Regierung bekämpft Informatikermangel

Luzern will neue Informatikschule – zum Nulltarif

Bildungsdirektor Reto Wyss (CVP) stellte am Montag die Pläne der Regierung vor.

(Bild: lru)

Mit einer neuen Informatikmittelschule will der Kanton Luzern gegen den Fachkräftemangel vorgehen – ohne dafür mehr zu bezahlen. Wie soll das gehen? Mit einer pragmatischen Lösung, sagt Bildungsdirektor Reto Wyss: «Das ist kein Überflieger.»

Die Schweiz hat zu wenige Fachkräfte. Ganz besonders trifft das auf die Informatiker zu. Gemäss einer Studie der Informatikbranche werden bis ins Jahr 2022 insgesamt 87’000 Fachkräfte benötigt. Für den Kanton Luzern gibt es keine genauen Zahlen, aber: «In unserer Region ist der Mangel akut.» Das sagte der Luzerner Bildungsdirektor Reto Wyss (CVP) am Montagmorgen vor den Medien. «Dies wird sich negativ auf unsere Volkswirtschaft auswirken.» Weil es zu wenige Lehrstellen gibt, um den Mangel abzubauen, greift der Kanton Luzern zu einem neuen Mittel: Er will eine Informatikmittelschule (IMS) gründen. «Luzern sieht das Problem und handelt», lobt sich Wyss gleich selber.

Statt nur über die Berufslehre sollen Luzerner Jugendliche in Zukunft auch auf dem Schulweg Informatiker werden können. «Dem akuten Fachkräftemangel kann damit mindestens teilweise begegnet werden», argumentiert die Regierung in einer Botschaft ans Kantonsparlament. Bereits nächsten Sommer soll die erste Klasse starten.

«Für leistungsstarke Lernende»

Wer die neue Schule absolvieren will, muss besonders gute Noten aus der Sek oder dem Untergymnasium mitbringen – oder eine Aufnahmeprüfung bestehen. Die Schule richte sich an Lernende, «die in der Lage und willens sind, gleichzeitig zwei Ausbildungen zu absolvieren», schreibt die Regierung. Denn nach Abschluss der Schule haben Jugendliche eine kaufmännische Berufsmatura im Sack und ein Diplom: «Informatiker/in mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis».

Die neue Schule soll vier Jahre dauern. Die ersten drei Jahre sind klassische Schuljahre, es wird für den Beruf und die Berufsmatura gelernt. Danach folgt ein einjähriges Praktikum bei einem Informatikunternehmen.

Doch wollen – anders als bei den Lehrstellen – überhaupt genügend Betriebe Praktikumsplätze anbieten? Die Regierung zeigt sich zuversichtlich, es hätten bereits Firmen Interesse signalisiert. «Nach drei Jahren IMS bringen die Jugendlichen viele Kompetenzen mit. Und auch die Pubertät ist vorbei», sagt Christof Spöring, Leiter der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung beim Kanton. «Damit soll es für die vielen kleinen Betriebe in der Informatikbranche einfacher werden, Jugendliche auszubilden.» Auch in anderen Kantonen sei es gelungen, genügend Praktikumsplätze zu finden. Denn in Aarau, Baden, Basel, Bern, Frauenfeld, Winterthur und Zürich gibt es schon eine IMS.

2013 hatte der Kanton kein Geld

Auch in Luzern ist es nicht der erste Anlauf für eine Informatikmittelschule. Bereits vor einigen Jahren verfolgte die Luzerner Regierung den gleichen Plan – blies ihn aber aus Spargründen 2013 ab. «Die Einrichtung einer Informatikmittelschule können wir uns auf absehbare Zeit nicht leisten», begründete Bildungsdirektor Reto Wyss vor drei Jahren den Entscheid.

Nun haben sich die Kantonsfinanzen seit 2013 bekanntlich nicht verbessert, im Gegenteil. Erst letzte Woche diskutierte der Kantonsrat über ein weiteres 330-Millionen-Sparpaket (zentralplus berichtete). Wie also will der Kanton Luzern die neue Schule finanzieren?

Das Fach- und Wirtschafts-Mittelschulzentrum (FMZ) am Hirschengraben 10 in Luzern – hier sollen die Informatikermittelschüler ab 2017 zur Schule gehen.

Das Fach- und Wirtschafts-Mittelschulzentrum (FMZ) am Hirschengraben 10 in Luzern – hier sollen die Informatikermittelschüler ab 2017 zur Schule gehen.

(Bild: lru)

WMS wird reduziert

Bluten soll die Wirtschaftsmittelschule (WMS), die ein sehr ähnliches Angebot hat. Auch die WMS-Schüler gehen drei Jahre in die Schule, machen dann aber ein Praktikum als Kaufmann/-frau. In Luzern gibt es jährlich fünf WMS-Klassen, diese sind aufgrund eines früheren Sparpakets plafoniert. Nun soll eine der fünf Wirtschafts-Klassen ab 2017 schrittweise zur Informatik-Klasse werden. Die Belegung sei bei der Wirtschaftsmittelschule eher rückläufig, sagt Bildungsdirektor Wyss: «Wir gehen daher davon aus, die Plafonierung auf natürliche Weise einhalten zu können.» Wenn die Informatikmittelschule erfolgreich anläuft, will der Kanton eine zweite Klasse auf Kosten der WMS starten.

Die IMS sei «eine Weiterentwicklung und Profilierung der traditionellen WMS», begründet die Regierung den Abbau bei der Wirtschaftsmittelschule. Dieser sei vertretbar, auch weil die Absolventen der Informatikmittelschule mit der käufmännischen Berufsmatura auch im kaufmännischen Berufsfeld arbeiten könnten.

Kosten: fast nix

Geprüft wurde auch eine technische statt eine kaufmännische Berufsmatura für die Informatikschüler. Dies wurde aber verworfen: einerseits wegen der Kosten, andererseits seien für Softwareentwicklerinnen und -entwickler «Kenntnisse von Geschäftsabläufen wichtiger als technische Grundlagen», so die Regierung.

Dank dem Abbau bei der WMS will der Kanton die neue Schule so gut wie kostenneutral eröffnen: Eine Wirtschafts-Klasse kostet durchschnittlich 300’000 Franken jährlich, die Informatiker soll 316’000 Franken kosten. Die Startkosten will das Bildungsdepartement innerhalb seines Globalbudgets tragen.

Und auch bei der Infrastruktur setzt man auf Secondhand-Lösungen, die Informatikmittelschule kommt in bestehenden kantonalen Schulhäusern unter. Teilweise werden die Schülerinnen und Schüler im Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrum (FMZ) am Hirschengraben in Luzern unterrichtet. Dort ist auch die WMS daheim. Der fachliche Informatikunterricht soll am Berufsbildungszentrum in Sursee (BBZW) stattfinden – wo auch die Informatiklehrlinge zur Schule gehen.

Im September wird der Kantonsrat über die Pläne der Regierung befinden. Gibt er grünes Licht, können im Sommer 2017 24 Jugendliche die Ausbildung zur Informatikerin, zum Informatiker starten. Angesichts der schweizweit benötigten 87’000 Fachkräfte ist das nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein. Das weiss auch Reto Wyss: «Wir können uns nur einen pragmatischen Schritt leisten. Das ist kein Überflieger.»

Das BBZW in Sursee

Hier findet der Informatikunterricht statt: Das BBZW in Sursee.

(Bild: BBZW+G)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Karl Hoppler
    Karl Hoppler, 27.06.2016, 19:27 Uhr

    Benedict, Freis, Clubschule machen ein Geschäft mit IT-Ausbildung und beim Kanton Luzern kostet das Fr. 300’000.– . Tagesschulen mit Eidg. Fachausweis. Wo ist mein Denkfehler ?

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