Schon wieder: Millionensegen für die Stadt Luzern

Stadt verrechnet sich um 22 Millionen – und warnt trotzdem

Schöne Aussichten für die Stadt Luzern: Mit den Finanzen geht es aufwärts.

(Bild: Schweizer Luftwaffe)

Jetzt ist es schon wieder passiert. Die Stadt erzielt dieses Jahr viel mehr Gewinn als budgetiert. An die 22 Millionen Franken. Und auch für die nächsten Jahre sieht es rosig aus. Dennoch will sich der Stadtrat nicht, wie von der Luzerner Regierung verlangt, an den Sparmassnahmen beteiligen. Zu Recht?

Mit Luzern gehts finanziell gesehen aufwärts. Nach teils sehr schwierigen Jahren ist nun seit 2014 wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Dank einer Steuererhöhung per 2012 sowie diverser hart umkämpfter Sparpakete rechnet der Stadtrat nun auch für 2017 mit einem Überschuss. Diesmal in der Höhe von 7,7 Millionen Franken, wie dem diesen Donnerstag präsentierten Budet 2017 zu entnehmen ist. Das wäre der dritte Überschuss in Folge.

Neo-Stadtpräsident Beat Züsli (SP) schreibt im Vorwort zum Budget: «Auch wenn die Zahlen eine blosse Momentaufnahme zulassen, ist der Stadtrat doch sehr zufrieden, dass er für das Jahr 2017 einen derartigen Ertragsüberschuss vorsehen kann.» Jedoch sei dieses Ergebnis nur ein «dünnes Polster», um Unvorhergesehenes aufzufangen.

Budgetiert der Stadtrat viel zu defensiv?

Für mehr Aufregung sorgen dürfte aber eine andere Zahl, auch wenn diese sehr positiv ist. Gemäss Finanzvorsteher Roland Brunner wird die Stadt dieses Jahr um satte 22 Millionen Franken besser abschliessen als budgetiert. Gründe: Fast 17 Millionen Franken höhere Steuererträge, davon knapp 8 Millionen aus Erbschaftssteuern.

«Wir stecken das Geld lieber ins Sparsäuli.»

Stadtrat Martin Merki

Schon die letzte Rechnung schloss um 18 Millionen höher ab als budgetiert. Und das sind keine Einzelfälle: Seit 2002 hat die Rechnung der Stadt um durchschnittlich 7,3 Millionen Franken besser abgeschnitten als erwartet. Seit 2011 hat sich dieser Wert gar auf 10,5 Millionen erhöht. Das bringt seit Jahren die Linke auf die Palme. Diese moniert, es werde viel zu defensiv und ständig auf Vorrat gespart und dass einige der vielen abgebauten Leistungen der letzten Jahre vermeidbar gewesen wären (hier gehts zum Artikel).

Präsentierten diesen Donnerstag vor den Medien das Budget 2017: Finanzverwalter Roland Brunner (rechts) und Finanzdirektor ad interim Martin Merki. Links aussen Kommunikationschef Niklaus Zeier (Bild: lwo).

Präsentierten diesen Donnerstag vor den Medien das Budget 2017: Finanzverwalter Roland Brunner (rechts) und Finanzdirektor ad interim Martin Merki. Links aussen Kommunikationschef Niklaus Zeier (Bild: lwo).

Doch wie alt Stadtrat und Finanzdirektor Stefan Roth argumentierte an der Medienmitteilung diesen Donnerstagmorgen auch Finanzdirektor ad interim, Martin Merki: «Der diesjährige höhere Überschuss kommt hauptsächlich wegen nicht vorhersehbaren Einnahmen wie der Erbschaftssteuer zustande.» Die Stadt stehe im Vergleich zu anderen Gemeinden gut da, was die Budgetgenauigkeit betreffe. SP und Grüne dürfte das kaum zufriedenstellen. Zumal Merki auf die Frage, ob die Stadt nun einige der abgebauten Leistungen wieder rückgängig machen könnte, sagt: «Wir stecken das Geld lieber ins Sparsäuli. Denn ab 2021 zeichnen sich bereits wieder Defizite ab.»

Aufwand steigt um 2 Millionen Franken

Zurück zum Budget 2017. Demnach rechnet die Stadt fürs nächste Jahr mit Ausgaben von 614 Millionen Franken und Einnahmen von 622 Millionen. Gegenüber dem Budget 2016 würden die Ausgaben damit um gut 2 Millionen Franken steigen. Das sei akzeptabel, so Finanzverwalter Brunner, weil damit die Ausgaben nicht stärker steigen würden als das Bruttoinlandprodukt (BIP). An diesem Wert muss sich die Stadt messen. Für die Jahre 2018 bis 2021 steigen die Ausgaben allerdings um jährlich 2,4 Prozent. Das übersteigt das erwartete BIP-Wachstum von 2 Prozent. «Hier besteht Handlungsbedarf. Wir müssen schauen, wie wir die Ausgaben reduzieren können», sagt Brunner. Konkret heisst das: Sparen. Wie und wo, wisse man noch nicht.

Gesamtübersicht über das Budget 2017 der Stadt Luzern.

Gesamtübersicht über das Budget 2017 der Stadt Luzern.

Stadt will zehn Millionen mehr investieren

Total beabsichtigt die Stadt nächstes Jahr fast 51 Millionen Franken zu investieren. Die wichtigsten Projekte sind der Neubau des Schulhauses Staffeln für insgesamt 50 Millionen Franken, die Teilsanierung des Schulhauses St. Karli (1,5 Millionen) und Verbesserungsmassnahmen an der Kreuzstutz-/Spitalstrasse (2,4 Millionen). In den nächsten Jahren steigen die Investitionen bis 2020 gar auf rekordverdächtige 75 Millionen Franken. Dies vor allem wegen den Sanierungen der beiden Schulhäuser Staffeln (diese zieht sich über mehrere Jahre hin) und Grenzhof (für 20 Millionen), aber auch wegen der Erweiterung der Cheerstrasse in Littau für 11 Millionen. Um diese Projekte ausführen zu können, erhöht die Stadt die Investitions-Obergrenze um 10 Millionen. Dadurch kann sie von 2019 bis 2021 netto jährlich 45 Millionen aufwerfen.

Private sorgen für Aufschwung

Spannend an Budgets und Rechnungen sind jeweils die Entwicklungen der Steuererträge. Der Kanton Luzern fährt mit seiner Tiefsteuerstrategie bekanntlich einen risikoreichen Kurs, dessen Ausgang ungewiss ist. Alt Stadtrat und Finanzdirektor Stefan Roth (CVP) hat sich mehrmals beklagt, dass die Stadt von den tiefsten Unternehmenssteuern nicht profitieren könne – sondern im Gegenteil darunter leide. Die Steuerausfälle der Firmen seien viel höher als die Einnahmen durch zugezogene Unternehmen.

«Die Anzahl Arbeitsplätze in der Stadt ist in den letzten acht Jahren um rund 8000 angestiegen, also jährlich um etwa 1000.»

Martin Merki, Finanzdirektor ad interim

Nun – so schlimm wie von Roth geschildert, scheint es nicht um die Stadt zu stehen. Zwar rechnet diese auch fürs nächste Jahr nicht mit einem markanten Zuwachs an Steuergeldern von Firmen. 40,4 Millionen Franken hat sie dafür budgetiert. Das sind kaum mehr als 2016 mit 39,2 Millionen (gemäss Budget) oder 2015 mit 39,6 Millionen (gemäss Rechnung). Jedoch wird für die Folgejahre mit jährlich 3 Prozent höheren Einnahmen bei den Steuern gerechnet. Das ist mehr als bei den Privaten, wo die Stadt von 2,5 Prozent Wachstum ausgeht. Zudem betonte Martin Merki an der Medienkonferenz diesen Donnerstag gleich selber: «Die Anzahl Arbeitsplätze in der Stadt ist in den letzten acht Jahren um rund 8000 angestiegen, also jährlich um etwa 1000.» Damit würden in der Stadt etwa gleich viele Leute wohnen wie arbeiten – gut 80’000. Offenbar brummt der städtische Wirtschaftsmotor doch nicht so schlecht. Wobei Finanzverwalter Brunner relativiert: «Wir werden erst etwa 2019 oder 2020 wieder gleich hohe Einnahmen bei den Firmensteuern haben wie vor der Halbierung der Unternehmenssteuern auf 2012.»

Unbestritten ist jedoch, dass vor allem die Privatpersonen für das relevante Steuerwachstum verantwortlich sind. In Zahlen heisst das: 2015 überwiesen die Bürger 208 Millionen Franken Steuergelder an die Stadt. 2016 sollen es laut Budget 213 Millionen sein. Und 2017 bereits 219 Millionen. Die steigende Steuerkraft bei den Privaten hat laut Merki unter anderem mit der Zuwanderung von einkommensstarken Steuerzahlern zu tun.

Insgesamt hofft die Stadt nächstes Jahr 295 Millionen Franken an Steuern einzunehmen. Das wären fast 9 Millionen mehr als im Jahr zuvor.

 

Von den 614 Millionen Franken, welche die Stadt nächstes Jahr auszugeben gedenkt, fallen die Sozialhilfe und die Bildung am meisten ins Gewicht.

 

 

Sozialhilfe und Volksschule als grösste Abweichler

Interessant an Budgets und Rechnungen sind auch immer die grössten «Abweichler».

Negativ sticht hier (einmal mehr) die Wirtschaftliche Sozialhilfe ins Auge. Hier rechnet die Stadt gemäss Budget 2017 mit einem «überdurchschnittlichen Wachstum» von 2,7 Millionen Franken. Der Stadtrat begründet: «Insbesondere die Übernahme der Kosten für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene mit mehr als 10 Jahren Aufenthalt wirkt sich stark kostentreibend aus.»

Positiver als erwartet hat sich dafür der Ausgabenposten Volksschule entwickelt. Dort resultieren hauptsächlich aufgrund der Anpassung der Klassenplanung und der Massnahmen aus dem Projekt «Haushalt im Gleichgewicht» 3,5 Millionen Franken tiefere Kosten als im Vorjahresbudget.

Mehr Ausgaben fürs Personal

Ein Punkt in Budget/Rechnung, wo speziell die Bürgerlichen jeweils sehr genau hinschauen, ist der Personalbestand. Der Vorwurf einer angeblich «aufgeblähten Verwaltung», die noch abspecken könne, kommt normalerweise so zuverlässig wie das Amen in der Kirche.

Ein Blick auf die neusten Zahlen zeigt: Per Juni 2016 weist der bewilligte Stellenplan der Stadt 1005 Vollzeitstellen auf. Das entspricht 1517 Stadtangestellten. Das tönt nach viel, zumal es ein Jahr zuvor 982 Vollzeitstellen waren (1458 Personen) – also 23 Vollzeitstellen weniger. Zugelegt haben speziell die Bildungsdirektion (plus 4,5 Stellen) und die Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit (UVS, plus 22 Stellen).

Doch die Stadt hat dafür eine Erklärung. Das Wachstum in der Bildungsdirektion ist demnach auf die Überführung des Bibliothekverbandes Luzern in die Stadtbibliothek zurückzuführen. Beim UVS hängt das Wachstum laut Stadtrat vor allem mit dem Stellenaufbau in der Berufsfeuerwehr zusammen. Die Exekutive beruhigt: «Abgesehen davon sind im Vergleich zum letzten Budget keine aussergewöhnlichen Verschiebungen zu verzeichnen.»

So präsentiert sich der Personalbestand der Stadt Luzern per Mitte 2016. Gut 1500 Personen teilen sich 1005 Vollzeitstellen.

So präsentiert sich der Personalbestand der Stadt Luzern per Mitte 2016. Gut 1500 Personen teilen sich 1005 Vollzeitstellen.

Stadtrat freut sich – und warnt

Im Budget 2017 freut sich der Stadtrat über den Aufwärtstrend der Stadt: «Die städtische Finanzlage hat sich stabilisiert. Dank einer konsequenten Finanzpolitik verbunden mit umfassenden Aufgabenüberprüfungen und Entlastungsmassnahmen in den Jahren 2011 bis 2016 konnte der städtische Finanzhaushalt wieder in ein gesundes Gleichgewicht gebracht werden.»

Weniger Schulden, mehr Eigenkapital

Für Zahlenfans auch immer von Interesse sind folgende Angaben: Die Nettoverschuldung beträgt Ende 2017 voraussichtlich 159 Millionen Franken. Gegenüber 2016 sinkt sie damit um 8 Millionen. Die Verschuldung pro Einwohner beläuft sich gemäss Budget auf 1944 Franken. Das Eigenkapital vor Einlagen in Vorfinanzierungen wird Ende 2017 voraussichtlich 30 Millionen betragen. Das ist alles einigermassen erfreulich. Denn noch vor Kurzem war das Eigenkapital der Stadt aufgebraucht und hatte der Schuldenberg mit über 200 Millionen eine Rekordhöhe erreicht.

Jedoch tut auch der Luzerner Stadtrat dasselbe wie die Kollegen etwa in Kriens und Emmen: Er warnt vor dem Kanton. Das tönt dann so: «Verschiedene Massnahmen aus dem kantonalen Konsolidierungsprogramm 2017 (KP17) wirken sich auch auf den Voranschlag 2017 und die Finanzplanung der Stadt Luzern aus.» Hier rechnet die Stadt mit rund 6 Millionen Franken Mehrbelastungen fürs nächste Jahr sowie knapp 4 Millionen fürs 2018.

«Eine reine Kostenverlagerung vom Kanton an die Gemeinden ist nicht sinnvoll.»

Martin Merki, Luzerner FDP-Stadtrat

Zum Vergleich: In Emmen und Kriens, die nicht halb so gross sind wie die Stadt, rechnet man mit je etwa 2 Millionen Franken Mehrbelastung. Support erhalten diese Gemeinden vom Verband Luzerner Gemeinden, die Mehrbelastungen wegen des KP17 ebenfalls bekämpfen wollen, notfalls mit einem Referendum (hier gehts zum Artikel).

Stadtrat Martin Merki gibt nach der Medienorientierung zum Budget 2017 den Journalisten Auskunft (Bild: lwo)

Stadtrat Martin Merki gibt nach der Medienorientierung zum Budget 2017 den Journalisten Auskunft (Bild: lwo)

Martin Merki forderte zum Abschluss der Medienorientierung diesen Donnerstag erwartungsgemäss dasselbe wie die Gemeinden: «Das KP17 muss haushaltsneutral sein, Mehrbelastung und Entlastung müssen sich die Waage halten. Eine reine Kostenverlagerung vom Kanton an die Gemeinden ist nicht sinnvoll.» Konkret verlangt er, dass drei Massnahmen aus dem KP17 geändert werden: Der Kanton soll weiterhin zehn und nicht acht Jahre für Flüchtlinge aufkommen; der Kanton soll sich weiterhin an den Kosten von Gemeindestrassen beteiligen; der Kanton soll die Kosten der Ergänzungsleistungen an die AHV nicht zu 100 Prozent an die Gemeinden überwälzen. Merki mahnte: «Der Kanton konnte sich in den letzten Jahren entschulden, die Gemeinden nicht.»

Ob der Kantonsrat dem Anliegen der Gemeinden Gehör schenken wird, zeigt sich in der Session vom November und Dezember. Merki ist zuversichtlich: «30 der 120 Kantonsräte sind auch Gemeinderäte. Die Gemeinden geniessen zudem beim Volk grosses Vertrauen.» Würde der Kantonsrat auf das Anliegen der Gemeinden eingehen, müsste die Regierung allerdings an anderen Orten noch mehr sparen als bislang geplant. Die Debatte könnte sich folglich noch ordentlich in die Länge ziehen.

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