Reiche Ausländer und der Sprachnachweis

Integration kann man in Zug bald kaufen

«Man kann alles kaufen», sagt sich die alte Dame Claire Zachanassian. Auch Integration, sagt sich die Zuger Regierung. (Bild: zvg)

Wer reich ist, muss in Zukunft keine Landessprache mehr sprechen, um sich in Zug niederzulassen. Diese Idee der Zuger Regierung sorgt schon zum zweiten Mal für nationale Schlagzeilen. Wir wollten genauer wissen, wie das in einem Rechtsstaat gehen soll – eine rechtliche Bevorzugung reicher Menschen. Die Begründung ist erfrischend ehrlich: Geld stinkt nicht.

Der Kanton Zug hat am Donnerstag in den nationalen Medien Schlagzeilen gemacht: Reiche Ausländer sollen auf den Deutschnachweis verzichten dürfen, und trotzdem eine Aufenthaltsbewilligung bekommen, schrieb der «Tages-Anzeiger» – das verstosse möglicherweise gegen Bundesrecht. Konkret: Wer über mehr als 20 Millionen Franken Vermögen und eine Million Einkommen verfügt, darf sich auch ohne Deutschkenntnisse in Zug niederlassen. Es handelt sich dabei im Kanton Zug um rund 20 Personen, zwei Personen pro Jahr. Schweizweit sind es 400, schreibt die Zuger Sicherheitsdirektion.

Diese Idee der Zuger Sicherheitsdirektion sorgte schon im April dieses Jahres für Aufsehen (zentral+ berichtete), auch damals war die Empörung unter den linken Parteien gross. Am Donnerstag hat die Zuger Alternative – die Grünen (ALG) angekündigt, das Referendum dagegen zu ergreifen, die Vorlage soll vors Volk. «Ein wichtiger Rechtsgrundsatz wird für die Reichsten über den Haufen geworfen», ärgert sich die ALG in ihrem Schreiben. «Das erinnert an monarchistische und diktatorische Staaten.» (zentral+ berichtete)

Passenderweise läuft gerade der Dokumentarfilm «Dürrenmatt – eine Liebesgeschichte» in den Schweizer Kinos – das Ganze erinnert doch sehr an den Besuch der alten Dame. Nur ist das Opfer in Zug kein verflossener Liebhaber, sondern die Rechtsgleichheit. Wie soll man der Bevölkerung erklären, dass Superreiche andere Rechte haben als alle anderen? Bei der Sicherheitsdirektion ist man zwar nur per Mail erreichbar, aber trotzdem erfrischend ehrlich – diese Superreichen würden dem Kanton schlicht mehr bringen, als sie ihn kosten, schreibt uns der Sicherheitsdirektion Beat Villiger.

Strenge Regelung – Ausnahme sei rechtens

Zudem sei der Kanton in dieser Frage strenger als alle anderen: «Der Kanton Zug hat hier einen Bereich gesetzlich geregelt, den andere Kantone offen lassen», schreibt Villiger. «Dieser Bereich wurde offenbar im Artikel des Tages-Anzeigers falsch verstanden: Das Bundesrecht sieht gewisse Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer ordentlichen Niederlassungsbewilligung nach 10 Jahren Aufenthalt vor. Nicht dazu gehört das Erreichen eines bestimmten Sprachnachweises.» Der Kanton Zug habe als einziger Kanton diesen Sprachnachweis als Bedingung für eine Bewilligung C vorgesehen, deshalb sei eine Ausnahme dieser Bestimmung für Superreiche nicht bundesrechtswidrig.

«Mit dem Zuger Gesetz und der Deutschpflicht haben wir eine strenge Regelung geschaffen, die die Integration fördert», schreibt Villiger. «Das ist gut und das stellt niemand in Frage. Die Lockerung der Deutschpflicht betrifft nur wenige Personen, bei denen der Kanton andere Interessen hat. Es ist letztlich ein Abwägen der öffentlichen Interessen.» Wir fragen: Ist dieses Abwägen nicht schlicht undemokratisch? Was ist mit «gleiche Rechten und gleiche Pflichten für alle»?

Fiskalische Interessen seien auch wichtig

Der Vorschlag des Regierungsrats orientiere sich am Bundesrecht zu den Aufenthaltsbewilligungen (B-Bewilligungen), schreibt Villiger dazu. Der Bund sehe dort Ausnahmen wegen «wichtigen öffentlichen Interessen» und explizit darunter «erhebliche kantonale fiskalische Interessen» vor. Die Ungleichbehandlung sei also bundesrechtskonform. Trotzdem widerspricht sie dem Gerechtigkeitsempfinden. Villiger schreibt: «Zu den wichtigen öffentlichen Interessen gehören auch fiskalische. Der Kanton Zug hat von der Anwesenheit dieser Personen mehr, als sie vom Kanton Zug profitieren.»

Ob damit der Trend nicht noch verstärkt werde, den die Zuger Linke fürchtet, nämlich dass sich Zug in eine exklusive Heimat für Reiche verwandle? «Nein», schreibt Villiger, «Nein, im Gegenteil besteht die Gefahr, dass die betroffenen ansässigen Reichen abwandern. Sie könnten ohne weiteres in einen anderen Kanton ziehen und würden dort die Niederlassung mit tieferen Hürden erhalten, weil es anderswo die Deutschpflicht nicht gibt.»

Fazit: Im Steuerwettbewerb müssen auch Regelaufweichungen erlaubt sein – Stichwort Pauschalbesteuerung (zentral+ berichtete). Der Kanton Zug hat zwar für alle anderen Ausländer strengere Regeln als der Rest der Schweiz, will aber im Wettbewerb um superreiche Steuerzahler attraktiv bleiben. Trotzdem stellt sich die Frage, wie grosse Zugeständnisse eine Gesellschaft an Einzelpersonen machen will, nur weil sie in absoluten Zahlen mehr Steuern zahlen. Falls das Geschäft vors Volk kommt, dürfte es schwierig werden, der Bevölkerung zu erklären, dass Geld vor Recht geht. Villiger ist allerdings zuversichtlich: «Ich glaube, die Bevölkerung ist in der Lage, die für sie wichtigen Interessen abzuwägen.» «Man kann alles kaufen», sagte Claire Zachanassian zur Güllener Bevölkerung. Auch eine Dispens für gute Integration.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 10.11.2015, 11:06 Uhr

    Manhatten oder nöd – Stil. Es wäre sicherlich förderlich, würde man nur faktenbasierte Sachpolitik betreiben. Ich bin dezidiert der Meinung, dass aufgrund des für alle Ausländer aus Drittstaaten geltenden Gesetzes bezüglich Sprachnachweis für die C-Niederlassung (damals von der ALG bekämpft) nun keine Ausnahmen aufgrund des Einkommens/Vermögens der Antragstellenden gemacht werden darf. Das wäre ein dem Rechtsstaat zuwiderlaufende Privlegierung von Personen allein aufgrund ihres Reichtums. Dabei kann die Regierung das notwendige «übergeordnete fiskalische Interesse» nicht mal belegen. Denn einerseits hätte der Kanton grundsätzlich etwas falsch gemacht, wenn er auf 0-2 (Zitat Regierung) Gesuchsteller jährlich angewiesen ist. Andererseits weiss die Regierung nicht, ob diese Personen wirklich gehen und kann nicht beziffern, wie viel Steuergeld fehlen würde. Wenn der Kantonsrat dem zustimmt, dann verkauft er den Rechtsstaat dem «Meistbietenden». Ich hoffe, der Kantonsrat buckelt nicht vor wenigen Reichen. Die SVP macht dabei die tollsten Wendungen – auf nationaler Ebene sagt sie klar, wer keine Landessprache lernen will, muss gehen. In Zug sagt die SVP, mit Geld kann man sich um Deutschkenntnisse (und wohl auch Integration) foutieren.

    Folgender Link zeigt die Debatte im April 2015 zum Sprachnachweis auf: Dabei erkennt man inhaltliche Differenzen bei linksgrün, mit einem SP-Politiker, der die Privilegierung begrüsst (Das darf sein Meinung sein! Gleichzeitig wirft er mir dann Fremdenfeindlichkeit/Rassismus vor, weil ich das nicht will; das wäre dann wohl laut Mathis schlechter Stil – finde ich zumindest.)
    http://www.zentralplus.ch/de/news/politik/3357653/Sonderprivileg-f%C3%BCr-reiche-Ausl%C3%A4nder.htm#comments

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  • Profilfoto von Markus Mathis
    Markus Mathis, 09.11.2015, 21:31 Uhr

    Was mich an den Zuger Grüner-Alternativen stört, sind weniger ihre politischen Inhalte als vielmehr ihr mangelnder Stil. Es gilt: Schuld sind immer die andern. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, dann treten viele von ihnen politischen Wettbewerbern gern eins gegens Schienbein oder in den Rücken.

    Das jetzt Stimmung gemacht wird gegen SP-Kantonsrat Rupan Sivaganesan und SP-Parteipräsidentin Barbara Gysel riecht für mich (einmal mehr) nach persönlicher Abrechnung. Sollten sie tatsächlich für die Priviligierung der Reichen eintreten, so wäre dies zwar zu kritisieren – wobei ich mir dies bei Barbara Gysel, die ich ausreichend zu kennen glaube, nicht vorstellen kann – aber es wäre schlicht grotesk, hier den Eindruck erwecken zu wollen, dass eine solche Privilegierung dank Rupan Sivaganesan zustande kommen könnte, und nicht etwa, weil die bürgerlich-Rechten eine erdrückendes politisches Übergewicht in Kantonsrat und Regierung haben. (Wobei das Volk diesen Unsinn an der Urne sowieso ablehnen wird.)

    Ich gehöre der Geschäftsleitung der SP des Kantons Zug nicht mehr an, deswegen erlaube ich mir meine Meinung kundzutun und zwar vollständig privat. Ich versteh nicht, wie respektable Persönlichkeiten bei den Grün-Alternativen immer wieder in Versuchung geraten, die SP zu einer Art Hilfstruppe zu degradieren und auf ihren eigenen Kurs bringen zu wollen – dabei ist man bei der Zuger Linken auf Zusammenabeit angewiesen um das relativ geringe politische Gewicht beibehalten zu können. Die aber kann nur auf Augenhöhe funktionieren.

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  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 07.11.2015, 20:23 Uhr

    Da haben Sie den grossen Hammer ausgepackt, Herr Wehner: linker Rassismus ist ein schwerwiegender Vorwurf.
    Ich hätte bis aufs letzte Komma das gleiche geschrieben, wenn Herr Sivaganesan Müller heissen würde und ein Bleichgesicht wäre.
    Es ist eher umgekehrt, Herr Wehner: die ALG hat sehr lange gewartet mit dem Ausschluss, u.a. eben genau weil klar war, dass Herr Sivaganesan seine Rolle als Opfer betonen würde.
    Würden Sie denn eine berechtigte Kritik einfach totschweigen, nur weil die kritisierte Person dunkle Hautfarbe hat? Das wäre ja quasi «umgekehrter» Rassismus.
    Aber es geht ja schlussendlich um Sivaganesans Haltung als quasi integrationspolitischer Sprecher der SP in der Frage, ob Reiche von der Pflicht befreit werden sollen, deutsch sprechen zu können. Sivaganesan sagt Ja, ich meine klar: Nein. Und ich erlaube mir, seine Haltung zu kritisieren. Nicht hintenherum Herr Wehner, sondern offen und direkt.
    Wir leben schliesslich in einer Demokratie, und die muss unabhängig von der Hautfarbe und Parteizugehörigkeit gelten.

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  • Profilfoto von daniel.wehner
    daniel.wehner, 07.11.2015, 14:30 Uhr

    Würde man die politische Karriere eines Politikers auch so diskutieren, wenn err wie Rupan Sivaganesan nicht dunkler Hautfarbe wäre?
    Vielleicht kann zentralplus einmal einen Artikel über linken Rassismus schreiben… Doch das ist wohl tabu. Ein hässliches Bild ergibt sich mir da. Kein Wunder, dass die Linke in Zug keinen Sitz geholt hat, wenn sie sich untereinander so streiten.
    Und die SP sagt gar nichts dazu. In Zug schweigt man lieber, redet hintenrum. Bünzlig halt, wie ich aus beruflichen Erfahrungen in Zug weiss. Zum Glück wohne ich in Luzern…

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  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 07.11.2015, 00:43 Uhr

    Lieber Markus,
    Dein @Stubi wirkt auf mich wie ein Ablenkungsmanöver.
    Ich weiss nicht, ob Du immer noch in der SP bist. Aber Du warst 2012 Mitglied der GL der kantonalen SP. Dann sollte Dir bekannt sein, dass die Stadtzuger SP Rupan aufgenommen hat und sie hätte wissen können, wenn sie es gewollt hätte, weshalb die Alternativen Grünen ihn damals einstimmig aus der Kantonsratsfraktion und mit grossem Mehr aus der Partei ausgeschlossen haben. Einfach so passiert das ja nicht. Inzwischen ist Rupan Mitglied des Vorstands der SP Stadt Zug.
    Und nun ganz konkret zu deinem @Stubi – es ist nämlich ganz einfach: Rupans politische Heimat ist dort, wo er Karriere machen kann. That’s it.
    Er ist jetzt in seiner drittten Legislatur sowohl im GGR wie im KR. Sein politischer Leistungsausweis tendiert gegen Null und dafür hat er die Quittung bei den Nationalratswahlen 2015 bekommen. Er hat gerade mal 322 Stimmen mehr bekommen als vor 8 Jahren – und das unter wesentlich besseren Voraussetzungen als damals. Und er hat trotz Platzierung auf der SP-Hauptliste, trotz aufwendigem Solo-Wahlkampf (ganz ausserhalb des SP corporate design und ohne SP-Logo – wer das wohl bezahlt hat?) und viel von der SP zur Verfügung gestelltem Platz in den Medien 429 Stimmen weniger gemacht als Zari Dzaferi, der nur auf einer Nebenliste kandidierte.
    Und wie gesagt: ich bin gespannt, wie sich die SP Parteipräsidentin in der kantonsrätlichen Kommission in dieser Sprachenfrage verhält.

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  • Profilfoto von Markus Mathis
    Markus Mathis, 06.11.2015, 17:14 Uhr

    Interessant zu erfahren wäre, ob Pauschalbesteuerte auch in den Genuss einer Niederlassungsbewilligung kommen, ohne die Auflagen für Normalsterbliche zu erfüllen. So wie ich die Zuger Mitte-Rechts-Regierung kenne, wette ich darauf. Sowas nennen die Rechten übrigens Ausverkauf der Heimat und haben damit nicht unrecht, auch wenn sie es selber zu allervorderst betreiben.

    @Stubi: Hat Rupan S. nicht jahrelang für die Grünen politisiert, bzw. könnte man nicht sagen, dass dort seine politische Heimat ist?

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  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 06.11.2015, 15:23 Uhr

    Der Titel ist – leider einmal mehr – kreuzfalsch. Diese Leute wollen sich ja eben nicht integrieren, sonst würden sie deutsch lernen.
    Sie wollen von den Privilegien der Niederlassungsbewilligung profitieren. Und diese könnten sie mit der neuen Regelung quasi kaufen. Dem wird das Volk einen Riegel schieben.
    Wo die Zuger SP in dieser Frage steht, ist übrigens nicht so klar. Ihr Vorzeige-«Integrationspolitiker» Rupan Sivaganesan unterstützt bekanntlich diese Privilegierung. Es wird interessant sein, zu sehen, wie seine politische Ziehmutter – die SP-Parteipräsidentin Barbara Gysel – sich in der vorberatenden Kommission verhält.
    Martin Stuber, Alt Kantonsrat

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