um 6 Prozent erhöht werden. Deshalb das Urteil: Stimmt nicht. Sie haben aber Recht damit – und deshalb stelle ich das hier klar – dass Ihre Berechnung an sich stimmen würde, wenn es tatsächlich darum ginge, 130 Millionen Franken mit einer Steuererhöhung zu generieren.

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