Zuger Spardebatte: Kommt das Paket vors Volk?

Sparpaket kommt durch – schon bildet sich Widerstand

Kommt kurz in Bedrängnis: Finanzdirektor Heinz Tännler.

(Bild: Archiv)

Nun ist das Sparpaket fertig geschnürt: Rund 40 Millionen Franken will der Zuger Kantonsrat bis im Jahr 2018 sparen – zusätzlich zu 60 Millionen Franken, die die Regierung schon als Sparpotential ausgemacht hat. Einige Punkte waren hart umstritten.

Es geht hoch her im Zuger Kantonsrat – drei Tage lang hatte der Rat schon mit sich gerungen, bei der ersten Lesung zum Entlastungspaket. Nun bietet sich in der zweiten Lesung die Gelegenheit, die umstrittensten Entschlüsse noch einmal zu debattieren. Denn es wurde eine ganze Reihe von Anträgen gestellt. Und seit Donnerstag Mittag ist klar: Der Rat stimmt dem Entlastungspaket mit 48 zu 23 Stimmen zu. Die Linke, SP und ALG, stimmt geschlossen dagegen, einzelne SVP-Kantonsräte stellen sich ebenfalls gegen das Paket.

Allerdings ist auch schon klar: Gegen den Beschluss bildet sich eine breite Front des Widerstands. Schon während der Debatte verschickte die neu gegründete «Allianz für ein lebenswertes Zug» ihren Flyer für das Referendum. Die Gruppierung besteht nicht nur aus SP, ALG, CSP, Piratenpartei, JUSO und Junger Alternative, sondern umfasst das Who is who der Zuger Verbände: den Staatspersonalverband, die Unia, den Lehrer- und Lehrerinnenverband, Pro Infirmis, den Verband der Zuger Polizei, den Verband schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, den VPOD Zug, den Gewerkschaftsverband des Kantons Zug und einige mehr.

Die Allianz will am Donnerstagabend die Öffentlichkeit informieren und die Unterschriftensammlung angehen. Sie schreibt: «Die Allianz für ein lebenswertes Zug, schon heute bestehend aus über 20 Organisationen, ist bereit, das Referendum gegen das Belastungsprogramm wenn notwendig auf der Strasse zu sammeln.»

Muss das noch vors Volk?

Nach dem Beschluss stellt ALG-Kantonsrat Andreas Lustenberger für die Linke den Antrag zum Behördenreferendum – das Volk solle über dieses Entlastungspaket abstimmen dürfen, fordert Lustenberger. «Geben Sie der Bevölkerung diese Möglichkeit.» Da macht sich Nervosität breit im Rat und die Angst, den hart umkämpften Beschluss vor dem Volk zu verlieren – dementsprechend emotional sind die Voten: «Ich will nicht schuld sein, wenn das Volk Nein sagt, und wir damit auf hohe Steuererhöhungen zusteuern», sagt Jürg Messmer (SVP), und formuliert ein ungewohntes Demokratieverständnis: «Ich fordere deshalb Namensaufruf, damit die Bevölkerung weiss, wer dafür verantwortlich ist, wenn das Paket bei der Abstimmung bachab geht.»

GLP-Kantonsrat Daniel Stadlin sagt: «Das Behördenreferendum wird missbraucht für Partikularinteressen. Es sollte den Gegnern wenigstens wert sein, 1500 Unterschriften zu sammeln.» Die CVP stellt sich gegen das Behördenreferendum, ebenso die FDP. Peter Letter (FDP) sagt: «Wenn man das Referendum wirklich will, sollte das per Unterschriftensammlung möglich sein. Wer für das Behördenreferendum stimmt, ist für Steuererhöhungen.»

«Ich staune über das Politikverständnis in diesem Rat.»

Barbara Gysel, SP

SP-Kantonsrätin Barbara Gysel widerspricht: «Die Kurzformel ‹Behördenreferendum gleich Steuererhöhung› stimmt auf keinen Fall. Ich staune über das Politikverständnis in diesem Rat.» Dank einem Behördenreferendum könne der Beschluss, den man hier gefällt habe, vom Volk bestätigt oder verworfen werden, so Gysel. Heini Schmid (CVP) klärt: «Die Frage des Behördenreferendums ist nur: Wollen wir ausnahmsweise dem Volk die Möglichkeit geben, einen Entschluss des Rats neu zu entscheiden.» In der Debatte habe er kein Argument gefunden, warum der Rat dem Volk von sich aus diesen Entschluss unterbreiten solle.

Der Rat folgt ihm – keine Chance fürs Behördenreferendum. Die Gegner müssen also Unterschriften sammeln – was angesichts der Sommerferien schwierig werden dürfte. 60 Tage haben sie dafür Zeit. Lustenberger gibt sich optimistisch: «Das schaffen wir schon. Es sind so viele Verbände mit dabei.»

 

Die Debatte

Der Entschluss steht fest, aber der Rat hat es sich nicht leicht gemacht. Gerade die umstrittensten Beschlüsse aus der ersten Lesung standen auch jetzt wieder zur Debatte. Die CVP blieb als Hauptakteur dafür verantwortlich, dass kein einziger der Anträge durchkam – es bleibt also bei den Beschlüssen aus der ersten Lesung.

Trotzdem geben die Anträge zu reden, und es kommt sogar zu einem hitzigen Schlagabtausch zwischen SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler und seiner Partei. Aber dazu später. Die SP, ALG und Monika Barmet (CVP) stellen den Antrag, auf den Entschluss zu den Bezügern von Ergänzungsleistungen zurückzukommen. Es geht um ein Sparpotential von 1,8 Millionen Franken, die die Bezüger weniger erhalten sollen. Dabei soll der Beitrag an ihre persönlichen Auslagen gekürzt werden.

«Es muss auch im Kanton Zug möglich sein, ein würdiges Leben zu führen.»

Esther Haas, ALG

«Der Kanton will hier auf dem Buckel der Schwächsten sparen», sagt Hubert Schuler von der SP, «bei denen, die den Gürtel sowieso schon sehr eng schnallen müssen. Wollen Sie das wirklich?» Esther Haas (ALG) sagt: «Die Ergänzungsleistungen sind wichtig. Es muss auch im Kanton Zug möglich sein, ein würdiges Leben zu führen.» Monika Barmet (CVP) appelliert ans Gewissen der Räte: «Ich kann zu so einem Beschluss einfach nicht stehen. Die Botschaft, die der Kanton Zug damit aussenden würde, wäre fatal: Wir sparen hier bei den Ärmsten.»

Der Regierungsrat sieht das ganz anders und stellt seinerseits den Antrag, bei diesen Beiträgen noch mehr zu sparen. «Der Kanton zählte bis anhin zu den Grösszügigsten in der Schweiz», sagt Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel, «und Sie können zwar sagen, dass wir mit dieser Senkung zu weit gehen. Aber wir müssen ausloten, was politisch möglich ist, sonst heisst es später bei einer möglichen Steuererhöhung, wir hätten nicht das ganze Potential ausgelotet.» Beide Anträge werden abgelehnt, derjenige der ALG, SP und von Monika Barmet allerdings ganz knapp: Mit 36 zu 32 Stimmen schickt der Rat das Anliegen bachab.

Rettet unser 1.-Klass-GA

Zu Reden gibt besonders der Pendlerabzug, denn er streift ein Thema, das dem Rat sichtlich Unbehagen bereitet: Steuererhöhung. In der ersten Lesung hatte der Rat beschlossen, den Pendlerabzug auf 6000 Franken zu beschränken. Die SVP versucht nun in der zweiten Lesung, diese Beschränkung wieder rückgängig zu machen. «Es ist eine kalte Steuererhöhung», stellt Manuel Brandenberg wiederholt klar.

«Es macht keinen Sinn, ein Gesetz an ein System wie das GA zu koppeln, von dem niemand weiss, wie lange es noch existieren wird.»

Cornelia Stocker, FDP

Philippe Camenisch (FDP) fordert, den Maximalbetrag ans Erst-Klass-GA zu koppeln, was allerdings nicht auf Zustimmung stösst: «Es soll weiterhin möglich sein, Mobilitätskosten unlimitiert von den Steuer abzuziehen, denn es sind Kosten, die für den Erwerb notwendig sind. Nur soll das auf den öffentlichen Verkehr beschränkt bleiben», sagt Camenisch. Das Erst-Klass-GA sei einer der Gründe, weshalb «die Leute überhaupt SBB fahren. Ich habe zum Beispiel einen Parkplatz in Zürich, ich würde nicht zur Rushhour 2. Klasse fahren.»

Das Gespenst der Steuererhöhung

Das Argument ist zwar provokativ, zieht aber nicht: Cornelia Stocker von der fürs Geschäft zuständigen Kommission sagt ganz sachlich: «Es macht keinen Sinn, ein Gesetz an ein externes System wie das GA zu koppeln, von dem niemand weiss, wie lange es noch existieren wird.»

So viel zum Vorgeplänkel. Die Anträge bleiben chancenlos, auch wenn Kantonsratspräsident Moritz Schmid zur Sicherheit gleich zwei Mal darüber abstimmen lässt, ob man vielleicht doch den Betrag auf 8000 Franken erhöhen will. Es bleibt bei 6000 Franken.

«Sie erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit einer Steuererhöhung.»

Heinz Tännler, Finanzdirektor

Aber dann schwenkt die Debatte auf den Elefanten im Raum, und ganz kurz wird’s ungemütlich für Finanzdirektor Heinz Tännler. Peter Letter von der FDP-Fraktion sagt: «Wir sehen zwar, dass es sich dabei um eine versteckte Steuererhöhung handelt, finden diese aber vertretbar.» Worauf Manuel Brandenberg (SVP) die FDP fast inständig bittet, «Ihre Haltung noch mal zu überdenken: Im Grundsatz sind wir doch derselben Meinung, nämlich, dass Steuererhöhungen nicht zur Debatte stehen.»

Finanzdirektor Heinz Tännler ergreift die Chance um eine unbequeme Richtung einzuschlagen: «Wir müssen einfach sehen: Wenn Sie hier gewisse Teile aus diesem Entlastungspaket herauszerren, dann müssen wir diese beim nächsten Paket Finanzen 19 wieder ausgleichen», sagt Tännler. «Sie erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit einer Steuererhöhung.»

Aufruhr bei der SVP: Hat er das wirklich gerade gesagt?

Und dann wirds kurz brenzlig – Manuel Brandenberg kontert: «Das Gespenst von der Steuererhöhung geht wieder um. Aber wer entscheidet denn, ob es eine Steuererhöhung gibt? Das sind wir in diesem Rat.» Sie müsse verhindert werden und sei auch nicht angebracht: «Ich vermisse ganz ausserordentlich den Willen der Regierung, staatliche Leistungen abzubauen.» Tännler ist wieder am Pult: «Es ist nicht ein Gespenst, sondern Realität. Es ist illusorisch zu glauben, dass wir einfach per se ohne Steuererhöhungen durchkommen werden.»

«Das klingt so als wäre das jetzt schon die ‹hidden› Agenda der Regierung: Dass eine Steuererhöhung sowieso nicht umgehbar ist.»

Philipp C. Brunner, SVP

Aufruhr bei der SVP: Hat er das wirklich gerade gesagt? Philipp C. Brunner: «Das klingt so als wäre das jetzt schon die ‹hidden› Agenda der Regierung: Dass eine Steuererhöhung sowieso nicht umgehbar ist. Dann ist ja diese Diskussion heute völlig sinnlos.»

Tännler hat sich offenbar etwas gar weit vorgewagt im Versuch, das Thema salonfähig zu machen. Er sagt: «Ich habe das im Zusammenhang mit der Möglichkeit gesagt, dass das Entlastungspaket abgelehnt wird. Aber ich muss in aller Deutlichkeit noch einmal sagen: Es wird nicht leicht sein, bei einer Manövriermasse von 650 Millionen Franken 100 Millionen nur durch Leistungsabbau einzusparen.»

Wo bleibt der Dorfpolizist?

Die umstrittene Reduktion der Polizeiposten liegt der SVP immer noch auf dem Magen. Allerdings appeliert Karl Nussbaumer vergeblich an den Rat, wenn er sagt: «Machen wir nicht dieselben Fehler wie unsere Nachbarkantone, die, wie etwa Zürich, Quartierposten neu wieder einführen, weil sie gemerkt haben, dass es besser ist.» Anastas Odermatt (ALG) plädierte dafür, die Polizei per Gesetz dazu zu verpflichten, für jede Gemeinde namentlich benannte «Dorfpolizisten» einzuführen, die zwar nicht vor Ort sein müssten, aber dennoch konstante Ansprechpartner wären. «Sie würden das grosse subjektive Sicherheitsbedürfnis abdecken», sagt Odermatt. Keine Chance: Der Rat lehnt beide Anträge ab. Die Polizeiposten in Steinhausen und Hünenberg werden definitiv geschlossen.

Ebenso chancenlos bleibt der Antrag der SVP, die Polizeikosten weniger stark auf Unfallverursacher abzuwälzen, wie das der Rat in erster Lesung beschlossen hatte. Thomas Werner versuchte, den Rat davon abzuhalten, Junglenker in lebenslange Schulden zu stürzen: «Besonders junge Menschen laufen Gefahr, schwere Unfälle zu verursachen. Sie sollen nicht ein Leben lang Schulden abzahlen müssen.»

Klares Verdikt aus den Kommissionen: Keine neuen Argumente. Der Rat folgt deshalb weder diesem Antrag noch zwei weiteren, die wenigstens den Maximalbetrag zu beschränken versuchten. Sicherheitsdirektor Beat Villiger dazu: «Andere Kantone machen es schon lange so, dass diese Kosten abgewälzt werden können.» Kein Pardon für Autofahrer: Der Rat lehnt den Antrag ab.

Kinderbetreuung: Keine Chance für höhere Abzüge

Und dann wird auch gefeilscht im Kantonsrat: Die umstrittene Halbierung der Abzüge für die Fremd- und Eigenbetreuung von Kindern stehen wieder zur Debatte. Die SVP möchte den auf 3000 Franken gesenkten Abzug bei beiden Betreuungsformen wieder auf 6000 Franken erhöhen. «Es ist bei den Kräfteverhältnissen im Kantonsrat klar, dass die beiden Abzüge gleichbehandelt werden müssen», sagt Markus Hürlimann (SVP). Die CVP hält daran fest, dass Eigenbetreuung steuerlich gleichbehandelt werden muss wie Fremdbetreuung.

Deshalb stellt Hürlimann gleich drei Anträge: Die beiden Abzüge auf 6000 Franken, auf 5000 Franken oder auf 4000 Franken zu erhöhen. Der Saal lacht über den Pragmatismus und lehnt alle drei Anträge ab. Der Widerstand von Links gegen den Eigenbetreuungsabzug verpufft wirkungslos. Andreas Hürlimann (ALG) sagt: «Es ist systemwidrig dass man einen Eigenbetreuungsabzug erhält, obwohl man dafür gar keine Kosten erleidet: Das ist, als ob man einen Pendlerabzug erhalten würde, dafür dass man nicht pendelt.» Der Antrag, den Fremdbetreuungsabzug zu streichen, wird abgelehnt.

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