Rücktritt oder Bevormundung von Franz Keiser

Neuheimer Sozialvorsteher vor der Entmachtung

Der Neuheimer Sozialvorsteher Franz Keiser ist in Verruf geraten. Die lokale FDP und die SVP fordern seinen Rücktritt aus dem Gemeinderat. Sollen sie, entgegnet Keiser.

(Bild: wia)

Dem parteilosen Neuheimer Gemeinderat Franz Keiser wird vorgeworfen, in seinem Amt ein Chaos angerichtet zu haben. Der finanzielle Schaden geht in die Hunderttausenden, Parteien fordern seinen Rücktritt. Nach drei Jahren will der Gesamt-Gemeinderat nun endlich handeln. Warum Keiser dennoch weitermachen will.

Publik gemacht hatte die Vorwürfe ironischerweise Franz Keiser selber beim Besuch eines Journalisten auf seinem Bauernhof. «In grosser Gemütlichkeit schildert er, was man als seine eigene politische Bankrotterklärung betrachten kann», schrieb die «Zuger Zeitung» im Juni 2016 und titelte: «Jahrelang wurde Steuergeld verschleudert.»

Der Landwirt, der 2007 erstmals für die SVP in den Neuheimer Gemeinderat gewählt und seither zwei Mal bestätigt wurde, bezeichnete sich selbst öffentlich als «überfordert». 2013 überwarf er sich mit seiner Partei, trat aus und wurde 2014 als Parteiloser wiedergewählt. Mit dem zweitbesten Resultat im Gemeinderat.

Er verteilte Geld nach Gutdünken

Keiser wird in der Hauptsache vorgeworfen, Gelder nach Gutdünken an sozial Bedürftige ausbezahlt zu haben. «Das Leben funktioniert halt nicht immer nach Paragraphen und Verordnungen», sagte er. Man bezeichnete ihn deshalb auch schon als «gutherzigen Überzeugungstäter».

«Franz Keiser und seine Abteilung haben in den letzten elf Jahren gegen verschiedene Gesetze und SKOS-Richtlinien verstossen.»
Roger Bosshart, Gemeindepräsident von Neuheim

Das sieht der Neuheimer Gemeindepräsident weniger locker. «Er und seine Abteilung haben in den letzten elf Jahren gegen verschiedene Gesetze und SKOS-Richtlinien verstossen», sagt Roger Bosshart zu zentralplus. Den entstandenen Schaden für die Gemeinde beziffert der Gemeindepräsident auf rund 150’000 Franken.

Keiser wehrte sich schon einmal gegen Entmachtung

Einen gewählten Gemeinderat kann man nicht einfach entlassen oder entmachten. Diese Erfahrung machte die Exekutive von Neuheim im Frühjahr 2014. Damals entzog der Gemeinderat Franz Keiser die Leitung der Abteilung Gesundheit und Soziales. Dieser reichte Beschwerde beim Kanton Zug ein. «Während seiner Abwesenheit haben wir die Abteilung wieder auf Vordermann gebracht», so Gemeindepräsident Bosshart. Als Kaiser im Herbst 2014 dann als Parteiloser wiedergewählt wurde, habe man ihm die Abteilung wieder ordentlich übergeben. Er habe die Beschwerde beim Kanton darauf zurückgezogen.

Und worin besteht das angerichtete Chaos? Bosshart erklärt weiter, in den elf Jahren seit Keisers Amtsantritt habe die Leiterin oder der Leiter der Abteilung Gesundheit und Soziales fünf Mal gewechselt. Die aktuelle (fünfte) Leiterin Stephanie Scherrer war krankgeschrieben, kündigte per Ende September die Stelle und ist bereits weg. «Wir suchen nun zum sechsten Mal eine Abteilungsleitung», so Bosshart. Momentan werde die Abteilung mit Unterstützung der Gemeinde Baar begleitet.

Vor drei Jahren kamen Unregelmässigkeiten ans Licht

Der Gemeinderat habe 2013 erstmals durch den Gemeindeschreiber erfahren, dass «etwas nicht richtig läuft» in der Abteilung. Die konkreten Unregelmässigkeiten kamen jedoch erst im Frühjahr 2014 ans Licht. Der Gemeindepräsident: «Die letzte Abteilungsleiterin wies uns darauf hin, dass nicht überall sauber gearbeitet wurde. Seither sind wir am Aufarbeiten der Vorfälle.» Dies mündete schliesslich in einen «Aufarbeitungsbericht».

FDP und SVP wollen Keisers Rücktritt

Diesen Bericht haben die Vorstände der FDP und der SVP Neuheim studiert und diskutiert. In einem Brief an den Gemeinderat, der zentralplus vorliegt, schreiben sie, der Bericht zeige klar, dass in der Abteilung Soziales und Gesundheit über einen längeren Zeitraum gegen materielles Recht auf Gesetzesebene sowie gegen Verordnungen, die SKOS-Richtlinien und gegen Verwaltungsrichtlinien verstossen wurde.

«Es hat sich gezeigt, dass er seiner Verantwortung aus fachlicher, personeller und strategischer Sicht nur ungenügend nachkommen konnte.»
Der SVP- und der FDP-Präsident von Neuheim

Die Verantwortung trage Franz Keiser als Dikasteriumsvorsteher. «Trotz seines bereits elfjährigen Engagements als Gemeinderat hat sich gezeigt, dass er seiner Verantwortung aus fachlicher, personeller und strategischer Sicht nur ungenügend nachkommen konnte», schreiben die Parteipräsidenten Thomas Fuchs (FDP) und Andreas M. Bächtold (SVP). Sie entzögen ihm deshalb das Vertrauen und legten ihm nahe, freiwillig zurückzutreten.

Falls er nicht geht, Verfahren einleiten

Ein diskretes Gespräch unter sechs Augen habe Keiser abgelehnt. Deshalb erheben die beiden bürgerlichen Parteipräsidenten Forderungen an den Gesamtgemeinderat. Sie fordern, dass die Exekutive Neuheims darüber befindet, ob sie Franz Keiser weiterhin ein Dikasterium anvertrauen möchte. Andernfalls solle sie ihm seinen Rücktritt nahelegen, heisst es im Brief. Weiter verlangen Fuchs und Bächtold, dass, falls der Rücktritt ausbleibe, der Gemeinderat ein Verfahren einleite, um Keiser baldmöglichst die Verantwortung über die Abteilung Gesundheit und Soziales zu entziehen. Die Entscheidungen seien den Bürgern von Neuheim zu kommunizieren, ebenso die Rücktrittsforderungen der Parteien.

«Es ist ja nicht verboten, solche Forderungen zu äussern. Doch fühle ich mich nicht angesprochen. Ich bin parteilos und deshalb niemandem verpflichtet.»

Franz Keiser, Neuheimer Sozialvorsteher

Die Forderungen der beiden Parteien sind Keiser egal. Gegenüber zentralplus kommentiert er: «Es ist ja nicht verboten, solche Forderungen zu äussern. Doch fühle ich mich nicht angesprochen. Ich bin parteilos und deshalb niemandem verpflichtet. Den Rückhalt aus der Bevölkerung habe ich.» Mit den Vorwürfen, welche FDP und SVP erheben, habe er jedoch Mühe. «Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und alles aufgearbeitet. Ich bin ja von mir aus an die Öffentlichkeit getreten, um darüber zu informieren, was war. Wenn ich das nicht getan hätte, stünden diese Forderungen gar nicht erst im Raum.»

«Probleme löst man nicht, indem man davonläuft und dann Jubel, Trubel, Heiterkeit herrscht.»

Franz Keiser, Neuheimer Sozialvorsteher

Auch wenn Keiser weiss, dass für ihn ein Rücktritt die wohl einfachste Lösung wäre, ist er überzeugt: «Probleme löst man nicht, indem man davonläuft und dann Jubel, Trubel, Heiterkeit herrscht. Sondern, indem man noch einen Anlauf nimmt und die Probleme zu lösen versucht.»

Doch wie sieht das der Gemeinderat? Dieser schreibt in seiner Antwort auf den Brief der beiden Parteipräsidenten, er könne sich vorstellen, weiterhin mit Franz Keiser als Vorsteher der Abteilung Soziales und Gesundheit zusammenzuarbeiten. Dies jedoch nur, wenn gewisse Bedingungen erfüllt werden.

Gemeinderat stellt Keiser Bedingungen

So etwa seien alle Zahlungen, die seit Anfang September getätigt worden seien, «von einer fachlich qualifizierten Person zu überprüfen». Die Resultate seien der Exekutive an jeder Sitzung schriftlich zu präsentieren. Mit dem Sozialdienst Baar solle die Zusammenarbeit gesucht werden, Keiser werde beauftragt, eine Anfrage zu tätigen, ob dieser Kapazitäten zur Verfügung stellen kann. «Ab sofort werden nur noch Zahlungen vorgenommen, welche von einem Fachmann aus Baar oder Hünenberg kontrolliert wurden», heisst es weiter im Brief. Die wirtschaftliche Sozialhilfe werde ebenfalls von Fachleuten der Gemeinde auf ihre gesetzliche Basis geprüft.

«Von Franz Keiser wird erwartet, dass er fair, offen und transparent kommuniziert.»
Der Neuheimer Gemeinderat

Die Betreuung der Sozialklienten soll eine temporär einzusetzende Mitarbeiterin übernehmen, welche dafür eng mit dem Sozialdienst Baar zusammenarbeiten soll. Der Gemeindeschreiber Christof Wicky solle die Abteilung ebenfalls begleiten. Der Gemeinderat erwarte von Franz Keiser wie auch von Christof Wicky alle 14 Tage ein schriftliches Feedback über den Stand der Abteilung. «Von Franz Keiser wird erwartet, dass er fair, offen und transparent kommuniziert», so die Position des Gemeinderats. Unterschrieben ist der Brief von Gemeindepräsident Roger Bosshart und von Gemeindeschreiber Christof Wicky.

Zu den Rücktrittsforderungen der FDP und der SVP schreibt der Gemeinderat, dass er die Frage nach einer praktischen Entlassung Keisers juristisch abgeklärt und erfahren habe, dass ihm rechtlich die Hände gebunden seien. Laut Gemeindegesetz verfüge er nicht über die Kompetenz, «das Dikasterium eines Ratsmitglieds zu beschneiden».

Nur der Regierungsrat ist mächtig genug

Nur der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde könne die Suspendierung von Gemeindeorganen im Amt anordnen. Dies, wenn die Aufsichtsbehörde einen Missstand in der Gemeindeverwaltung feststelle. Die Neuheimer Exekutive macht aber auch klar, dass sie von einer solchen Suspendierung nichts hält.

«Die jüngeren Entwicklungen in der Gemeinde Neuheim geben sicher dazu Anlass, die Situation in der Gemeinde Neuheim nochmals zu überprüfen.»

Franziska Bitzi Staub, Generalsekretärin der Direktion des Innern

Die Direktion des Innern hat die Aufsicht bezüglich der Vorfälle in Neuheim. Die Generalsekretärin Franziska Bitzi Staub äussert sich auf Anfrage von zentralplus: «Die jüngeren Entwicklungen in der Gemeinde Neuheim – namentlich die Kündigung der Leiterin der Abteilung Soziales und Gesundheit wie auch des Gemeindeschreibers – geben sicher dazu Anlass, die Situation in der Gemeinde Neuheim nochmals zu überprüfen. Die Direktion des Innern wird die notwendigen Schritte an die Hand nehmen und – falls erforderlich – beim Regierungsrat die Ergreifung aufsichtsrechtlicher Massnahmen beantragen.»

Ob Keiser seinen Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, heute bereut? «Nein, überhaupt nicht. Vorher, als alles unter dem Deckel war, war ich erpressbar. Das war für mich schlimm. Da ist es mir lieber, dass die Wahrheit rauskommt, dass ich dazu stehen kann und daraus lerne.»

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