Kriminalität: Polizeigesetz wird upgedatet

Luzern bringt Verbrechensbekämpfung auf neusten Stand

Nachdem ein Pädophiler seine Gefängnisstrafe abgesessen hatte, fand man bei ihm erneut kinderpornographische Inhalte vor.

 

(Bild: Marek Brandt/fotolia.com)

Gewalttaten verhindern, bevor sie passieren, Terroristen und andere Verbrecher besser verfolgen: Der Entwurf des neuen Polizeigesetzes hat es in sich. Aber auch der Rechts- und Datenschutz soll ausgebaut werden. Was bedeutet das für den Bürger?

Auch Verbrecher gehen mit der Zeit: Die Kriminalität sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. «Insbesondere für die Arbeit der Kriminalpolizei sind verschiedene Handlungsmöglichkeiten nicht im geltenden Polizeigesetz aus dem Jahr 1998 geregelt», teilte Regierungsrat Paul Winiker am Mittwoch mit. Dazu zählen die Observation im Vorfeld von Strafverfahren oder die anonyme Informationsbeschaffung. Deshalb brauche es eine Revision des Polizeigesetzes. Die Vernehmlassung dazu ist soeben gestartet. In Kraft treten könnte das Gesetz auf 2018.

Mehr Rechte für Polizei

«Durch die Veränderungen in diversen Kriminalitätsfeldern sind der Polizei zunehmend die Hände gebunden», argumentiert Winiker. Mit der Gesetzesrevision würden sich für die Polizei insbesondere in folgenden Bereichen neue Handlungsmöglichkeiten ergeben:

  • Im Bereich des Gewaltschutzes sollen durch ein rechtzeitiges Erkennen von bedrohlichem Verhalten schwere Gewalttaten verhindert werden. Dafür wird mit der Möglichkeit, potentiell gefährliche Personen zu kontaktieren, mit der Gefährdungsmeldung und einer speziellen Datensammlung ein ganzes Bündel an Massnahmen geschaffen.

    Reto Ruhstaller vom kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartement erklärt: «Wenn die Polizei Hinweise auf potentiell gewalttätige Personen erhält, werden diese ausgewertet. Je nachdem kommt man zum Schluss, dass man die Person kontaktiert. Das Ansprechen und jemanden auf den Polizeiposten vorzuladen, ist bislang nicht möglich.» Nicht möglich ist auch, Leute aus dem Umfeld der potentiellen Gewaltopfer über solche Hinweise zu informieren. Ein Beispiel: In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, wo Ex-Partnerinnen von Gewalttätern nicht über den Gefängnisaustritt ihrer Peiniger informiert worden sind – und von diesen prompt wieder mit Gewalt konfrontiert wurden.

  • Die verdeckte Registrierung im Schengener Informationssystem (SIS) erlaubt insbesondere die Verfolgung der Reisebewegungen von Dschihadisten oder Drogenhändlern.

    Erklärung: Wenn heute nach geltendem Gesetz jemand im Schengensystem ausgeschrieben ist, muss man ihn anhalten, wenn man ihn erwischt. Das aber ist hinderlich, wenn man den Reiseweg des Täters weiter verfolgen möchte. Neu ermöglicht es die verdeckte Registrierung, dass die Polizei zwar informiert wird, wenn die Person etwa eine Passkontrolle durchläuft. Sie muss aber nicht mehr sofort einschreiten, sondern kann die Reise dieser Person diskret weiter verfolgen. Ruhstaller sagt: «Auf diese Regelung pocht der Bund. Der Kanton Luzern und sieben andere Kantone verfügen noch nicht über die gesetzlichen Anforderungen.»

  • Die Regelung über die Überwachung mit technischen Hilfsmitteln im Internet erlaubt erstmals auch die Beobachtung von virtuellen Foren, die nur einem beschränkten Benutzerkreis zugänglich sind. Hier übernimmt der Kanton Luzern eine Pionierrolle, kein anderer Kanton hat bislang solche Möglichkeiten (siehe Artikel).

Die Polizei hat künftig mehr Möglichkeiten, um Verbrechen zu verhindern oder aufzuklären.

Die Polizei hat künftig mehr Möglichkeiten, um Verbrechen zu verhindern oder aufzuklären.

(Bild: Mihajlo Maricic)

Präzisierter Rechtsschutz

Die Revision hat ausserdem zum Ziel, die Rechte der Betroffenen an die erweiterten Befugnisse der Polizei anzupassen und somit zu stärken. Ruhstaller erklärt: «Wer in Polizeigewahrsam ist, soll neu die Möglichkeit erhalten, die Rechtmässigkeit des Gewahrsams direkt beim Zwangsmassnahmengericht überprüfen zu lassen.» Das gibt’s bislang nicht. Wobei auf Bundesebene ein entsprechender Passus existiert. «Wenn jemand darauf besteht, müssen wir es ihm deshalb gewähren», so Ruhstaller.

Die Neuerung stelle eine Verbesserung für die Verhafteten dar. Wobei sie deswegen nicht mit einer vorzeitigen Haftentlassung rechnen können: Der Polizeigewahrsam dauert höchstens 24 Stunden. In dieser Zeit wird das Gericht kaum je einen Entscheid fällen.

Heikle Hausdurchsuchungen

Weniger spektakulär aber für die Polizei von Bedeutung ist folgender Punkt: Bei bestimmten Hausdurchsuchungen muss sich die Polizei bis anhin auf die polizeiliche Generalklausel stützen. Das ist eine Ausnahmeklausel, die in Kraft tritt, wenn jemand in einem Haus Hilfe benötigt, die Polizei aber nicht mehr selber reinlassen kann. Neu sind die Voraussetzungen für solche Hausdurchsuchungen ausdrücklich im Gesetz geregelt. «Das gibt dem Polizisten sowie dem Bürger mehr Sicherheit», sagt Reto Ruhstaller vom kantonalen Justiz- und Sicherheitsdepartement. «Diese Regelung ist für die Polizei eine der wichtigsten im neuen Gesetz.»

Daten müssen vernichtet werden

Im Vergleich zu anderen Kantonen regelt das geltende Luzerner Polizeirecht den Bereich Datenschutz eher knapp. Mit der Gesetzesrevision sollen die Persönlichkeitsrechte stärker geschützt werden. Zum Beispiel sieht das Gesetz abgestufte Datenvernichtungsfristen vor, die sich nach dem Ausmass des Eingriffs und der Datenbearbeitung richten.

«Besonders bei heiklen Daten gelten neu fixe Vernichtungsfristen.»

Reto Ruhstaller, Justiz- und Sicherheitsdepartement

So sind Bild- oder Tonaufzeichnungen aus Vorermittlungen spätestens nach 100 Tagen, Aufzeichnungen von Telefongesprächen mit der Einsatzzentrale sowie Daten aus Überwachungen mit technischen Hilfsmitteln im Internet spätestens nach einem Jahr und die übrigen Personendaten aus Vorermittlungen spätestens nach fünf Jahren zu vernichten.

Bislang konnte die Polizei diese Fristen selber festlegen. Neu sollen sie auf Stufe Gesetz geregelt werden. «Besonders bei heiklen Daten gelten neu fixe Vernichtungsfristen», sagt Ruhstaller.

Gericht wird stärker belastet

Mehr Möglichkeiten zur Verbrechensbekämpfung bedeutet normalerweise auch mehr Gelder, die dafür benötigt werden. Doch das lässt sich laut Reto Ruhstaller nicht so klar sagen. «Ausser für die verstärkte Internetfahndung, die erst verzögert umgesetzt wird, entstehen für die Polizei keine direkten Kostenfolgen.» Einige Massnahmen würden ja zu weniger administrativem Aufwand führen. «Dadurch werden Ressourcen für andere Bereiche frei.» Eine Mehrbelastung könne sich jedoch beim Zwangsmassnahmengericht ergeben.

Luzern sollte sicherer werden

Was aber klar ist: Das neue Polizeigesetz wird zu mehr Verurteilungen führen. Und Luzern somit sicherer machen? «Das ist das Ziel», sagt Ruhstaller.

Interessant wird nun zu sehen sein, wie sich die Parteien und Verbände in der Vernehmlassung zum Gesetz äussern werden. Stärkere repressive Massnahmen werden mitunter auch kritisch beäugt, weil sie in die Privatsphäre von möglicherweise unbescholtenen Bürgern eingreifen können.

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